Wenn Philosophen den Fußball flanken

Der Bonner Student Stephan Geiger beschreibt in seinem Buch, was Denken und Kicken gemeinsam haben

Bonn. Sokrates, Descartes oder Kant - Philosophie gilt bei vielen als kompliziert und unverständlich. Statt der Vorlesung zu folgen, schweift der Blick schon mal sehnsüchtig durchs Fenster auf die benachbarte Hofgartenwiese zu den Fußball spielenden Kommilitonen. Dass Philosophie und Fußball keine unversöhnbaren Gegensätze sein müssen, beweist Stephan Geiger, der in Bonn Philosophie studiert hat und nun in Kunstgeschichte promoviert. Mit seinem jetzt erschienen Buch "Sokrates flankt - Eine kleine Philosophiegeschichte des Fußballs" zeigt der 34-Jährige vielmehr, dass sich mit dieser Volkssportart ein wunderbarer Einstieg in die Welt der Denker finden lässt.

"Trainer verwenden in Interviews häufig unbewusst Sprüche, die eigentlich in der Philosophie verwurzelt sind", begründet Geiger. So geht die eingängige fußball-philosophische Allerwelts-Weisheit "Man geht nicht zweimal ins selbe Spiel" auf Heraklit zurück. Der altgriechische Denker hatte den Sinnspruch aber doch etwas anders formuliert: "Man steigt nicht zweimal in den selben Fluss." Jede Sekunde des Lebens ist demnach also kostbar, weil sie unwiederbringlich ist. Trainer und Heraklit sprechen also von der Einmaligkeit von Ereignissen, wenn auch mit unterschiedlichem Hintergrund.

Den Spagat zwischen Wadenmuskelarbeit und Wahrheit schafft Stephan Geiger auch im Alltag im wahrsten Sinn des Wortes spielend. Mindestens ein Mal pro Woche - zumindest immer sonntags - vertauscht er sein ansonsten akkurat geknöpftes Hemd und sein dunkles Jackett mit kurzen Hosen und Fußballschuhen. Dann köpft und kickt der Philosoph mit seinen Kommilitonen um die Wette - ohne Zwang, "just for fun".

Der Schwabe, Doktorand der Kunstgeschichte und Galerist, will damit so überhaupt keinem Klischee entsprechen. Scheinbar mühelos wechselt er zwischen den Rollen. Ein Vorteil, der auch spürbar seinem Buch zugute kam. Die satirische Betrachtung "in streng wissenschaftlicher Form" gibt weitere Antworten darauf, was akademische Philosophie und Sonntagsfußball gemeinsam haben: Die "unterschätzte" Intellektualität, den der Volkssport auf dem grünen Rasen mit sich bringt.

Die Idee für das Buch kam dem Wahl-Bonner aus Schwaben, als Hans-Michael Baumgartner Anfang der 1990er Jahre noch Philosophieprofessor an der hiesigen Uni war. Der Mentor lächelte damals noch ungläubig über Geigers Pläne. "Beim obligatorischen Fußball-Gucken mit zwei Freunden fiel mir auf: Je schlechter das Spiel, desto schneller haben wir philosophiert", erzählt Geiger.

Die Basis für die ungewöhnliche Allianz von Fußball und Philosophie legten weit frühere Ereignisse. Am 28. Januar, dem Gründungsdatum des Deutschen Fußball Bundes, kam Geiger 1968 in direkter Sichtweite des Neckarstadions (heute: Gottlieb-Daimler-Stadion) auf die Welt. "Nach Aussagen des für Mutter und Sohn verantwortlichen Mannschaftsarztes soll das erste, was seine staunenden Augen von dieser Welt erblickten, das Rund des naheliegenden Neckarstadions gewesen sein", schreibt der Philosophie-Student über sich in seinem Buch.

Mit sechs ging er gemeinsam mit dem Großvater das erste Mal auf den Fußballplatz, mit zehn Jahren staunte der kleine Stephan nicht schlecht, als er dem Spiel VfB Stuttgart gegen Cosmos New York folgte. Franz Beckenbauer, der Star aller Stars des deutschen Fußballs, dass wusste schon der zehnjährige, führte Cosmos New York an.

Doch für Geiger blieb es beim Hobbyfußball. Die Philosophie bannte zunehmend sein Interesse, in der elterlichen Galerie in Stuttgart täglich umgeben von Künstlern, Philosophen und Theoretikern. Fußball rückte in den Hintergrund, doch blieb nie ganz verdrängt.

Dann der Wechsel nach Bonn, Baumgartner wird zu seinem Mentor und endlich folgte auch die Hobby-Fußballkarriere. Das Team der Kunsthistoriker wirbt ihn von den Archäologen ab und er spielt seither als Stürmer - seine Philosophie immer vor Augen: "Alles ist möglich."

Stephan Geiger: "Sokrates flankt - Eine kleine Philosophiegeschichte des Fußballs", Verlag Parerga, 106 Seiten, 10,80 Euro

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