Klimawandel Winzer müssen sich weltweit an Erderwärmung anpassen

Bonn · Schaumwein aus England, Weinbau in den Pyrenäen: Die Erderwärmung zwingt die Winzer weltweit zur Anpassung an höhere Temperaturen und längere Trockenperioden.

 An der richtigen Stelle: In den Weinbergen von Gusbourne in Kent wird Pinot Noir heute reif.

An der richtigen Stelle: In den Weinbergen von Gusbourne in Kent wird Pinot Noir heute reif.

Foto: GA

Winzer Jeff Havlin freut sich über den Wind, der vom Pazifik in seine Weinberge in Oregon bläst. Denn wenn sich das Tal im Nordwesten der USA am Nachmittag aufheizt, ist er froh über jede Abkühlung für seine Trauben. Verantwortlich dafür ist eine Schneise im Oregon Coast Range, der die kühle Brise in das für seine Weine berühmte Tal saugt - der Van-Duzer-Korridor. Damit wurde die Region ein begehrtes Anbaugebiet für Weingüter, die sich gegen den Klimawandel absichern wollen.

Winzer und Kellereien mit einer Fläche von 246 Quadratkilometern bewerben sich dort als jüngstes Weinanbaugebiet um den Schutz ihrer Herkunftsbezeichnung als American Viticulture Area. Wichtigstes Merkmal: Wind. "Wenn die Temperatur absinkt, braucht man im August eine Jacke", sagt Havlin auf der Fahrt durch seine Weinberge.

Von den dürregeplagten Weinbergen Südafrikas über Frankreichs edle Schlösser bis zu den sonnigen Weingütern in Australien und Kalifornien: Überall bekommen Winzer und Kellereien mit steigenden Temperaturen die Auswirkungen des Klimawandels zu spüren.

Maßnahmen des Weinanbaus

Also weichen sie in kühlere Gefilde aus, pflanzen Sorten, die mit der Hitze besser zurechtkommen, und beschatten ihre Trauben mit Blätterdächern. Ehemals ideale Lagen für bestimmte Rebsorten werden weniger rentabel, weil die Trauben schneller reifen, was frühe Ernten und verminderte Qualität zur Folge hat. Dafür werden Lagen wie der Van-Duzer-Korridor immer begehrter.

Zwar können Weinreben Hitze- und Dürreperioden vertragen, und in Teilen Europas wird traditionell Trockenanbau betrieben. Doch die vergangenen vier Jahre waren die heißesten seit Beginn der Aufzeichnungen, und die Erwärmung nimmt zu. Schon geringe Witterungsschwankungen von Jahrgang zu Jahrgang können den Zucker-, Säure- und Tanningehalt des Weines und damit auch Geschmack und Charakter verändern.

Familia Torres, ein großer Weinproduzent mit Sitz in Spanien und Weingütern in Kalifornien und Chile, kaufte Ländereien in 1200 Meter Höhe in den Ausläufern der Pyrenäen als Investition in kühlere Klimazonen. Die Durchschnittstemperaturen in den Weinbergen des Unternehmens sind innerhalb von 40 Jahren um ein Grad Celsius gestiegen - mit dem Ergebnis, dass jetzt etwa zehn Tage früher geerntet werden muss, wie Firmenpräsident Miguel A. Torres sagt. Torres nennt den Klimawandel ein "sehr ernstes, weltweites Problem" für die Winzer. Daher sollten sie nach seinen Worten auch versuchen, ihre Treibhausemissionen zu reduzieren.

Schwere Dürren verursachen Rückgang

Nach Behördenangaben vom Mai verursachten schwere Dürren am Westkap Südafrikas einen 15-prozentigen Rückgang bei der Weinlese, was wahrscheinlich die Weinpreise hochtreiben wird. Der prophezeite langfristige Trend zu Dürren habe gravierende Auswirkungen auf die Weinindustrie Südafrikas, betont Wanda Augustyn von VinPro, die die Weinbranche und Zulieferer vertritt: "Längerfristig müssen sich Produzenten mit qualitativ hochwertigen, dürreresistenten Weinreben befassen, die mehr Geschmack, Säuregehalt und Intensität produzieren, aber einen geringeren Wasserbedarf haben."

Auch in der Bretagne im Nordwesten Frankreichs lassen sich inzwischen Winzer nieder - früher war das wegen Atlantik-Winden, Regen und Sonnenmangel undenkbar. Heute wird sogar Wein in Schweden angebaut. Schaumweine aus England machen den Klassikern aus der Champagne längst Konkurrenz.

Zwar drängte die Erderwärmung einige wärmere Weinanbaugebiete aus dem optimalen Temperaturbereich, doch gleichzeitig rückten Orte wie Oregon dadurch nach, vor allem für Pinot Noir. Als die Pioniere dieser Rebsorte in den 1960er Jahren aus Kalifornien in Oregon ankamen, kämpften sie mit kürzeren Vegetationsperioden, Frösten und Regen während der Ernte, sagt Jones. Sie passten ihre Anbaumethoden an, das Klima wurde milder. Jetzt "haben wir eine optimale Lage", sagt Jones.

Traubenklone werden nicht mehr gut zusammenwirken

Doch wenn sich die Erderwärmung fortsetzt, werden das Wetter und die heute verwendeten Traubenklone nicht mehr so gut zusammenwirken. Die Willamette Valley Vineyards in Oregon bereiten sich schon darauf vor. Das Weingut begann 2007 mit dem Weinanbau in den kühleren Eola-Amity Hills. Es experimentiert mit neuen Pinot-Noir- und Chardonnay-Klonen, die in heißeren Anbauperioden besseren Ertrag bringen, tiefer wurzeln und so dürreresistenter werden.

"Wenn man pflanzt, bekommt man seine erste Ernte in vier Jahren und den ersten Wein in sechs Jahren. Und man weiß vielleicht erst in 20 Jahren, ob es ein richtig guter Standort ist", sagt Betriebsleiterin Christine Collier Clair. "Da muss man ziemlich weit vorausdenken. Wir sind seit 37 Jahren auf diesem Anwesen und wollen ein Weingut sein, das Bestand hat, so wie manche französischen Schlösser seit dem 17. Jahrhundert."

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