Vorgeschmack auf Wahlkampf an der Bonner Uni

"Linke" Gruppen werfen RCDS-Mitglied naziverherrlichendes Verhalten vor

Bonn. (ldb) Im Januar stehen sie wieder an, die Wahlen zum Bonner Studierendenparlament. Jan Steinkrüger wollte sich "einen persönlichen, unvoreingenommenen Eindruck" von den verschiedenen Hochschulgruppen machen. Der Mathematikstudent im dritten Semester, ein "Mensch der Mitte", beschloss sich durch den Besuch einer Sitzung des Studierendenparlaments (SP) ein Bild von den zur Wahl stehenden Gruppierungen zu machen. Sein Eindruck war nicht überwältigend: "Man stritt sich um Kleinigkeiten und die Kommentare gingen von beiden Seiten gleichermaßen unter die Gürtellinie."

Doch ein Vorfall beim anschließenden Kneipenbesuch mit den SP-Parlamentariern löste bei ihm regelrechtes Entsetzen aus: Dort erlebte er nämlich, wie ein Mitglied des Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) die Anwesenden mit "Heil Dir" begrüßte und dieser Gruß auch erwidert wurde. Steinkrüger: "Von anderen Mitgliedern des RCDS sowie auch von einigen Vertretern von Grünen und Jusos wurde diese Floskel als "einfache Begrüßungsart" bagatellisiert, die nicht naziverherrlichend sei. Der Mathematikstudent, der "beiden Seiten, der konservativen und der linken, gleichermaßen offen gegenübersteht" und bei der letzten SP-Wahl seine Stimme dem RCDS gegeben hatte, schrieb als "enttäuschter Wähler" einen Leserbrief an die "Basta", die wöchentlich erscheinende Zeitung des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA).

Auf Antrag von Studierenden aus verschiedenen Hochschulgruppen befasste sich daraufhin das SP mit dem Vorfall und verfasste eine Resolution, in der es "den Gebrauch von Grußformeln wie `Heil Dir`, die eindeutig historisch vorbelastet sind und geeignet sind, einen Zusammenhang zum Nationalsozialismus herzustellen, aufs schärfste verurteilt". Bei der geheimen Abstimmung stimmten 24 SP-Mitglieder für die Resolution, vier lehnten sie ab, eine Person enthielt sich, und eine Stimme war ungültig. Vorangegangen war eine Aussprache, in der die anwesenden RCDS-Mitglieder sich zunächst nicht in der Lage sahen, zu dem Vorfall Stellung zu nehmen. Sie bestritten wiederum einen Zusammenhang zwischen dem Gruß "Heil Dir" und "Heil Hitler" und zeigten sich nicht bereit, sich von dem Verhalten ihres Mitglieds zu distanzieren, das im übrigen zur Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks gehört.

Steinkrüger: "Dort soll die Grußformel gebräuchlich sein. Ich hörte aber auch, dass der Burschenschaft Kontakte zur NPD nachgesagt werden." Im Gespräch mit dem GA sagte Markus Büchel, der für den RCDS im Bonner SP sitzt und seit einigen Monaten nordrhein-westfälischer Landesvorsitzender seiner Hochschulgruppe ist, der Gruß "Heil Dir" sei in Norddeutschland üblich und ebenso wenig naziverherrlichend wie "Waidmanns Heil" oder "Petri Heil". Zudem sei die Floskel in der Freizeit des SP-Mitglieds gefallen. Büchel: "Das betrifft seine Privatsphäre. Würde er den Gruß im SP gebrauchen, sähe die Sache allerdings anders aus." Büchel bedauert indes, dass der RCDS den "Linken" mit dem Vorfall Schützenhilfe für ihren Wahlkampf liefere: "Mangels Sachthemen reduziert sich das bei denen auf den Kampf gegen Rechts. Sie sind deshalb bestrebt, in unseren Reihen Rechtsextremismus auszumachen." Dazu passe der Kommentar zu dem in der aktuellen Ausgabe des SP-Magazins AKUT abgedruckten Foto, das einen Wimpel in Schwarz-Rot-Gold auf dem Tisch des RCDS im SP zeigt: Redaktionsmitglied Christian Mohr interpretiert dies als "deutschnationales Bekenntnis".

Dazu Büchel: "Auf dem Wimpel steht `RCDS - entschieden demokratisch`. Wir halten uns da ganz an unser Grundsatzprogramm, das sich strikt gegen jede Form des Extremismus wendet. Seit kurzem läuft eine landesweite RCDS-Aktion, die sachliche Information zu diesem Thema bietet. Am 9. November legte der RCDS Bonn in Gedenken an die Opfer des Naziregimes einen Kranz nieder."

Der RCDS an der Universität in Bonn ist mit mehr als 200 Mitgliedern die größte deutsche RCDS-Gruppe, die mit Carsten Schwarz auch den amtierenden Bundesvorsitzenden stellt (der GA berichtete am 18. April). Eines ist sicher: Der SP-Wahlkampf verspricht heiß zu werden. Eine Stimme hat der RCDS indes verloren: Steinkrüger hat sich inzwischen selbst zur Kandidatur für das SP entschlossen - in der Hochschulgruppe der Grünen.

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