Winzige "Kompassnadeln" im Körper

30 000 Mal so stark wie das Erdmagnetfeld ist der neue Tomograph der Radiologischen Klinik der Uni Bonn - Ärzte erhoffen "einen großen Schritt vorwärts" für Diagnose und Forschung

Bonn. "Wir müssen die Türen schließen, nicht nur, um uns, sondern auch um das Gerät zu schützen", erklärte die Radiologin Christiane Kuhl bei der Inbetriebnahme des neuen Hochleistungs-Tomographiesystems an der Radiologischen Klinik der Universität Bonn.

Die Bonner Uni-Kliniker können mit einer Weltneuheit auf dem Gebiet der Radiologie aufwarten: Im Werben um das schätzungsweise fünf bis zehn Millionen Euro teure Gerät - über die genaue Summe schweigen sich die Beteiligten aus - hatten sie sich im vergangenen Jahr gegen Konkurrenten aus den USA, Japan und Europa durchgesetzt und bekamen den Zuschlag der Herstellerfirma Philips: Sie behält das Gerät, stellt es aber den Wissenschaftlern zur Verfügung. Nun konnte der Hochfeld-Magnetresonanz-Tomograph auf dem Venusberg in Betrieb genommen werden.

Grundsätzlich nutzt die Magnetresonanz-Tomographie die Tatsache, dass Atomkerne, beispielsweise die Wasserstoffkerne im menschlichen Körper, selbst winzige Magneten darstellen. Der Tomograph erzeugt um den Körper ein hohes magnetisches Feld - drei Tesla stark, 30 000 Mal so groß wie das Erdmagnetfeld.

In ihm richten sich diese "Miniatur-Magneten" wie Kompassnadeln aus, und das umso deutlicher, je stärker das äußere Magnetfeld ist. Mit einem Radio-Wellen-Impuls (mit UKW-ähnlicher Frequenz) provoziert man Richtungsänderungen der "Kompassnadeln". Da erklärt sich, warum die Tür zu bleiben muss: Der Radio-Sendemast an der Casselsruhe würde mit seinen Funkwellen die Messungen empfindlich beeinträchtigen.

Wird der Radiowellen-Impuls ausgeschaltet, richten sich die "Kompassnadeln" wieder mit dem Magnetfeld aus - auf unterschiedliche Weise, je nachdem, in welchem Gewebe. Aus den Messdaten kann dann ein Bild des Körperinneren konstruiert werden - ohne Verwendung der sonst nötigen Kontrastmittel. Je stärker das Magnetfeld, desto genauer die Messdaten. Der neue Tomograph ist doppelt so stark wie seine zwei "kleinen Brüder", mit denen die Uni-Klinik bereits arbeitet.

"Durch das Gerät werden nicht nur bestehende Untersuchungstechniken verbessert. Wir erwarten, dass sich auch fundamental neue diagnostische Ansätze realisieren lassen", ist Kuhl überzeugt.

Nicht nur im klinischen Bereich, etwa bei der Früherkennung von Krebserkrankungen, Herzinfarkten oder neurologischen Erkrankungen wie Schlaganfall oder Multiple Sklerose rechnet die Medizinerin mit deutlichen Fortschritten. "Auch für die patientennahe Grundlagenforschung, etwa die Untersuchung der Funktionsweise des Gehirns zur Verbesserung der Epilepsie- und Schlaganfallbehandlung, wird die Ultra-Hochfeld-Technologie einen großen Schritt vorwärts bedeuten."

Der Tomograph ermöglicht in Bonn erstmals auch die "Molecular Imaging"-Forschung. Dabei markieren die Wissenschaftler medizinische Wirkstoffe und verfolgen die Verteilung der Moleküle direkt im lebenden Organismus, nicht wie bisher nur in Zellkulturen. Wichtig sind solche Methoden beispielsweise für die Stammzellenforschung, weil sie die Kontrolle der implantierten Stammzellen ermöglichen: Wandern sie tatsächlich in das gewünschte Gewebe und ersetzen dort gegebenenfalls kranke Zellen?

"Wir erhoffen uns, dass auf diese Weise zukünftig die Effektivität gentechnologischer Therapieansätze innerhalb kürzester Zeit kontrolliert und Nebenwirkungen oder Komplikationen so früh wie möglich erkannt werden können", erläuterte der Leiter der Radiologischen Universitätsklinik, Professor Hans Heinz Schild.

Uni-Rektor Klaus Borchard wertete die Entscheidung für Bonn als deutliches Zeichen der Anerkennung: "Die Tatsache, dass sich die Bonner Alma mater gegen renommierte internationale Mitbewerber durchsetzen konnte, zeigt, dass sich die Universität den Erfordernissen der modernen Wissenschafts-Infrastruktur erfolgreich stellt."

Der Tomograph

Die Magnetspulen des Tomographen enthalten mehr als 50 Kilometer Draht. Die supra-leitenden Magneten werden mit flüssigem Helium auf minus 273 Grad Celsius heruntergekühlt. Sie erzeugen permanent ein ultrastarkes Magnetfeld, das erst zusammenbricht, wenn die Kühlung gestoppt wird. Die Magnetkräfte sind so stark, dass sie Uhren zum Stillstand bringen - und selbst kaum magnetische Gegenstände wie zum Beispiel Kugelschreiber können durch die Kraft des Magneten wie Geschosse angezogen und zu gefährlichen Projektilen werden.

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