Promotionen der Uni Bonn im Visier der Staatsanwaltschaft

Die Universität prüft nun vier Verdachtsfälle in der Doktortitelaffäre

Promotionen der Uni Bonn im Visier der Staatsanwaltschaft
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Bonn. Haben Dozenten der Universität Bonn gegen Geld Promotionskandidaten angenommen? Der Vorwurf der Bestechlichkeit steht im Raum. Laut Universität sind inzwischen vier Verdachtsfälle in Bonn im Visier der Kölner Staatsanwaltschaft.

Eines der Strafverfahren soll bereits Ende 2008 mit einer geringen Strafe rechtskräftig abgeschlossen worden sein, bestätigte die Uni.

Auffällig ist, dass sich sämtliche Verdachtsfälle in Bonn auf die Medizin und Zahnmedizin konzentrieren. "Vermutlich hängt das damit zusammen, dass unsere Doktoranden ihre Promotionen entweder als Studenten oder bereits während einer Berufstätigkeit anfertigen", sagte Professor Thomas Klockgether, Dekan der Medizinischen Fakultät.

Info Lesen Sie dazu auch " Doktortitelaffäre: Ein Dutzend Fälle sind abgearbeitet"Etwa in den Naturwissenschaften seien hingegen Doktoranden in der Regel an der Universität angestellt, damit vor Ort und unter Aufsicht. "Das Risiko, sich unzulässiger Hilfen zu bedienen, ist damit in anderen Fächern vermutlich geringer." Die verdächtigten Promotionsbetreuer sollen allesamt außerplanmäßige Professoren sein.

Klockgether sieht eine prinzipielle Schwachstelle darin, "dass viele außerplanmäßige Professoren beruflich außerhalb der Universität - zum Beispiel in nicht-akademischen Krankenhäuser, Behörden oder Praxen - tätig sind und damit nicht so ausgeprägt in die Universität eingebunden sind".

Dadurch bestehe die Gefahr, dass die akademischen Maßstäbe nicht so präsent seien, wie dies gewünscht wird. "Die außerplanmäßigen Professoren dürfen aber nicht unter Generalverdacht gestellt werden", betonte der Dekan. "Sie sind allesamt ordnungsgemäß nach strengen Kriterien berufen, und Regelverstöße sind die absolute Ausnahme."

Zum neu hinzugekommenen vierten Fall teilte Klockgether mit, dass der Betreffende, als er an der Bonner Universität die Doktorarbeiten betreute, als Privatdozent am Universitätsklinikum beschäftigt war. "Inzwischen ist er zum außerplanmäßigen Professor berufen worden und hat das Universitätsklinikum verlassen." Nur einer der verdächtigten Promotionsbetreuer sei noch an der Universität Bonn beschäftigt.

"Das Rektorat hat gegen ihn ein Disziplinarverfahren eingeleitet, das aber ruht, bis die Justiz das Ermittlungsverfahren abgeschlossen hat", sagte der Dekan. Die Promotionskommission der Fakultät sichte die von allen vier Verdächtigten betreuten Promotionen der vergangenen fünf Jahre. Bislang seien etwa 15 bis 20 Doktorarbeiten kontrolliert worden, berichtete Klockgether.

Da der vierte Fall erst seit Kurzem bekannt ist, hätten hier noch keine Prüfungen stattgefunden. "Solange die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft noch nicht abgeschlossen sind, können wir nur nach Plausibilität prüfen." Bei knapp der Hälfte der gesichteten Doktorarbeiten habe es Auffälligkeiten gegeben, so der Dekan.

So habe bei einigen Doktoranden das Studium schon Jahre zurückgelegen, bevor mit der Promotion begonnen wurde. Andere seien durch ein sehr niedriges wissenschaftliches Niveau aufgefallen. Ein Doktorand, der voll berufstätig war, habe eine experimentell sehr aufwendige Arbeit erstellt. "Formal sind die Promotionen jedoch in Ordnung, bislang kann man den Doktoren keinen Vorwurf machen", sagte Klockgether.

"Sollte die Justiz die Promotionsbetreuer etwa wegen Bestechlichkeit verurteilen, würde dies für sie disziplinarrechtliche Konsequenzen und die Aberkennung ihres Titels zur Folge haben", so der Dekan. Sollten die geprüften Promotionen dann in diesem Zusammenhang in einem neuen Licht erscheinen, würde auch die Aberkennung von Doktortiteln geprüft.

"Wir haben erklärt, Konsequenzen aus diesen Vorkommnissen zu ziehen", sagte Klockgether. "Das werden wir bei entsprechender Beweislage auch tun." Die Promotionsordnung der Medizinischen Fakultät wird derzeit überarbeitet. "Die Doktoranden müssen nun explizit schriftlich versichern, dass sie keine Vermittlungsdienste in Anspruch genommen haben", teilte der Dekan mit.

Außerdem soll nun zwingend mit jedem Doktoranden ein Promotionsvertrag abgeschlossen werden, mit dem die akademischen Regeln genau festgelegt werden. "Meiner Meinung nach müssen wir bei der Vergabe außerplanmäßiger Professuren kritischer und vielleicht auch zurückhaltender werden", fügte Klockgether an.

Die Bonner Universität erteilte außerdem einem wissenschaftlichen Mitarbeiter eine Rüge, weil er einschlägige Vermittlungsdienste angeboten haben soll. Der Mitarbeiter habe glaubhaft machen können, dass sein Beratungsangebot nicht in Anspruch genommen wurde, teilte die Unipressestelle auf Anfrage mit. Außerdem habe er umgehend die entsprechende Webseite gelöscht.

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