"Trojanische Pferde" täuschen Viren vor

Bonner Forscher testen erstmals in Deutschland einen Schutzimpfstoff gegen HIV - Im Falle einer Infektion soll er die Vermehrung des Virus begrenzen

  Erste Tests mit Aids-Impfstoff  sind nun in Deutschland angelaufen. Das Bild zeigt in flüssigem Stickstoff gelagerte Blutproben.

Erste Tests mit Aids-Impfstoff sind nun in Deutschland angelaufen. Das Bild zeigt in flüssigem Stickstoff gelagerte Blutproben.

Foto: dpa

Bonn. An der Medizinischen Klinik I und Poliklinik der Universität Bonn hat der erste klinische Test eines Aids-Schutzimpfstoffs begonnen. Insgesamt nehmen 50 freiwillige Probanden an der Studie teil, elf davon in Bonn. Parallel laufen die Untersuchungen in Hamburg-Eppendorf, Brüssel und Antwerpen. Es handelt sich bundesweit um die erste Studie mit einem Schutzimpfstoff gegen Aids.

In dieser ersten von drei Phasen wird der Impfstoff mit dem Namen tgAAC09 auf seine Körperverträglichkeit und Sicherheit geprüft. Er soll mit einer einzigen Impfung die Immunantwort stimulieren.

Im Falle einer Infektion mit dem HI-Virus soll er bewirken, dass das menschliche Immunsystem die Vermehrung des Virus begrenzt. Eine Erkrankung an Aids würde so zeitlich stark verzögert, es träten nur leichtere Krankheitssymptome auf.

"Ob dieser Impfstoff wirklich gegen HIV wirksam ist, werden wir erst nach den Tests der dritten Phase wissen. Aber wir müssen heute beginnen, etwas zu tun, damit wir das zukünftige Überleben von Millionen Menschen sichern können", erklärte Professor Jürgen Rockstroh anlässlich einer Pressekonferenz der Deutschen Aids-Stiftung.

Der Aids-Experte leitet die Studie an der Bonner Uni-Klinik. Bei einem Versuch mit Affen hatte der Impfstoff bereits im Immunsystem - wie gehofft - Antikörperreaktionen und die Stimulation von Killerzellen bewirkt.

Ziel der Versuchsreihe ist es, einen Präventiv-Impfstoff gegen HIV zu finden. Der klinische Test wurde von der gemeinnützigen International Aids Vaccine Initiative (IAVI) in Auftrag gegeben und wird von der Deutschen Aids-Stiftung mit 100 000 Euro unterstützt.

Eine solche "Phase I-Studie" kostet etwa eine Million Euro. Stündlich infizieren sich weltweit etwa 600 Menschen mit HIV, besonders alarmierend sind die Zahlen in den Entwicklungsländern. "Der Absatzmarkt ist folglich keiner, da die Zielgruppe arm ist", erklärte Angelina Hermanns von der IAVI in Brüssel. "Da reizt es die Pharma-Industrie nur bedingt, zu forschen."

Aber Forschung alleine reicht nicht. Es müssen auch die entsprechende Logistik und das Know-how gesichert sein. Etwa Medikamentenkühlschränke, sauberes Wasser sowie hygienische Blutabnahme und -untersuchung gehören zu den Voraussetzungen. "Es hat auch mit anderen Impfstoffen, ich denke da an Polio oder Masern, im Schnitt 25 bis 30 Jahre gedauert, ehe die in den Entwicklungsländern angekommen waren", ergänzte Hermanns.

"Egal, ob man es durch die Brille des Individuums oder die Brille der Population sieht - es gibt einen Vorteil durch einen solchen Impfstoff", erklärte Professor Ralf Wagner von der Universitätsklinik in Regensburg. Seit Beginn der Epidemie 1981 sind bereits 25 Millionen Menschen an Aids gestorben.

Zum Vergleich: In Deutschland leben 43 000 HIV-Infizierte, in Afrika sind es beinahe 28 Millionen. Da könnte die Verhinderung weiterer Ansteckungen die Zahlen drastisch senken.

Man macht sich so genannte trojanische Pferde zunutze, um eine Virusinfektion in den Zellen gewissermaßen nachzustellen. Diese trojanischen Pferde oder Genfähren sind an sich ungefährlich, lösen aber entsprechende Mechanismen in der Zelle aus, die wiederum die Tätigkeit der Killerzellen anregt.

Einmal wird der Impfstoff in den Muskel injiziert. "Den beiden Probanden, die bislang bei uns geimpft wurden, geht es gut", berichtet die Bonner Studienärztin Nazifa Qurishi.

Die injizierten so genannten Adeno-Assoziierten Viren (AVV) - die trojanischen Pferde - sind durch gentechnische Veränderungen nicht mehr vermehrungsfähig, nicht-krankmachend und stabil bis 56 Grad Celsius. "Das ist für einen Einsatz in den Tropen wichtig", so Qurishi.

Nach einem Fernseh-Bericht zum Welt-Aids-Tag im Dezember meldeten sich die ersten Freiwilligen bei den Bonner Uni-Klinikern. "Es herrscht ein extrem reges Interesse, bei der Entwicklung von etwas zu helfen, was langfristig ein großes Ziel hat", so Rockstroh.

13 Monate lang besuchen die Probanden 13 Mal die Uni-Klinik, dafür gibt es eine kleine Aufwandsentschädigung. "Das haben die Probanden erst beim Informationsabend erfahren und sich gewundert, dass es überhaupt etwas gibt. Sie hätten es auch so gemacht", berichtet Qurishi.

Die Wahl war auf die Bonner gefallen, weil das Zentrum ein führendes in der HIV-Forschung ist und auch eine umfangreiche Studienerfahrung in der HIV-Forschung aufweist. Rockstroh arbeitet seit 15 Jahren in der HIV-Forschung: "Ich habe den Standort in Bonn aufgebaut und alle Stadien miterlebt - auch die, in denen man Patienten noch kaum helfen konnte", erklärt der Experte. "Das ist ein Stück Lebensgeschichte. Da glaubt man dringend an die Notwendigkeit eines Impfstoffs."

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