Gefühle erkennen zahlt sich aus Wer Emotionen anderer gut identifizieren kann, verdient mehr Geld im Beruf

BONN · In einer Abteilung Chef zu sein oder sogar ein ganzes Unternehmen zu lenken - beides hat nichts mit Kuscheln zu tun. Da geht es ums objektive Erkennen von Sachlagen! Um knallhartes Wissen um die Fakten!

 Wie fühlte sich Christopher Walken im Moment der Aufnahme? Wer die Emotionen seines Gegenübers richtig erkennen kann, verdient nachweislich mehr Geld im Beruf.

Wie fühlte sich Christopher Walken im Moment der Aufnahme? Wer die Emotionen seines Gegenübers richtig erkennen kann, verdient nachweislich mehr Geld im Beruf.

Foto: dpa

Um schnelle Entscheidungen und deutliche Autorität! Wer da nach den Gefühlen der Mitarbeiter fragt, gilt rasch nicht mehr als effizienter Performer, sondern als Weichei. Dabei ist das ein krasser Irrtum: Gefühle der Mitarbeiter und Kollegen klar und richtig erkennen zu wollen, ist ein wichtiger Erfolgsfaktor nicht nur für das Unternehmen, sondern auch für denjenigen, der sich für sie interessiert.

Experten für Arbeits- und Wirtschaftspsychologie haben in einer aufwendigen internationalen Studie jetzt nachgewiesen, dass sich die "Emotions-Erkennungsfähigkeit" von Menschen unmittelbar auf ihr Erwerbseinkommen auswirkt. Professor Gerhard Blickle vom Institut für Psychologie der Universität Bonn ist Mitautor der Studie (prägnanter Titel: "It pays to have an eye for emotions", also etwa "Gefühle erkennen zahlt sich aus"). Die Ergebnisse sind im Fachblatt "Journal of Organizational Behavior" erschienen.

Dass es zum täglichen Miteinander gehört, die Stimmung des Anderen einzuschätzen, bedeutet nicht, dass es jeder gleich gut kann, sagt Blickle. "Das ist wie beim Fremdsprachenerwerb oder im Sport: Dem einen fällt es leicht, dem anderen schwerer. Jeder kann mal einen Liegestütz machen. Aber nicht jeder ist ein Olympiasieger."

Die psychologische Wissenschaft kennt deshalb gängige Instrumente, um solche "Gefühls-Leistungen" vergleichen und messen zu können. Die Forscher sammelten dazu Bilder und Tondokumente von Kindern und Schauspielern - von Menschen also, die ihre Gefühle entweder deutlich auszudrücken gelernt oder zumindest noch keine Lust haben, sie auf "erwachsene" Weise zu verbergen.

Dann wurden diese in Bild und Ton dargestellten Emotionen den Untersuchungsteilnehmern vorgelegt: Die sollten dann zum Beispiel erkennen, ob der zu sehende oder zu hörende Mensch etwa wütend oder traurig ist, sich freut oder Angst hat.

An der Bonner Untersuchung nahmen Arbeitnehmer im Alter zwischen 20 und 65 Jahren teil; 142 in der ersten Studie, 156 für eine zweite zur "Validierung". Jeweils 24 Gesichtsbilder und 24 Stimmaufnahmen galt es der passenden Emotion zuzuordnen. "Durchschnittlich in 77 Prozent der Fälle" wurden die "fachlich geeichten" Gefühlsäußerungen dabei richtig identifiziert, berichtet Blickle: "Wenn einer es in 87 Prozent der Fälle schafft, dann ist er gut; bei 90 richtig gut; bei 60 nicht mehr so sehr."

Anschließend befragten die Forscher die Kollegen und Vorgesetzten der Zielpersonen: Die Kollegen sollten die soziale Kompetenz der Teilnehmer bei der Zusammenarbeit am Arbeitsplatz beurteilen, letztere deren "soziale Leistung" für die Firma (zum Beispiel, ob das Team der Zielperson harmonisch arbeitet - dann arbeitet es auch effektiv, und das nützt der Firma).

Das Ergebnis laut Blickle: Menschen mit guter Emotions-Erkennungsfähigkeit "werden von den Kollegen nachweislich als sozial kompetenter beurteilt. Ihre Vorgesetzten schreiben ihnen eine höhere Leistung in der Zusammenarbeit mit anderen zu. Und nachweislich ist auch ihr Erwerbseinkommen höher."

Die "besondere Stärke" der Studie sei, "dass wir Alternativerklärungen ausschließen konnten", ergänzt der Professor. Zahlreiche Faktoren wirken auf das Einkommen eines Arbeitnehmers ein: Geschlecht, Alter, Ausbildung, wöchentliche Arbeitszeit und die hierarchische Position im Unternehmen. "All diese Varianten haben wir kontrolliert", sagt Blickle: "Dennoch blieb der Effekt der Emotions-Erkennungsfähigkeit auf das Einkommen bestehen."

Die Forscher folgern unter anderem, dass bei der Auswahl von Führungskräften mehr Wert auf die Fähigkeit zur Emotions-Erkennung gelegt werden sollte - vor allem, wenn es im Beruf auf den Umgang mit Menschen ankommt. "Wie oft hört man Führungskräfte von Verständnis und Wertschätzung sprechen", kritisiert Blickle - "und wenn man ihr Führungsverhalten sieht, stellt man fest, dass sie beides nicht haben."

Zwar gibt es Verfahren, mit denen sich die "Emotionale Intelligenz" erhöhen lässt. Die konzentrieren sich aber darauf, Emotionen des Gegenübers für sich selbst einzuordnen und anschließend passend zu handeln - dass man die Gefühle anderer Menschen zuvor erkennen muss, werde dabei vorausgesetzt. Blickle kennt "keine Studie, die zeigen würde, dass sich auch dieser erste Schritt nachhaltig verbessern lässt". Ob das geht, könnte Thema einer weiteren Bonner Untersuchung werden.

Infos

Publikation: Momm, T.D.; Blickle, G.; Yongmei, L. et al.: It pays to have an eye for emotions: Emotion recog-nition ability indirectly predicts annual income. Journal of Organizational Behavior, DOI: 10.1002/job.1975.

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