Protokoll der Sondersitzung: Merkel schweigt, Schäuble wirbt

Berlin · In einer Sondersitzung hat der Bundestag am Mittwoch ein drittes Hilfspaket für Griechenland genehmigt. Das Wichtigste - und ein paar Nebensächlichkeiten - im Minutenprotokoll:

 "Zweifel sind immer erlaubt", sagte Finanzminister Schäuble zur Griechenland-Hilfe. Aber es wäre unverantwortlich, die Chance nicht zu nutzen. Foto: Wolfgang Kumm

"Zweifel sind immer erlaubt", sagte Finanzminister Schäuble zur Griechenland-Hilfe. Aber es wäre unverantwortlich, die Chance nicht zu nutzen. Foto: Wolfgang Kumm

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08:52 Uhr: Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) kommt in den Plenarsaal. Es klicken die Kameras. Schäuble ist an diesem Tag so etwas wie die Hauptperson - wegen seiner harten Haltung gegenüber Athen, für die er international viel Schelte bekam. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) überlässt es ihm aber auch, die Regierungserklärung abzugeben.

08:59 Uhr: Die Kanzlerin zwängt sich durch die Reihen, gerade noch pünktlich. Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) zuckt kurz zusammen, als Merkel plötzlich neben ihr steht. Beide begrüßen sich. Merkel plaudert mit Schäuble und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD). Sie bleibt stehen, bis der Gong ertönt.

09:01 Uhr: Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) eröffnet die Sitzung - die 118. in dieser Legislaturperiode. Wegen Griechenland müssen die Abgeordneten in diesem Jahr nun schon zum zweiten Mal ihre Sommerpause unterbrechen. Es sind nicht alle da. Von 631 fehlen 47.

09:03 Uhr: Schäuble eröffnet die Debatte. Die Entscheidung falle auch ihm nicht leicht, sagt der CDU-Mann. Es gebe beachtliche Gründe dafür, aber auch dagegen. Dementsprechend ist die Stimmung in seiner eigenen Fraktion. In der CDU/CSU erklärten am Abend zuvor bei einer Probeabstimmung 56 Abgeordnete ihr Nein.

09:09 Uhr: Der Finanzminister erläutert noch einmal die Zahlen. Es geht um Finanzhilfen von bis zu 86 Milliarden Euro. Im Gegenzug hat sich das von der Pleite bedrohte Griechenland zu Spar- und Reformmaßnahmen verpflichtet. Schäuble verspricht: Die Umsetzung wird regelmäßig kontrolliert.

09:20 Uhr: Merkel sitzt relativ regungslos auf ihrem Stuhl, schaut hin und wieder auf ihr Handy. Auch mancher Minister ist mit anderen Dingen beschäftigt.

09:22 Uhr: "Natürlich gibt es keine Garantie, dass das alles funktionieren wird", sagt Schäuble. "Und Zweifel sind immer erlaubt." Aber es wäre unverantwortlich, die Chance nicht zu nutzen. Dafür bekommt er Applaus. Merkel nickt ihrem Finanzminister am Ende zu. Grüne und Linke wirken dagegen wenig begeistert.

09:25 Uhr: Linksfraktionschef Gregor Gysi holt aus. Er beginnt nicht mit Griechenland, sondern kritisiert den Nato-Bündnispartner Türkei und die Ermittlungen gegen den Blog Netzpolitik.org. Bei den anderen Fraktionen stöhnen manche. Gysi macht weiter. "Ich weiß: Sie meinen, das gehört nicht zum Thema. Aber die Leute interessiert's."

09:30 Uhr: Gysi kommt nun doch noch zum Hilfspaket. Seine Fraktion wolle sich solidarisch mit der griechischen Regierung zeigen, die von der verbündeten Syriza-Partei getragen wird. Trotzdem stimmen später fast alle Linken gegen das Hilfspaket. Begründung: aus Protest gegen die Auflagen und die Verhandlungsführung der Bundesregierung.

09:41 Uhr: SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann wirft Gysi einen argumentativen "Eiertanz" vor. Wenn die Linken mit Nein stimmten, fielen sie der Schwesterpartei Syriza in den Rücken. Die SPD hingegen trage die neuen Hilfen mit, weil erstmals ein Umbau von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft im Krisenland machbar sei. Das sehen bei den Sozialdemokraten nicht alle so. Vier Abgeordnete verweigern ihre Zustimmung. Prominentester Neinsager: der ehemalige Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, früher einmal auch Merkels Finanzminister.

09:51 Uhr: Merkel muss lachen. Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter beginnt seine Rede mit den Worten: "Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau Merkel." Das klingt unhöflicher als es wohl gemeint ist. Auch sonst viel Gelächter im Plenum. Hofreiter spart im Weiteren dann aber auch nicht mit Kritik an Merkel. Die gute Laune bei den anderen ist wieder weg.

10:01 Uhr: Ein neues Glas Wasser am Pult, diesmal für Volker Kauder. Der Chef der Unionsfraktion hatte mit seiner Drohung an Abweichler Schlagzeilen gemacht. Jetzt stellt er die Abstimmung in Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise: Europa habe womöglich noch schwerere Aufgaben zu lösen.

10:44 Uhr: Im Plenum geht es ordentlich hin und her. Jetzt dürfen auch die Leute aus der zweiten Reihe reden. Merkel hat sich mittlerweile mit Kauder auf eine der hinteren Bänke zurückgezogen. Beide unterhalten sich eine Weile. Inhalt? Unbekannt. Aus der Union werden schließlich 63 Abgeordnete gegen das Hilfspaket stimmen - und den beiden CDU-Granden ihre Gefolgschaft verweigern.

11:37 Uhr: Ein CDU-Politiker, der die Hilfen für Athen seit langem kritisiert, ist Klaus-Peter Willsch. Er ist der einzige Abweichler, der im Plenum das Wort ergreift. Griechenland werde es nicht schaffen. Man werde es auch nicht schaffen, die Eurozone mit Gewalt zusammenzuhalten. Willschs Empfehlung: "Sagen Sie bitte Nein."

11:43 Uhr: Merkel sitzt wieder an ihrem Platz. Sie streicht sich durch die Haare, schaut durch den Raum, legt die Hände ineinander.

11:58 Uhr: Die namentliche Abstimmung beginnt. Merkel gibt die Stimme ab, verlässt dann den Saal. Lammert fragt, ob noch jemand fehlt. Langsam wird es ruhig. Für die Auszählung wird die Sitzung unterbrochen.

12:09 Uhr: Das Ergebnis steht. Der Bundestag stimmt neuen Milliardenhilfen für Griechenland zu. Lammert gibt das Ergebnis bekannt: 454 Ja-Stimmen, 113 Nein-Stimmen, 18 Enthaltungen. Später muss das Ergebnis korrigiert werden. Es war nur 453-mal Ja.

13:02 Uhr: Erst jetzt wird genau bekannt, welche Abgeordneten wie gestimmt haben. Bei der Union sind es sogar noch mehr Nein-Stimmen als bei der Linkspartei (45). Bei den Grünen hingegen votiert nur einer dagegen: Hans-Christian Ströbele. Merkel kriegt das genaue Ergebnis erst im Flugzeug mit. Sie ist schon wieder unterwegs, zu Regierungskonsultationen nach Brasilien.

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