Unfreiwillig enthaltsam durch Nebenwirkungen

Uniklinik richtet derzeit eine Spezialambulanz in Bonn ein

Bonn. (sj) Über psychische Krankheiten wird nicht gern geredet. "Diese Erkrankungen sind aber enorm häufig, das ist in der Öffentlichkeit jedoch noch nicht ausreichend bekannt", sagt Kai-Uwe Kühn, Oberarzt in der Klinik und Polyklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Bonner Uniklinik.

So betrage das Risiko, mindestens einmal im Leben an einer Depression zu erkranken, für Frauen etwa 20 bis 25 Prozent und für Männer etwa 10 bis 15 Prozent.

Zwar gibt es mittlerweile zahlreiche Medikamente gegen Angststörungen, Depressionen oder Schizophrenien. "Doch die Nebenwirkungen führen teilweise dazu, dass die Medikamente nicht eingenommen werden", berichtet Kühn.

Zu den unerwünschten Wirkungen der Psychopharmaka zählten Gewichtszunahme und Sexualstörungen. Unter letzterem leiden offenbar stärker die Männer. "Mehr als ein Drittel der mit Psychopharmaka behandelten Männer zeigen Sexualstörungen", berichtet Kühn. Das reiche von mangelnder Libido über Erektions- bis hin zu Orgasmusstörungen.

In den Augen des Arztes führt das zu gravierenden Problemen: Viele Betroffene können unter Medikamenteneinfluss zwar wieder arbeiten gehen und ein weitgehend normales Leben führen, doch die Nebenwirkungen beeinträchtigten entweder die Partnerschaft oder bewirkten das Absetzen der Psychopharmaka.

In der Konsequenz bleibt der Therapieerfolg dann aus. Doch laut Kühn gibt es Alternativen durch Optimierung der Medikamentengaben: Um die unerwünschten Wirkungen zu vermeiden, ließen sich die Psychopharmaka zeitweise gezielt aussetzen, deren Dosis herabsetzen oder auf andere Wirkstoffe umstellen.

Ein Team aus Ärzten und Psychologen um Kühn arbeitet seit Februar an einer Studie, wie sich die Nebenwirkungen bei Männern am besten vermeiden lassen. Rund 200 männliche Patienten aus dem Universitätsklinikum hat das Team bislang untersucht, weitere sollen folgen.

Eine Spezialambulanz zur Behandlung von sexuellen Funktionsstörungen unter Psychopharmakaeinnahmen hat jetzt am Uniklinikum ihre Arbeit aufgenommen. Hausärzte und Nervenärzte können nun Männer, bei denen sich Sexualstörungen durch Psychopharmaka zeigen, dorthin überweisen. "Was wir nicht leisten können, ist eine Sexual- oder Eheberatung", macht Kühn deutlich.

Doch männliche Patienten mit Sexualstörungen durch Psychopharmaka können sich dort betreuen lassen. Die Erfahrungen sollen dann in die Studie einfließen, in der Empfehlungen zur Vermeidung der Nebenwirkungen ausgearbeitet werden sollen.

Die Spezialambulanz ist telefonisch unter (02 28) 2 87 56 83 zu erreichen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort