HHL Leipzig eröffnet neuen Standort in Köln "Wichtig ist, dass es fair zugeht"

Zuwachs für die Hochschulregion Köln-Bonn: Die Handelshochschule Leipzig (HHL) hat einen Zweigstandort im Kölner Mediapark eröffnet. Die 1898 gegründete Privat-Uni für Betriebswirtschaft wurde nach der Wende umstrukturiert und heißt seit 2012 "HHL Leipzig Graduate School of Management". Rektor ist derzeit Professor Andreas Pinkwart, früherer Wissenschaftsminister von NRW.

"Der Auftrag des Bologna-Prozesses": HHL-Rektor Andreas Pinkwart im GA-Gespräch.

"Der Auftrag des Bologna-Prozesses": HHL-Rektor Andreas Pinkwart im GA-Gespräch.

Foto: Horst Müller

GA-Redakteur Wolfgang Pichler hat ihn befragt.

Braucht der Westen Deutschlands BWL-Nachhilfe aus dem Osten?

Professor Andreas Pinkwart: Wir belehren ja keinen. Die HHL will seit ihrer Gründung Anstöße zur Fortentwicklung der Betriebswirtschaftslehre in Deutschland geben. Einer unserer ersten Alumni, Eugen Schmalenbach, hat in Köln den ersten Lehrstuhl für BWL aufgebaut und das Fach über 50 Jahre mitgeprägt. Solche Akzente wollen wir jetzt wieder setzen.

Und zwar wie?

Pinkwart: Wir bieten in Köln unsere beiden Teilzeit-Masterstudiengänge MBA und M.Sc. an. Die Studenten werden am Wochenende von unseren Leipziger Professoren unterrichtet und führen in der Köln-Bonner Region Praxisprojekte durch. Zwischendurch gibt es zwei Präsenzwochen pro Jahr in Leipzig.

Warum in Köln, und nicht in Frankfurt - oder in Bonn?

Pinkwart: Die Studenten werden regelmäßig zu Treffen mit unseren Ehemaligen eingeladen, um sich auszutauschen und zu vernetzen. Die meisten Alumni haben wir in den Räumen Rhein-Main und Düsseldorf. Köln liegt da geographisch sehr günstig. Wir sehen in der Region aber auch einen großen Bedarf im Bereich der berufsbegleitenden Weiterqualifizierung und beim Innovationsmanagement.

"Akademisches Innovationsmanagement" - lernen, wie man Ideen hat? Ist das nicht doch eher eine Frage der natürlichen Begabung?

Pinkwart: Die Forschung hat an diesem Thema intensiv gearbeitet, und wir können sagen, dass sich solche Kompetenzen durchaus universitär vermitteln lassen. Allerdings braucht es hohe Anforderungen an die Art der Vermittlung. Darum sollen unsere Studierenden ihr Wissen bereits im Studium experimentell testen, bei sogenannten "Field Projects" in der Praxis.

Experimente in Unternehmen? Wer bezahlt, wenn's schiefgeht?

Pinkwart: Die Unternehmen können selbst entscheiden, welche Anregungen sie umsetzen. Es kann für sie eine große Chance sein, sich mit Studenten auszutauschen und zum Beispiel Spin-offs aus deren Ideen zu machen. "Forschendes Lernen" kann konkrete wirtschaftliche Ergebnisse haben - muss es aber natürlich nicht.

Das Wort "Business" ist seit Ausbruch der Finanzkrise kein rein positiv besetzter Begriff mehr ...

Pinkwart: Im Gegenteil! Ich beobachte selbst bei karitativen Organisationen eine wachsende Bereitschaft, sich mit der Betriebswirtschaft auseinanderzusetzen und deren Fähigkeiten in den Dienst der jeweiligen sozialen oder ökologischen Ziele zu stellen. Die HHL beteiligt sich zum Beispiel an einem Spitzencluster des Bundesministeriums für Bildung und Forschung in Mitteldeutschland - da geht es um nachwachsende Rohstoffe.

Kritiker sagen, dass private Hochschulen lediglich Energie von den staatlichen Hochschulen abzögen.

Pinkwart: Private Hochschulen erfüllen eine wichtige Aufgabe auch für das staatliche System - sozusagen als "Hefe im Teig". Denken Sie an Witten-Herdecke: Die haben wichtige Anstöße bei der Medizinerausbildung gegeben. Wir als HHL tun das auf dem Gebiet der Betriebswirtschaftslehre. Wir fordern die staatlichen Hochschulen unter anderem in den Bereichen Internationalisierung, Entrepreneurship und Innovation in der Lehre heraus und fördern so auch dort Wandlungsprozesse.

Man beklagt oft die deutsche "Über-Akademisierung". Statt aber dem nichtakademischen Bereich wieder Ehre zukommen zu lassen, fordert man jetzt berufsbegleitende Studiengänge, also beides gleichzeitig.

Pinkwart: Es ist ja kein Zwang dabei. Die berufliche Ausbildung ist nach wie vor dominant. Auch im Berufsleben müssen wir aber lernen, mit wissenschaftlichen Erkenntnissen umzugehen. Eine Heranführung daran ist auf jeden Fall sinnvoll. Außerdem: Wenn wir den Bachelor als einen Abschluss anbieten, der den Einstieg in den Beruf erlaubt, ist es ein Akt der Fairness, den späteren Zugang zum Master offen zu halten - etwa durch attraktive berufsbegleitende Angebote. Das ist der Auftrag des Bologna-Prozesses.

Droht da nicht eine Gefahr der Bildungs-Kluft?

Pinkwart: Wichtig ist, dass es fair zugeht. Der Zugang zur Hochschulbildung muss unabhängig von der Herkunft und vom Einkommen möglich sein. Das ist eine Herausforderung für private Universitäten. Das Studium dort kostet Geld; das kann sich vielleicht nicht jeder leisten - obwohl er gut ist. Wir bieten darum verschiedene Finanzierungsmöglichkeiten und nehmen auch Bafög-Studenten auf. Wir wollen leistungswilligen jungen Menschen aus allen Bereichen eine Chance geben, damit sie sich hohen Anforderungen gewachsen sehen.

Was sind die wichtigsten Kompetenzen für Studierwillige?

Pinkwart: So früh wie möglich Fremdsprachen und den gezielten Umgang mit der Digitalisierung beherrschen. Hier bessere Voraussetzungen zu schaffen, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Außerdem müssen wir die Medienkompetenz auf Seiten der Lehrkräfte erhöhen - von den Grundschulen bis zu den Universitäten.

Kann eine private Business School da tätig werden?

Pinkwart: Lehrerausbildung maßen wir uns nicht an. Wir können uns in Lehre und Forschung aber selbst noch stärker der Digitalisierung öffnen - nicht, indem wir dasselbe wie bisher künftig online machen, sondern indem wir den Unterricht interaktiver, spannender und handlungsorientierter machen. Das setzt natürlich Investitionen voraus. Wenn wir den Computer nur gebrauchen, um Stellen einzusparen, werden wir seine Vorteile nicht nutzen können.

Unterrichten Sie auch Ethik in der Wirtschaft?

Pinkwart: Wir haben die Verantwortlichkeit des Handelnden schon weit vor der Finanzkrise als fundamentale Säule unserer Lehre etabliert - mit intensiven Diskussionen über Fragen von Innovation und Ethik, Marketing und Ethik und ähnlichem. Die jungen Menschen nehmen das frühzeitig und sehr handlungsorientiert auf: Eine unserer Studenteninitiativen heißt "Energy Club" und befasst sich mit Energiefragen der Zukunft.

Pflegen Sie das alles dann auch am Standort Köln?

Pinkwart: Tun wir, ja. Wir bringen all die Themen, über die wir gesprochen haben, jetzt in den Köln-Bonner Raum. Wichtig ist mir da besonders die Verzahnung mit den hiesigen Unternehmen. Ich glaube, dass dafür durchaus Bedarf besteht. Aus Studien wissen wir, dass das Gründungs- und Innovationsgeschehen dort besonders hoch ausgeprägt ist, wo wir entweder ingenieurwissenschaftliche Fakultäten haben oder Business Schools. Im Aachener Raum, im Münchner Raum - warum nicht auch hier?

Sie verstehen Ihren neuen Standort als Akt der Regionalförderung?

Pinkwart: Ich will das nicht überhöhen. Es ist eine sehr große Region, und wir sind eine kleine Hochschule. Ich sehe es als eine sinnvolle Ergänzung. Wir haben hier zwei exzellente Universitäten und tolle Fachhochschulen und Forschungseinrichtungen. Eine universitäre Business School kann mithelfen und einen Beitrag leisten, das Potenzial dieser Region noch stärker auszuschöpfen.

Zur Person

Professor Andreas Pinkwart wurde 1960 in Seelscheid geboren. Nach einer Banklehre studierte er Volks- und Betriebswirtschaftslehre, promovierte 1991 in Politologie und habilitierte sich 2003 an der Universität Siegen. Seit April 2011 ist er Rektor der Handelshochschule Leipzig (HHL). Andreas Pinkwart war Vize-Bundesvorsitzender der FDP und von 2005 bis 2010 Forschungsminister von Nordrhein-Westfalen.

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