"Wir sahen die Flieger, die den Zug angriffen"

Georg Steinborn erinnert sich an die letzten Monate vor Kriegsende in Bad Bodendorf. Vor 60 Jahren wurde Opas Pension Lorscheid zum Lazarett - Splittergräben waren nicht mehr sicher

Sinzig-Bad Bodendorf. Haben die amerikanischen "Marauder" am 23. Januar 1944 den Lazarettzug am Sinziger Gleisdreieck ohne Rücksicht auf die Genfer Konvention beschossen? Haben die Alliierten wissentlich mehr als 100 Tote in Kauf genommen, darunter auch amerikanische und französische Kriegsgefangene? Die Historiker sind sich nicht einig.

Für Georg Steinborn, der als Kind die letzten Kriegsmonate in Bad Bodendorf erlebte, ist das Geschehen nicht unklar. Er saß als fünfjähriger Knirps mit seinem Großvater Josef Lorscheid im Bunker, als die Amerikaner die Vierlingsflak am Rotberg und den davorstehenden Lazarettzug angriffen.

Eigentlich ist Steinborn aus Bad Neuenahr. "Da ist im Krieg fast nichts passiert, wir haben Glück gehabt, weil im Kurhaus ein Lazarett untergebracht war", erinnert er sich heute noch. Die Kurstadt galt als Sammelstelle für Internierte und ausländische Kriegsgefangene.

Doch Opa und Oma wohnten in Bad Bodendorf. Sie betrieben dort die erste Pension im Ort, die Pension Lorscheid. Weihnachten 1943 fiel Vater Steinborn in Russland. Von da an war ein ständiges Wandern nach Bodendorf angesagt. Immer an der Bahn entlang durch die Splittergräben, hieß es. Doch ab Herbst 1944 waren die auch nicht mehr sicher.

Da schossen die "Lightnings" auf alles, was sich bewegte, auch auf Kinder. Von da an blieb der kleine Schorsch in Bad Bodendorf. Steinborn erinnert sich gut an den Angriff auf den Lazarettzug. "Vermutlich nahmen die Amerikaner an, da der Lazarettzug vor dem stehenden Flakwaggons stand, dass es sich um einen getarnten Munitionszug handelt, vermuteten die Bodendorfer schon damals", so Steinborn heute.

Es sei schrecklich gewesen, wie die Verletzten, die vermutlich aus Bad Neuenahr kamen, bei bitterster Kälte in ihren Nachthemden durch den Schnee krochen. Zahlreiche der Verletzten, die nicht mehr transportfähig waren, haben die Bad Bodendorfer dann in den Luftschutzkellern in der Hauptstraße versorgt. Einige wurden bis zum Abtransport in der Pension untergebracht, die einem Lazarett glich.

Das Beobachten der schweren Flakgeschütze auf der Gemarkung "Rotberg", wo heute das Kapellchen an der B 266 steht, mit ihren blauen Explosionswölkchen gehörte zu den Lieblingsbeschäftigungen der Pänz. So beobachteten sie auch den Abschuss von Flugzeugen aus den riesigen Pulks, die in die südlichen deutschen Städte flogen. Eines dieser Flugzeuge stürzte im "Sinziger Feld" nahe der ehemaligen Gärtnerei Ippendorf ab.

Der Pilot, nach amerikanischen Aufzeichnungen Oberleutnant Kenneth V. Blum, starb bei dem Abschuss. "Irgend so eine Nazigröße hat dem noch eine brennende Zigarette in den Mund gesteckt", erinnert sich Steinborn. Den Namen des zwischenzeitlich Verstorbenen will er aber nicht nennen: "Der ist in Bad Bodendorf bekannt."

Doch außer dem schrecklichen Angriff auf den Lazarettzug seien die Bodendorfer noch glimpflich davon gekommen, meint Steinborn. Die "Alte Mühle" zwischen Bodendorf und Lohrsdorf wurde durch einen Volltreffer zerstört und ein Blindgänger ist mitten im Dorf heruntergekommen, großen Schaden hat er nicht angerichtet. Er wurde noch vor Ort entschärft und mit dem Traktor aus dem Dorf gezogen.

Kurz bevor die Amerikaner im März eingerückt seien, habe dann noch Opa Lorscheid gemeinsam mit Heinrich Hardt und dem Gastwirt Heinrich Bauer die "blöden Panzersperren" am Dorfeingang frei gemacht. Die Drohung einer weiteren Nazigröße mit Tod nach dem Endsieg habe die Männer kalt gelassen. Die weißen Betttücher hätten ein weiteres dazu getan, dass man mit den amerikanischen Besatzern nach dem Krieg in gutem Einverständnis lebte.

In der Pension Lorscheid war die Kantine der Besatzer untergebracht, "die teilten immer mit uns Kindern", so Steinborn. Trauern mussten die Bad Bodendorfer um Oma Lohrscheid. Sie hat krankheitsbedingt nicht mehr den Bunker verlassen können. Sie verstarb am 13. März 1945.

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