Der Tod und das Virus Beerdigungen in Zeiten von Corona

Berlin · Am Grab eines geliebten Menschen zu stehen, ist schon schwer genug. Die Einschränkungen wegen des Coronavirus machen das Abschiednehmen nicht leichter und werfen neue Fragen auf: Es geht um die Würde eines Toten- und um Instagram.

 Bei Beerdigungen sollen sich Trauernde nicht die Hände schütteln oder umarmen. Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

Bei Beerdigungen sollen sich Trauernde nicht die Hände schütteln oder umarmen. Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

Foto: Rolf Vennenbernd

Das neuartige Coronavirus bedroht nicht nur das Leben, sondern auch den Umgang mit dem Tod. „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind...“, heißt es in einem bekannten christlichen Lied. Aber was bedeutet es für die Beerdigungen im Land, wenn sich wegen des Kontaktverbots kaum noch Leute versammeln dürfen?

„Das ist eine Katastrophe“, sagt Nicole Rinder vom Bestattungsinstitut Aetas in München. Für Trauernde sei es so wichtig, von einer Gemeinschaft aufgefangen und getröstet zu werden. „Dass alle nochmal im Gedenken an den Verstorbenen zusammenkommen, gibt den Betroffenen immer sehr viel Trost.“

Wer gehört zum engen Familienkreis?

Aktuell sind alle Veranstaltungen in Kirchen, Moscheen und Synagogen untersagt. Zwar sind Beerdigungen von dem strengen Kontaktverbot ausgenommen. Sie dürfen bundesweit unter freiem Himmel im engsten Familienkreis durchgeführt werden, erklärt Elke Herrnberger vom Bundesverband Deutscher Bestatter. Ob zu diesem Kreis auch enge Freunde zählen oder ob nur die Eltern, der Partner und die Kinder am Grab stehen dürfen, handhaben die Bundesländer demnach ganz unterschiedlich. Klar ist aber, was alles nicht geht: Keine Trauerfreier mit Reden und Musik, keine Erde, kein Weihwasser, kein Beisammensein nach der Beerdigung, keine Aufbahrungen und Trauergespräche fast ausschließlich telefonisch. Nur die Zeremonie am Grab selbst ist noch zugelassen. Dem Tod wird der kleinstmögliche Platz im Leben eingeräumt - mit Folgen.

„Bestattungen sind eine der wichtigsten Aufgaben, die wir haben, weil über Tod und Sterben in unserer Gesellschaft noch viel zu wenig gesprochen wird“, sagt Theresa Brückner . Sie ist Pfarrerin für Kirche im Digitalen Raum im Kirchenkreis Tempelhof-Schöneberg. Auf ihrem Youtube- und Instagram-Account „theresaliebt“ zeigt sie, dass Seelsorge auch digital geht, mit Bibelzitaten, Livestreams und - aktuell mehr denn je - auch Trauerbegleitung: „Ich mache momentan ganz viel Seelsorge über Instagram. Die Menschen leiden darunter, dass sie schwerkranke Familienangehörige nicht besuchen oder Menschen im Sterbeprozess nicht begleiten können. Ich sehe meine Aufgabe darin, sie aufzufangen.“

Bestattungsbranche muss neue Wege gehen

Wenn die Krise etwas Gutes habe, dann: „Dadurch wird klar, welche Möglichkeiten sich durch die digitale Vernetzung ergeben“, findet Brückner. Aber nicht nur die Kirche, auch die Bestattungsbranche wird gezwungen, neue Wege zu gehen. Dem Deutschen Bestatterverband zufolge sind einige Bestatter gut genug ausgerüstet, um die Trauerfeier zu filmen. Auch Livestreams seien teilweise möglich. „Das ist aber ein technischer Aufwand, den nur ein paar Prozent unserer Bestatter betreiben können“, sagt Herrnberger.

Einige Bestattungsunternehmen bieten außerdem an, dass Trauerfeiern nachgeholt werden können, wenn die Krise vorbei ist. Eine gute Lösung, findet die Pfarrerin Theresa Brückner. Denn mit der Beerdigung sei der Trauerprozess ja nicht vorbei, sondern beginne erst. Verschieben lässt sich aber nur die Trauerfeier, nicht die Beerdigung selbst. Das ist gesetzlich geregelt, die verschiedenen Landesgesetze schreiben vor, wie schnell ein Mensch nach dem Tod beerdigt werden muss - bei Erdbestattungen bis maximal zehn Tage nach Eintritt des Todes, erklärt Elke Herrnberger. Bei einer Urnenbeisetzung kann die Beerdigung auch später stattfinden, in Nordrhein-Westfalen beispielsweise bis zu sechs Wochen nach dem Tod. Hier seien aktuell aber auch Fristverlängerungen möglich, hieß es. „Die Trauernden reagieren alle sehr verständnisvoll“, erzählt die Bestattungsexpertin Herrnberger.

Was gilt bei Menschen, die an Covid-19 verstorben sind?

Besonders hart trifft es die Angehörigen und Freunde derjenigen, die an Covid-19 gestorben sind. Die Verstorbenen gelten laut Herrnberger als infektiös, müssen in hygienische Tücher gewickelt oder in eine luftdichte Folienhülle verbracht werden. Der Sarg wird demnach umgehend verschlossen und von außen desinfiziert. Die Angehörigen haben keine Chance mehr, den Verstorbenen noch einmal zu sehen, um sich zu verabschieden. „Gerade dieses Abschiednehmen ist aber wichtig für einen gesunden Trauerprozess. Das kann man im Gegensatz zur Trauerfeier nicht mehr nachholen und das ist schon sehr einschneidend“, meint Nicole Rinder von Aetas.

Dass durch eine nachgeholte Trauerfeier wieder Wunden aufgerissen werden können, glaubt sie nicht. „Das Schlimmste ist ja schon passiert, ein Mensch ist gestorben.“ Wenn eine Trauerfeier einfach ausfalle, könne es den Hinterbliebenen das Gefühl geben, dass sie den Toten nicht so bestattet haben, wie es zu ihm gepasst hätte. „Ich könnte mir vorstellen, dass einige Trauernde die Trauerfeier nachholen werden - um auch für sich selbst Frieden zu finden.“

Die Regeln für Beerdigungen und Gedenkfeiern

Beerdigungen an der frischen Luft sind im engsten Familienkreis trotz des geltenden Kontaktverbots weiterhin möglich. Trauerfeiern mit Reden und Musik aber dürfen nicht stattfinden. Der Abschied von Verstorbenen kann wegen der Corona-Krise womöglich nicht so ablaufen, wie Hinterbliebene sich das gewünscht haben - das kann belastend sein. Ist die Verschiebung von Beerdigung und Trauerfeier eine Option?

Ja, aber es gibt Grenzen. „Man muss die Bestattungsfristen der Landesgesetze beachten“, erklärt Elke Herrnberger, vom Bundesverband Deutscher Bestatter. Diese variierten bei Erdbestattungen von zwei bis maximal zehn Tage nach dem Tod. „Bei Urnenbestattungen kann man auch noch mehrere Wochen nach dem Tod bestatten. Unter gewissen Umständen lassen sich die Fristen verlängern.“ Darum kümmere sich das Bestattungsunternehmen.

Der Bestatter wäre auch für die Organisation zuständig, wenn eine Gedenkfeier später stattfinden soll. Diesen Termin könne man aber nur perspektivisch festlegen, weil niemand wisse, wie es mit der Corona-Krise weitergehe, gibt Herrnberger zu bedenken.

Extrakosten für eine spätere Gedenkfeier müssen Angehörige wohl nicht fürchten, erklärt Nicole Rinder, die Leiterin des Bestattungsinstituts Aetas in München. „Wenn die Feier zum aktuellen Zeitpunkt entfällt, wird ja keine Halle benutzt oder Ähnliches. Dann fallen für die Feier selbst keine Kosten an, sondern sie verschiebt sich einfach nur.“

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