Vorläuferzellen reifen in Mäusehirnen aus

Bonner Wissenschaftler Oliver Brüstle prüfte Gewebematerial eines US-Forscherteams

Bonn. Weltweit arbeiten Forscher daran, mit embryonalen Stammzellen Krankheiten zu heilen. Besonders Defekte im Hirn und Rückenmark sind sonst kaum zu reparieren, weil abgestorbene Nervenzellen auf immer verloren sind.

Amerikanischen Forschern und dem Neurowissenschaftler Oliver Brüstle von der Universität Bonn ist jetzt ein wichtiger Schritt auf dem langen Weg zu einer möglichen Therapie gelungen: Das US-Team implantierte aus menschlichen embryonalen Stammzellen gewonnene Nervenvorläuferzellen in die Hirne neugeborener Mäuse.

Brüstle und sein Mitarbeiter Marius Wernig prüften die Hirngewebe. "Die Frage war, ob menschliche embryonale Stammzellen nach Transplantation überleben und ausreifen können. Den Beweis dafür haben wir nun erbracht", sagte Oliver Brüstle dem General-Anzeiger auf Anfrage.

Experimente mit Ratten und Mäusen haben bereits gezeigt, dass dies funktioniert. Jedoch ist bislang unter Wissenschaftlern umstritten, ob sich die Erkenntnisse aus den Tiermodellen auch auf den Menschen übertragen lassen. Der Bonner Neurowissenschaftler sieht dies nun als erwiesen an.

Die amerikanische Arbeitsgruppe um James Thomson hat die menschlichen embryonalen Stammzellen entnommen und in Vorstufen von Nervenzellen überführt. Da dabei jedoch keine Zellkultur in Reinform entstand, mussten die in Frage kommenden Zellen enzymatisch aus dem Gemisch herausgelöst werden.

Diese Zellen übertrug das Forscherteam anschließend in die Gehirne von Versuchsmäusen.

"Das Experiment zeigt ganz deutlich, dass die menschlichen embryonalen Stammzellen zu Transplantationszwecken eingesetzt werden können. Von einem therapeutischen Einsatz sind wir jedoch noch weit entfernt", zog Brüstle Bilanz. Um unterschiedliche Krankheiten zu heilen - beispielsweise Parkinson, Multiple Sklerose oder Schlaganfälle - würde eine ganze Gruppe von Vorläuferzellen gebraucht.

Der Neurowissenschaftler geht davon aus, dass die Zellen in den Mäusehirnen auch wirklich funktionstüchtig sind. "Die Zellen überlebten die Transplantation und reiften weiter aus", begründet Brüstle. "Allerdings müssen dazu noch weitere Studien erstellt werden." Außerdem müssten die Protokolle, mit denen die Differenzierung der Stammzellen in verschiedene Zelltypen eingeleitet wird, weiter verfeinert werden.

Ziel sei außerdem, die Vorläuferzellen irgendwann in Reinform herzustellen, um die enzymatische Isolierung überflüssig zu machen.

Nach den Angaben des Neurowissenschaftlers existiert schon seit längerem eine Kooperation mit Forschern aus den USA. "Bei allem Erfolg wäre mir lieber gewesen, wenn wir die Zellen schon 1998 hier an der Uni gehabt hätten", meinte Brüstle. Ein Import menschlicher embryonaler Stammzellen ist zwar juristisch erlaubt, doch der Bundestag will angesichts der ethischen Problematik voraussichtlich im Januar darüber entscheiden.

Der Bonner Forscher hat bereits 1999 erfolgreiche Experimente mit embryonalen Stammzellen der Maus durchgeführt und hofft nun auf ein positives Votum des Parlaments, um selbst menschliche embryonale Stammzellen importieren zu können. "Momentan ist es uns leider nur unter großen Einschränkungen möglich, an internationalen Stammzell-Projekten mitzuarbeiten", bedauert der Mediziner.

Er will die Entscheidung des Bundestages abwarten. "Wir haben aber zu keiner Zeit menschliche embryonale Stammzellen importiert oder damit experimentiert", machte Brüstle deutlich. Das haben die Kollegen in den USA erledigt.

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