Tiefe Einblicke in die Denkstruktur

Der Bonner Psychologie-Professor Karl Christoph Klauer erhält den mit 1,55 Millionen Euro dotierten Leibniz-Preis

  Der Mensch zweifelt,  freut sich und geht Klischees auf den Leim (hier der Pantomime Marcel Marceau), doch alles nicht nach streng logischen Gesichtspunkten. Nach welchen Regeln sich beispielsweise Stereotypen aktivieren, untersucht die Psychologie.

Der Mensch zweifelt, freut sich und geht Klischees auf den Leim (hier der Pantomime Marcel Marceau), doch alles nicht nach streng logischen Gesichtspunkten. Nach welchen Regeln sich beispielsweise Stereotypen aktivieren, untersucht die Psychologie.

Foto: dpa

Bonn. Zwar hat der Bonner Psychologie-Professor Karl Christoph Klauer schon einige Auszeichnungen erhalten, doch bei dieser Nachricht stockte ihm dann doch der Atem: Er bekommt den mit 1,55 Millionen Euro dotierten Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preis, die höchstdotierte Auszeichnung, die in Deutschland regelmäßig an Wissenschaftler vergeben wird - eine Art deutscher Nobelpreis.

"Ich war vollkommen verdattert, damit hatte ich nun überhaupt nicht gerechnet", sagt Klauer, der seit 1996 am Psychologischen Institut der Bonner Uni forscht und lehrt. In welche seiner Forschungszweige er das Geld stecken möchte, darüber müsse er erst noch einmal sorgfältig nachdenken, meint er.

Ansatzpunkte dafür gibt es jedoch mehr als genug, zumal der 42-Jährige auf verschiedensten Forschungsfeldern neue Techniken und Methoden zur Durchführung von Tests, zur Datenerhebung und zur Analyse entwickelt hat. "Wir untersuchen unsere Daten häufig mit mathematischen Modellen. Das erlaubt uns einen besonders tiefen Einblick in die Denkstruktur", sagt Klauer, der Psychologie und Mathematik studiert hat.

Mit seinen Tests und Analysen versucht der Bonner Psychologe beispielsweise zu ergründen, wie logisch menschliche Schlussfolgerungen sind. "Da gibt es eine Urteilsverzerrung", berichtet der Preisträger. Menschen akzeptieren eine falsche Argumentation nämlich eher, wenn das Ergebnis ihren Vorstellungen entspricht. Umgekehrt werden Argumente häufig als falsch gewertet, wenn sie gängigen Vorstellungen widersprechen. Der Professor nennt ein fiktives Beispiel: Die Aussage "Zigaretten sind gesundheitsschädigend" entspreche viel mehr den Erwartungen als "Zigaretten und Krebs stehen in keinem Zusammenhang".

Während die meisten beim ersten Satz nur mit halbem Ohr hinhören, lässt der zweite Satz aufhorchen.

Aber nicht nur in seinen Schlussfolgerungen ist der Mensch offenbar beeinflussbarer, als viele von sich denken. Auch Vorurteile und Stereotypen hängen laut Klauer vom Kontext ab. Der Mensch ordnet Menschen gerne in Gruppen ein - beispielsweise Hautfarbe, Geschlecht oder Beruf. Diese soziale Kategorisierung sei mit verschiedenen Vorurteilen verknüpft, die je nach Umgebung zum Tragen kommen. So werden die Erwartungen oder Vorurteile über eine Frau, die Ausländerin und von Beruf Managerin ist, verschieden sein. Im geschäftlichen Umfeld wird die Kategorie "Managerin" wohl am ehesten wahrgenommen werden, meint Klauer.

"Die meisten glauben, dass sie frei von Vorurteilen sind. Deshalb ist es nicht ganz einfach, dieses Thema zu untersuchen", macht der Psychologe deutlich. Er ging dabei den indirekten Weg über Gedächtnistests: Er ließ Frauen und Männer, darunter Deutsche und Ausländer, über verschiedene Themen diskutieren. Anschließend fragte er ab, wer nun was gesagt haben soll und verglich die Aussagen mit den tatsächlichen Situationen. "Unter welchen Bedingungen werden Vorurteile aktiviert", lautete die Frage, die Klauer daran besonders interessierte.

Nicht nur Vorurteile färben die Wahrnehmung des Menschen. Klauer untersuchte auch die These, dass der Mensch alle Eindrücke spontan nach den Kategorien positiv und negativ bewertet. "Die emotionale Tönung ist im Organismus immer präsent. Die Zuordnung geht sehr schnell, geschieht aber häufig unbewusst." So bewerten Probanden, die zuvor beispielsweise mit Babyfotos positiv eingestimmt wurden, eine neutrale Situation deutlich positiver als die zuvor mit Kriegsfotos konfrontierten. Mit dem Wissen über die emotionale Tönung ließen sich beispielsweise verfeindete Gruppen besser wieder zusammenführen, meint Klauer.

Mit seinen Beiträgen hat der Bonner Psychologe Standards gesetzt und sich ein internationales Renommee erworben. Der 1961 in Bad Kreuznach geborene Karl Christoph Klauer studierte Mathematik und Psychologie in Aachen und Hamburg, wo er im Fach Psychologie promovierte.

Er ging dann nach Berlin und habilitierte sich im Jahr 1992 an der Freien Universität. Nach einer Professur für Allgemeine Experimentelle Psychologie an der Universität Heidelberg folgte Klauer 1996 einem Ruf auf eine Professur für Psychologie an die Universität Bonn. Angebote aus Cardiff und Wien lehnte er ab. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft ehrt mit dem Leibniz-Programm 2004 noch zwei weitere Wissenschaftlerinnen und acht Wissenschaftler. DFG-Präsident Ernst-Ludwig Winnacker übergibt die Preise am 25. Februar in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften in der Hauptstadt.

Der Leibniz-Preis

Die Fördersumme von 1,55 Millionen Euro können die Preisträger nach ihren Wünschen für Forschungsvorhaben in den nächsten fünf Jahren einsetzen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) will mit dem 1985 eingerichteten Programm die Arbeitsbedingungen herausragender Wissenschaftler verbessern, ihre Forschungsmöglichkeiten erweitern, sie von Verwaltungsaufwand entlasten und die Beschäftigung besonders qualifizierter Nachwuchswissenschaftler erleichtern.

Für den Preis kommen alle Fachgebiete in Frage. Die DFG wählt jedoch insbesondere die Forscher aus, von denen sie sich durch zusätzliche Förderung eine besondere Steigerung der wissenschaftlichen Leistung verspricht.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort