Rettungsanker im Verwaltungswirrwarr

Eine Fachtagung in Bonn zeigt, wie moderne Informationstechnologie hilft, den Überblick zu behalten - Zunahme der Datenflut

Rettungsanker im Verwaltungswirrwarr
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Bonn. Zwölftausend Abiturienten aus ganz Deutschland bewarben sich zum Wintersemester für einen Studienplatz an der Bonner Universität. Sämtliche Anträge mussten in gut drei Monaten abgearbeitet werden.

"Ohne moderne elektronische Datenverarbeitung wäre die Studienzulassung, sozusagen unser akademischer TÜV, überhaupt nicht durchführbar gewesen", sagt Bernd Platten, Chef des Bonner Studentensekretariats.

Erstmals wurden die Bewerbungen nur online angenommen und weitgehend auch von einem Computerprogramm überprüft. Die Antragsflut steigt, weil die Studierendenzahl in den neuen Bachelor-Master-Studiengängen häufig begrenzt ist und die Kandidaten sich vorsorglich an mehreren Hochschulen gleichzeitig bewerben.

"Mit der amtlichen Genehmigung der neuen Lehrangebote, der Akkreditierung, ist die maximale Teilnehmerzahl für Übungen und Seminare genau festgelegt", erläutert der Bonner Prorektor Wolfgang Hess. Daraus ergeben sich automatisch mehr Lehrveranstaltungen als bisher und damit erhöhte Ansprüche an das Raum- und Veranstaltungsmanagement.

Auch dabei hilft spezielle Computersoftware, indem sie Orte und Termine effizient kombiniert - ohne unnötig große Lücken in Raum und Zeit. Moderne Informationstechnologie (IT) ist offenbar der Rettungsanker der Hochschulen, die nicht im Chaos untergehen wollen.

Die Zukunft gehört der "Electronic University", so der Titel eines Kongresses mit 500 Hochschulvertretern vorige Woche im Internationalen Kongresszentrum Bonn. Die Fachtagung wurde von Universitätsverbünden aus Nordrhein-Westfalen und Hamburg organisiert sowie von IT-Firmen gesponsert.

Hamburgs Wissenschaftssenator Jörg Dräger verweist auf die studienbegleitenden Prüfungen, die mit den neuen Studiengängen an jedem Semesterende fällig werden: "Jeder der 40 000 Studierenden an der Hamburger Universität soll sechzig Leistungspunkte im Jahr machen. Das sind bei drei Punkten pro Prüfung 800 000 Ergebnisse jährlich.

Um die auch nur auszudrucken und abzustempeln, bräuchten wir 45 volle Mitarbeiterstellen." Die Bonner Universität käme danach für ihre dreißigtausend Studenten auf rund 600 000 Prüfungszeugnisse pro Jahr. IT wird zu einem wirksamen Steuerungsinstrument im akademischen Betrieb.

So entdeckte die Leitung der Hamburger Universität mit der hochschulweiten Einführung ein und desselben, umfassend informierenden Computerprogramms zum Wintersemester, dass die Erziehungswissenschaftliche Fakultät nur 220 Veranstaltungen anbot - statt 400, die für die tatsächliche Nachfrage erforderlich waren.

Die wegen Überfüllung abgewiesenen Studenten waren nicht mehr vernachlässigbare Einzelschicksale, sondern auf einmal eine genau berechenbare Quote von Benachteiligten bei einem Massenfehlstart. Den darf sich eine Hochschule umso weniger erlauben, wenn die Studierenden - wie heute schon in Bonn - Semestergebühren zahlen müssen.

"Wir müssen aufpassen, dass wir von den Gebührenzahlern nicht wegen mangelhaft organisierter Lehre verklagt werden", betont Prorektor Hess. Die Universität Hamburg sorgt bereits mit IT vor: Die Studierenden müssen sich schon im laufenden Semester für die Kurse des kommenden vorregistrieren.

"Dadurch ist schon in der Planung der Bedarf an Studienplätzen und Lehrkapazität absehbar, ein wirksames Controlling im Unternehmen Universität möglich", betont der in den USA geschulte Senator Dräger. "Der e-Campus ist letztlich kein technisches Problem, sondern eine Mentalitätsfrage", erklärt Gregor Lietz.

Er ist Chefinformatiker von EDS Business Solutions mit reichen Erfahrungen im Umbau öffentlicher Verwaltungen. Die Frage ist, inwieweit sich die Beteiligten in ihren Abläufen an die IT anpassen wollen. Denn die definiert praktisch alle Geschäftsprozesse und Aufgabenstellungen im Hochschulbetrieb neu - gleichermaßen für die Professoren und die Sachbearbeiter.

Manchem Hochschulangehörigen macht die Revolution im Arbeitsalltag gehörig Angst - zumal im Hintergrund immer das Outsourcing droht, die Verlagerung von IT-Dienstleistungen und Arbeitsplätzen in die Privatwirtschaft. Selbst das Herzstück der Hochschule, die herkömmliche Präsenzlehre, bleibt von der "Virtualisierung" nicht unberührt.

"Wenn kleine und mittlere Fachhochschulen in der Master-Ausbildung noch mitmachen wollen, können sie das nur im Zusammenspiel, also in der Hauptsache über computergestützte Fernlehre", erklärt Joachim Metzner, Rektor der FH Köln, der größten bundesweit.

Informationen unter www.virtueller-campus.uni-hamburg.de.

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