Forschung an der Uni Bonn Vom Computer tut's weniger weh

BONN · Wenn Menschen miteinander Geschäfte machen, können sie enttäuscht werden. Deshalb überlassen sie das Aufteilen gemeinsamen Geldes lieber einem neutralen Computer als einem Geschäftspartner. Das haben Forscher der Universität Bonn und US-Kollegen herausgefunden.

 Mit dem Magnetresonanztomographen untersuchte das Team von Professor Bernd Weber (rechts) die Probanden.

Mit dem Magnetresonanztomographen untersuchte das Team von Professor Bernd Weber (rechts) die Probanden.

Foto: Uni Bonn

Die Wissenschaftler sprechen von "Betrugs-Aversion": Menschen versuchen, Enttäuschungen aus dem Weg zu gehen, die durch einen möglichen Bruch von Vertrauen entstehen könnten. "Dieses Vertrauen ist wichtig für Geschäftsbeziehungen und die gesamte Ökonomie", sagt Professor Dr. Bernd Weber vom Center for Economics and Neuroscience am Life&Brain-Center der Universität Bonn.

Wie sich die Betrugs-Aversion auf Finanzentscheidungen auswirkte, hat er gemeinsam mit den amerikanischen Forschern Dr. Jason A. Aimone (Baylor-Universität, Waco/Texas) und Dr. Daniel Houser (George-Mason-Universität, bei Washington D.C.) untersucht.

Insgesamt 30 amerikanische Probanden spielten am Computer um echtes Geld. Auf den Ergebnissen dieser Versuchsreihe beruhend trafen anschließend 30 Bonner Testpersonen ihre Entscheidungen. Während sie auf die zuvor in Amerika gefällten Entscheidungen ihrer Spielpartner reagierten, wurde bei ihnen die Hirnaktivität im Magnetresonanztomographen (MRT) gemessen.

Im Experiment konnten zuerst die Bonner wählen, ob sie und ihr Mitspieler beide je einen Euro bekamen, oder ob sie einen höheren Geldbetrag von sechs Euro aufteilen lassen wollten. Dabei wären bei "gerechter" Aufteilung drei Euro Gewinn möglich gewesen, aber auch das Risiko "ungerechter" Verteilung (der Partner hätte zum Beispiel 5,60 Euro eingestrichen, man selbst nur 40 Cent).

Das Teilen des Geldbetrags konnten die Teilnehmer im zweiten Schritt entweder ihrem jeweiligen Mitspieler oder dem Computer überlassen. Allerdings gab der Rechner genau die gleichen Entscheidungen aus wie die realen Testpersonen - und dies war den Probanden zuvor sogar explizit mitgeteilt worden. Trotzdem schenkten die Teilnehmer dem Computer mehr Vertrauen als ihrem Mitspieler: 63 Prozent vertrauten dem Rechner, lediglich 37 Prozent lehnten jede Aufteilung ab und begnügten sich mit dem einzelnen Euro. War aber definitiv festgelegt, dass der menschliche Mitspieler die Wahl selbst treffen würde, schenkten ihm nur 49 Prozent der Testpersonen ihr Vertrauen, und 51 Prozent nahmen den sicheren, kleinen Geldbetrag.

Für die Forscher ist das eine kleine Sensation. "Es scheint emotional weniger belastend zu sein, wenn ein Vertrauensbruch durch einen unpersönlichen Computer begangen wird als durch einen menschlichen Geschäftspartner", sagt Weber. Soziale Faktoren wie die Angst vor Betrug beeinflussten die finanziellen Entscheidungen. Die Ergebnisse sorgten für Widersprüche zu bisherigen Studien: "Viele zeigen, dass die Anonymität von Geschäftspartnern im Internet zu einem Vertrauensverlust führt", sagt Bernd Weber. Jetzt wisse man aber auch, dass die Anonymität gleichzeitig negative Gefühle vermeiden helfe. Diese Entscheidungsprozesse bei Finanzgeschäften müssten nun genauer untersucht werden.

Interessant waren auch die gemessenen Gehirnaktivitäten: Bei den Finanzentscheidungen war die "vordere Inselregion" besonders aktiv. "Diese Gehirnstruktur ist immer dann gefragt, wenn negative Emotionen wie Schmerz, Enttäuschung oder Angst angesprochen werden", erklärt Weber. Die Aktivierung der vorderen Inselregion sei ein Hinweis darauf, dass negative Emotionen in diesen Situationen eine große Rolle spielten.

In einem nächsten Schritt könnten sich die Forscher vorstellen, die Wirkung des Hormons Oxytocin bei solchen Entscheidungen zu untersuchen. In der Neurochemie wird es mit psychischen Zuständen wie Liebe und Vertrauen in Zusammenhang gebracht.

Der Fachartikel in den "Proceedings of the Royal Society B": DOI 10.1098/rspb.2013.2127

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