Pep am heißen Stein So wird das Raclette zum Silvesterknaller

Worb · Wenn man einmal im Jahr den Tischgrill aus dem Keller holt, muss es Silvester sein. Oft erfüllt das Raclette die Erwartungen aber nicht. Zehn Probleme mit dem Party-Klassiker - und wie man sie löst.

 Raclette ist ein beliebter Party-Klassiker - und lässt sich auch ohne Tristesse und Fettnäpfchen gestalten. Foto: dpa-tmn

Raclette ist ein beliebter Party-Klassiker - und lässt sich auch ohne Tristesse und Fettnäpfchen gestalten. Foto: dpa-tmn

Foto: Franziska Gabbert

Es ist sooo gemütlich! Man kann sich entspannt unterhalten, dabei immer wieder naschen - und die Zeit bis zum Feuerwerk vergeht wie im Flug. So oder so ähnlich versuchen Gastgeber ihren Gästen und sich selbst die Idee für ein tolles Silvester-Raclette schönzureden.

Und wie sieht die Wirklichkeit oft aus? Unmarinierte Fleischwürfel schmecken nach nichts. Perlzwiebeln, Partytomaten und Champignonscheiben verbreiten Langeweile im Mund. Und die Schüsselchen mit spannenderen Zutaten stehen grundsätzlich immer am falschen Ende des Tischs. Gegen 21.00 Uhr fühlt man sich zum Platzen vollgegessen und sehnt sich auf sein heimisches Sofa. Doch wie vermeidet man Tristesse und Fettnäpfchen um den heißen Stein? Mehrere Probleme - und Lösungsvorschläge:

- Problem 1: Kaum sitzen alle, überbieten sich die Leute mit Turmbauten in ihren Pfännchen.

- Lösung: Regie führen. „Jetzt muss der Gastgeber eingreifen und eine Raclette-Einführung geben“, erklärt die Stil- und Etikette-Trainerin Susanne Helbach-Grosser aus Schwäbisch Gmünd. Sie würde so starten: „So, liebe Leute. Und ihr wisst alle, wie es geht? Also, in die Pfännchen nie zu viel füllen...“

- Problem 2: Die Gäste horten die Zutaten, weil sie Angst haben, es reicht nicht für alle.

- Lösung: „Die Vorratshaltung muss man einplanen“, sagt die Stilexpertin. Deshalb gilt es, mehr Teller einzudecken als Leute am Tisch sitzen. Sinn mache auch, mehrere Grillgeräte aufzustellen. So können die Teilnehmer die Zwei-Pfännchen-Taktik anwenden. Vorteil: Während man ein Pfännchen schmaust, brutzelt schon das nächste.

- Problem 3: „Reichst du bitte mal die Paprikawürfel? Reichst du mir bitte den dunkleren Käse?“ Spätestens nach der dritten Bitte kommt man sich blöd vor und lässt es.

- Lösung: „Ein Extra-Buffet, etwa in der Küche, ist das Mittel gegen den Bettel-Modus“, sagt Helbach-Grosser. Dadurch blieben auch alle in Bewegung - ein weiterer Vorteil.

Eine Alternative ist eine „Lazy Suzy“. „Das ist eine Drehplatte, auf der viele Schälchen Platz haben. Man kennt sie aus chinesischen Restaurants“, erläutert Helbach-Grosser. Ansonsten könne der Gastgeber gleich zu Beginn auch auffordern, dass jeder, der gerade eine Platte oder ein Schälchen in der Hand hält, zugleich rechts und links etwas davon anbietet.

- Problem 4: Die edlen Fleischfilets schmecken fade.

- Lösung: Marinieren. Cornelia Schinharl empfiehlt eine orientalische Marinade. Dafür verrührt die Kochbuchautorin aus dem schweizerischen Worb frischen Koriander, Knoblauch, Kreuzkümmel und Paprikapulver mit zwei bis drei Esslöffeln Olivenöl und gibt dazu noch etwas Saft und den Abrieb einer Zitrone. „Darin wird das Fleisch mindestens eine Stunde eingelegt. Die Marinade eignet sich sowohl für Lende, Filet, Putenbrust als auch Fisch und Garnelen“, erklärt Schinharl.

TV- und Sternekoch Björn Freitag würde nur Hähnchen- und Putenfilets verwenden und die rund vier mal zwei Zentimeter großen Streifen über Nacht marinieren - in einer Mischung aus Rapsöl, Chili, Paprika und Limette. „Rinderfilets sind nicht optimal für Raclette. Bei denen kommt es auf den perfekten Garpunkt an, den man besser bei Steaks trifft“, erklärt Freitag.

- Problem 5: Das Fleisch wird ganz schnell dunkel und schmeckt nach Eingebranntem.

- Lösung: Umso länger der Abend dauert und umso mehr Leute an einem Tischgrill brutzeln, desto verkrusteter wird dessen Platte. „Deshalb muss sie immer wieder sauber geschabt werden“, erklärt Schinharl. Zur Krustenbildung tragen Gäste bei, die Käse auf die Grillplatte legen. „Dort verbrennt er. Käse gehört nicht nach oben, sondern in die Pfännchen“, klärt die Raclette-Expertin auf.

- Problem 6: Falscher Käse!

- Lösung: „Geeignet sind mittelalter Gouda, klassischer Raclettekäse aus der Schweiz oder Bergkäse, Ziegengouda, aber auch schnittfester Schafskäse“, zählt Freitag auf. Nicht empfehlen würde er Mozzarella - der ziehe zu viele Fäden.

Unterschiedliche Auffassungen gibt es zu Blauschimmelkäse. Während Freitag ihn „zu dominant“ findet, schwärmt Schinharl, „das er richtig gut schmilzt, etwa in der Kombi mit Birne, Zitronensaft und ein paar Walnüssen“.

Den Käse sollte man möglichst früh kaufen, rät Helbach-Grosser. Manchmal sei Raclette-tauglicher Käse regional ausverkauft, da viele Leute Silvester eine Party mit heißem Stein und Pfännchen planen.

- Problem 7: Käse liegt schwer im Magen.

- Lösung: „Unter jeden Käsebelag frisch gehackten Ingwer geben, das nimmt dem Raclette die Schwere“, empfiehlt Schinharl. Am besten hat jeder Gast sein eigenes Schälchen mit der gelben Wurzel. Und Freitags erfrischendes Mittel gegen zu fettigen Käse? „Da hilft ein kräftiger Gurkensalat - mit reichlich Essig dran“, sagt der Koch.

- Problem 8: Jeder Happen schmeckt nur noch nach Käse.

- Lösung: „Man muss dem Käse etwas entgegensetzen“, sagt Freitag. Er schwört auf kandierte Zwiebeln. Dazu schneidet er rote Zwiebeln in Streifen und kocht sie mit Essig, Zucker und Salz eine halbe Stunde.

- Problem 9: Pure Champignonscheiben, ganze Kirschtomaten, Dosen-Mais und Co. führen nicht gerade zu Geschmacksexplosionen.

- Lösung: „Schon komplette Gerichte komponieren“, rät Schinharl. Fertige Portionen für die Pfännchen oder vorbereitete Spießchen helfen unentschlossenen Gästen ohne Fantasie. Schinharl denkt da an Chili-Speck-Pfännchen, Grünkohl-Apfel-Pfännchen oder herzhafte Hackbällchen, die schon in blanchierten Chinakohl- oder Mangold-Blättern eingerollt sind.

Eine andere Variante sind Lachs-Champignon-Spieße. Die Würfel werden vorm Aufspießen in einer Mischung aus Zitrone, Olivenöl, Honig, Chilipulver und Salz mariniert. Sind sie auf der Grillplatte fertig gebraten, wird dazu Ingwerbutter (Butter, feingehackter Ingwer, Zitronenschalenabrieb, Schnittlauch, Salz, Pfeffer) gereicht.

Freitag bevorzugt statt Mais aus der Dose Fingermais, der oben auf den Stein kommt: „Er wird erst gesalzen, wenn er fertig gebraten ist.“ Halbierte Kirschtomaten werden in Pfeffer, Salz und Olivenöl mariniert. Brokkoliröschen sollten zuvor blanchiert werden: „Aber kalt abschrecken, das macht eine schöne Farbe“, so der TV-Koch.

Sein Favorit fürs Raclette sind Süßkartoffeln: „Sie werden in halbe Zentimeter breite Scheiben geschnitten und kurz gedünstet. Mit Käse überbacken sind sie eine Wucht.“ Weitere Kartoffelideen: Die Knollen vorgaren und in Speck einwickeln oder sie mit Tomatensoße mischen.

- Problem 10: Fertig-Grillsoßen, die alles nach sommerlichem Grillabend schmecken lassen.

- Lösung: Salsa oder selbst gemachtes Chutney bringen individuellen Geschmack. Wie wäre es mit Mangochutney? „Das geht ganz einfach“, so Freitag. „Dafür brät man Zwiebeln kurz an, fügt Chili, Mangowürfel und einen Schuss weißen Balsamico-Essig hinzu.“

Literatur:

Cornelia Schinharl: Raclette, Gräfe und Unzer Verlag, 64 Seiten, 9,99 Euro, ISBN-13: 978-3833866166.

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