Vom Verlobten blieb ihr das silberne Armband

Der Jahreswechsel 1944/45 ist Annemarie ten Haaf noch in guter Erinnerung. Die Tochter der Fischerfamilie Jansen führte während des Krieges ausführlich Tagebuch

  Willi Jansen  aus Bad Honnef versah seinen Kriegsdienst auf einem U-Boot.

Willi Jansen aus Bad Honnef versah seinen Kriegsdienst auf einem U-Boot.

Foto: privat

Bad Honnef. "Weihnachten und Silvester 1944 waren voll großer Sorgen. Mein Verlobter war gefallen, mein Bruder Willi versah seinen Kriegsdienst auf einem U-Boot und die Amerikaner kamen immer näher", erinnert sich Annemarie ten Haaf an den letzten Kriegswinter vor 60 Jahren. Kein Vergleich zu den heutigen, von allgemeinem relativen Wohlstand geprägten Zeiten.

Dennoch gab es auch etwas Schönes: Zufällig konnte die ganze Familie zusammensein und bescherte sich gegenseitig mit Ausgelassenheit und Fröhlichkeit. "Wir haben ununterbrochen gelacht", erinnert sich die 82-Jährige. Trotz vieler Sorgen fällt die Rückschau positiv aus: "Die Weihnachten danach waren schlimmer, obwohl es uns mit den Booten und der Räucherei eigentlich sehr gut ging. Wir haben es während des Krieges immer irgendwie geschafft, besinnlich und sehr schön zu feiern", erinnert sich Annemarie ten Haaf, Tochter der alteingesessenen Honnefer Fischerfamilie Jansen. Damals führte sie ausführlich Tagebuch und auch heute liest sie noch regelmäßig in ihren Aufzeichnungen.

Besonders in Erinnerung geblieben sind ihr neben der Trauer um ihren Verlobten Oberleutnant Alfred Haas aus Frankfurt, der 1942 im Alter von 26 Jahren bei Moskau fiel, viele kleinere Begebenheiten, insbesondere aber die letzten Kriegstage in Bad Honnef, als die Amerikaner immer näher rückten und sich schließlich Straße um Straße durch den Ort vorkämpften.

Am 7. März 1945 wurden ihr Vater Paul und der damalige Fischer der Familie, Jupp Krahe, zum Dienst an der Fähre Rolandseck-Honnef beordert. Die Fähre war damals die einzige Möglichkeit weit und breit, den Rhein noch zu überqueren, denn es war eine Siebelfähre, die mit der Strömung trieb und kein Benzin benötigte. Die Brücken waren schon fast alle zerstört, und die Fähren nicht mehr im Einsatz.

Im Jahr 1939 war eigens eine 338 Meter lange Pontonbrücke zwischen Honnef und Rolandseck mit zwei Fahrbahnen errichtet worden, über die die deutschen Soldaten Richtung Frankreich zogen. Später wurde die von 20 Rheinkähnen getragene Brücke wieder abgebaut, um den Schiffsverkehr nicht zu behindern. Zwei Tage und Nächte waren Paul Jansen und Krahe ununterbrochen auf der Fähre im Einsatz.

Nach einem Tag machte sich die Familie große Sorgen. "Da bat mich meine Mutter, doch einmal nachzufragen. Ich zog meine Rot-Kreuz-Tracht an und fuhr mit dem Fahrrad zur Fähre", erinnert sich Annemarie ten Haaf, die als 22-Jährige Helferin beim Roten Kreuz war. "Schon von weitem sah ich auf dem gegenüberliegenden Ufer Rolandseck die Fähre liegen. Das Ufer war schwarz von deutschen Soldaten, es waren bestimmt tausende", meint die Honneferin.

"Am diesseitigen Ufer sah ich ein kleines Sturmboot und einen Soldaten darin. Auf meine Frage sagte er mir, er sei für den zu erwartenden General eingeteilt, um diesen herüberzubringen." Die Fähre hingegen saß fest, denn ein Panzer war heraufgefahren, blieb aber wegen Benzinmangels halb auf der Fähre, halb am Ufer stehen. "Seit Stunden bemühten sich schon die Besatzung der Fähre und die Soldaten an Land, das schwere Gefährt zurückzuziehen oder zu schieben - nur mit Menschenkraft", weiß Annemarie ten Haaf.

Sie setzte ihren ganzen Charme ein und konnte den Soldaten endlich erweichen, sie hinüberzufahren. "Mein Vater und die anderen Fährleute sowie die Offiziere waren heiser geschrien und totenblass vor Erschöpfung. Ich übergab meinem Vater die Brote und die Flasche mit Ersatzkaffee und stieg wieder in das Sturmboot." Sofort brauste der Soldat wieder rüber zum anderen Ufer, denn er hatte große Angst vor dem General.

Beim Aussteigen am Honnefer Ufer überfiel die junge Frau völlige Verzweiflung ob all der jungen Menschen dort drüben. "Wir hätten doch vielleicht drei bis sechs im Boot mitnehmen können. Warum habe ich nicht dran gedacht und auch drüben keiner der Offiziere", ist sie noch heute erschüttert. "Tausende dieser Soldaten kamen nach Kriegsende im Lager Kripp ums Leben."

Von ihrem Verlobten Alfred Haas, den sie 1940 kennen gelernt hatte, als er in Rhöndorf stationiert gewesen war, ist Annemarie ten Haaf neben vielen glücklichen und schmerzhaften Erinnerungen und einigen vergilbten Fotos und Briefen vor allem ein kleines silbernes Kettchen geblieben. Sie hatte es ihrem Verlobten geschenkt, bevor er nach Russland geschickt wurde.

Es war wie viele andere Kleinigkeiten eines der Dinge, an dem sich die Verliebten in den schweren Zeiten besonders erfreuten. So schrieb er in seinen Briefen von diesem Geschenk und auch Annemarie ten Haaf freut sich bis heute, dass sie Fotos aus Russland hat, auf denen man sehen kann, dass ihr Verlobter das Kettchen am Arm trug.

Nach Alfreds Tod wurde seiner Familie das Armbändchen mit seinem Nachlass bestehend aus einem Paar Pantoffeln, einem Geldbeutel, einer Briefmappe und dem Eisernen Kreuz erster Klasse zurückgeschickt. Sein Onkel schickte der Verlobten seines Neffen drei Monate nach dessen Tod das Kettchen zurück. Annemarie ten Haaf hält es bis heute in Ehren.

Im September 2001 fuhr sie nach Russland und fand mit Hilfe Einheimischer auch den Ort, an dem Alfred Haas gefallen war, fand jedoch nicht das Grab des jungen Mannes. Deshalb erinnert heute ein Holzkreuz auf dem ten Haaf`schen Familiengrab an ihren damaligen Verlobten.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort