Job und Kind Besonders Alleinerziehende kämpfen in der Corona-Krise

Halver · Einige Bevölkerungsgruppen trifft die Corona-Krise besonders hart: Alleinerziehende zum Beispiel. Melanie Hedtfeld, die einen Pflegedienst leitet, ist zwischen Job und Kind hin- und hergerissen.

 Melanie Hedtfeld ist Chefin eines Pflegedienstes im Sauerland - und alleinerziehende Mutter. Es fällt ihr nicht leicht, ihre sechsjährige Tochter Ella jeden Morgen in die Kinderbetreuung bringen. Foto: Markus Klümper/dpa

Melanie Hedtfeld ist Chefin eines Pflegedienstes im Sauerland - und alleinerziehende Mutter. Es fällt ihr nicht leicht, ihre sechsjährige Tochter Ella jeden Morgen in die Kinderbetreuung bringen. Foto: Markus Klümper/dpa

Foto: Markus Klümper

Melanie Hedtfeld ist Chefin eines Pflegedienstes im Sauerland - und alleinerziehende Mutter. Eine Kombination, die die 42-Jährige mitten in der Corona-Krise vor eine Zerreißprobe stellt.

Denn durch ihren Job gilt Hedtfeld als systemrelevant und kann ihre sechsjährige Tochter Ella jeden Morgen in die Kinderbetreuung bringen. Doch richtig wohl fühlt sie sich damit nicht. „Ich habe das Gefühl, das Wohl meines Kindes hinten anstellen zu müssen“, sagt die alleinerziehende Mutter. Sie macht sich Sorgen, dass sich Ella dort anstecken könnte. „Meine Tochter ist so anfällig für Infekte, auch was die Lunge angeht.“ Eine Wahl haben beide aber nicht.

Sorge um den Lohn

Seit gut zwei Wochen sind Schulen und Kindergärten in NRW wegen der Corona-Pandemie eigentlich geschlossen. Diese Vorkehrungen treffen besonders alleinerziehende Eltern hart. Wenn sie ihre Kinder betreuen müssen, können sie nicht arbeiten. Wenn sie nicht arbeiten, fällt oftmals der Lohn aus.

Aber Melanie Hedtfeld aus Halver im Märkischen Kreis muss arbeiten. Von ihr als Chefin hängen 16 Mitarbeiter-Familien und 150 Kunden ab. „Meine Mitarbeiter sind alle auf den Lohn angewiesen“, sagt sie. Staatliche Ersatzleistungen in der Krise wie das Kurzarbeitergeld decken nur 67 Prozent des Nettogehalts von Familien mit Kindern ab. Ein Drittel des Geldes würde also fehlen. „Keiner, der bei mir arbeitet, kann auf diesen Anteil verzichten“, betont Hedtfeld.

Noch mehr auf sich allein gestellt

Das gilt besonders für Alleinerziehende. Etwa zwei Drittel von ihnen hatten 2018 monatlich weniger als 2000 Euro zur Verfügung, berechnet das Statistische Bundesamt. „Klar könnten jetzt alle, die nicht arbeiten, auch Hartz IV beantragen. Aber man kann doch jetzt nicht dabei zugucken, wie Menschen aus der unteren Mittelschicht in die Armut abrutschen“, sagt Nicola Stroop, Vorstand beim Verband Alleinerziehender Mütter und Väter in Nordrhein-Westfalen.

Mit diesen finanziellen Sorgen seien Alleinerziehende während der Corona-Krise noch viel mehr auf sich allein gestellt als sonst. „In so einer Zeit der sozialen Isolation kommt noch das Gefühl dazu, alles alleine schultern zu müssen und die ganze Unsicherheit mit sich selbst ausmachen zu müssen“, sagt Stroop. Um zumindest finanziell nicht auf sich selbst gestellt zu sein, könnte der Notfall-Kinderzuschlag eine Hilfe sein. Ab dem 1. April kann ein Antrag bei der Familienkasse gestellt werden, pro Kind sind dann bis zu 185 Euro möglich.

Emotionale Belastungen

Melanie Hedtfeld kennt die emotionalen Belastungen. „Gerade jetzt fehlt mir ein Ansprechpartner, mit dem ich besprechen kann, wie ich mit der Betreuungssituation umgehen soll.“ Seit dieser Woche bietet der Verband Alleinerziehender die Krisennummer 0201-82774799 an, an die sich überforderte Eltern wenden können. Solche Beratungsangebote können den Druck nehmen, der auf Alleinerziehenden lastet. „Ich wünschte, ich wär jetzt eine Teilzeitmutter im Home-Office, die irgendwelche Sachen abheftet“, sagt Hedtfeld.

Die Realität in ihrem ambulanten Pflegedienst ist anders. Bis Tochter Ella nachmittags nach Hause kommt, organisiert die 42-Jährige Schutzkleidung, schreibt den Pandemieplan oder beruhigt ihre Pflegekräfte. „Außerdem habe ich noch meine kranke Mutter und meine Oma, um die ich mich jetzt kümmern muss. Die dürfen ja nicht mehr raus, deswegen muss ich auch mit für sie einkaufen.“ Hedtfeld würde sich gerne mehr um ihr Kind kümmern, nur Kapazitäten habe sie dafür nicht.

Ihre Tochter Ella sei genauso unzufrieden. „Da kriege ich gerade die ganze Wut ab. In der KiTa langweilt sie sich, weil ihre Freunde nicht da sind, und sie fragt, warum ich nicht wie andere Mamas bin. Sie kann das noch nicht verstehen. Aber ich muss ihr halt erklären, dass bei anderen Familien zwei Leute arbeiten gehen. Und ich muss ja das ganze Geld alleine erarbeiten.“

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