Siegen lernen mit Obama

Als George W. Bush 2004 zur Wiederwahl antrat, genügte ihm als Markenzeichen das große W: unverwechselbar, unübersehbar in jedem Saal, in dem er auftrat, sowie auf zahlreichen Autoaufklebern. Typisch amerikanisch eben?

 Barack Obama beim Präsidentschaftswahlkampf 2008 in Virginia.

Barack Obama beim Präsidentschaftswahlkampf 2008 in Virginia.

Foto: dpa

Bonn. Als George W. Bush 2004 zur Wiederwahl antrat, genügte ihm als Markenzeichen das große W: unverwechselbar, unübersehbar in jedem Saal, in dem er auftrat, sowie auf zahlreichen Autoaufklebern. Typisch amerikanisch eben?

Zumindest hat die Vorstellung eins zu eins auf deutsche Verhältnisse übertragen etwas unfreiwillig Komisches. Wohingegen der kometenhafte Aufstieg eines jungen Senators aus Illinois zum 44. Präsidenten der Vereinigten Staaten im Herbst 2008 hierzulande mit Bewunderung und Neid gleichermaßen beobachtet wurde.

Mit dem oftmals schwierigen, aber doch selten gleichgültigen Verhältnis deutscher Intellektueller, Medien und Politiker zu den in den USA üblichen Wahlkampfstrategien hat sich der Journalist, Moderator und Autor Jan Philipp Burgard (26) in seiner jetzt als Buch veröffentlichten Dissertation "Von Obama siegen lernen oder 'Yes, We Gähn!'?" auseinandergesetzt.

"Der zweite Teil des Titels bezieht sich auf die Schlagzeile einer großen deutschen Tageszeitung zum TV-Duell von Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier", erklärt Burgard. "Dieses Streitgespräch der Kanzlerkandidaten von 2009 wurde als wenig inspirierend, ja als zähflüssig bis einschläfernd bewertet." Also ein gescheiterter Versuch, die Tricks der amerikanischen Public Relation Profis zu kopieren?

Das mag man so oder so bewerten, doch Burgard zeigt in seiner mit Magna Cum Laude benoteten Untersuchung, wie Deutsche schon zu Adenauers Zeiten über den großen Teich schauten, um sich die dort erfolgreichen Strategien zunutze zu machen. Merkels Slogan "Wir haben die Kraft", der an Obamas "Yes, We Can"" erinnert und die Reduzierung der Wahlplakate auf ihre Person lassen sich, so Burgard, durchaus als Beispiel anführen.

Wobei meist eher verstohlen kopiert wurde - mit Blick auf einen gewissen ideologischen Generalverdacht, halb angezogen und halb abgestoßen von einem professionell inszenierten Schauspiel, das angeblich auf Kosten greifbarer politischer Inhalte geht. Aber Burgard legt dar, dass Obama auch mit diesen Vorurteilen aufräumen konnte.

Er habe nicht nur Show, sondern auch Programm geliefert und setzte technologisch neue Maßstäbe. "Wie kein Kandidat vor ihm hat Obama sich des World Wide Web bedient, um Spenden zu sammeln und ein Heer von freiwilligen Helfern zu rekrutieren."

Der Autor, der in Bonn Politikwissenschaft, Neuere Geschichte und Öffentliches Recht studiert hat und heute für die Tagesthemen in Hamburg mit Tom Buhrow zusammenarbeitet, kann mit Wissen aus erster Hand punkten: "Als Producer im ARD-Studio Washington hatte ich die Chance, den Wahlkampf aus nächster Nähe zu verfolgen."

Er begleitete Julius van de Laar, den einzigen Deutschen, der hauptamtlich als Wahlkampfhelfer für Barack Obama tätig war und als "Youth Vote Director" für die Jungwähler des Staates Missouri zuständig war. Und Burgard erlebte Obama bei mehreren Auftritten selbst als charismatischen Kopf: erfrischend unprätentiös , dynamisch und auf Augenhöhe mit den Bürgern.

"Ich glaube, das Bedürfnis der Deutschen nach solchen Persönlichkeiten wird nach wie vor unterschätzt." Stellt sich abschließend die Frage, was wir Deutsche von den Amerikanern lernen könnten. "Obama hat vorgemacht, wie ein Politiker mit Hilfe des Internets in einen echten Dialog mit den Bürgern treten kann", sagt Burgard.

"Und damit die Kanzlerkandidatur nicht mehr im Hinterzimmer der Parteien, sondern von den Menschen entschieden wird, wären Vorwahlen nach US-amerikanischem Vorbild eine gute Idee." So wie eine stärkere Einbindung von professioneller Politikberatung und Wissenschaft. Die Entstehungszeit des Buches hat Burgard auch ganz persönlich beeindruckt. "Während meiner Zeit als Berichterstatter auf Wahlkampftour mit Obama habe ich die amerikanische Mentalität sehr schätzen gelernt.". Ein Stück mehr Bürgernähe, Offenheit und Optimismus stünde auch deutschen Politikern gut zu Gesicht.

Jan Philipp Burgard: Von Obama siegen lernen oder "Yes, We Gähn!"? Der Jahrhundertwahlkampf und die Lehren für die politische Kommunikation in Deutschland. Verlag Nomos Baden-Baden, 255 S., 49 Euro

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