Interview Professorinnen der FH Bonn-Rhein-Sieg sprechen über ihren Beruf

BONN-RHEIN-SIEG · Professorin als Traumberuf - das scheinen viele promovierte Akademikerinnen nicht so zu sehen, denn auch heute ist nur jede fünfte Professur in Deutschland mit einer Frau besetzt. An der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg beträgt der Anteil der männlichen Professoren im Fachbereich Informatik 84 Prozent, im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften sind 77 Prozent der Professoren männlich.

 Christine Immenkötter (links) und Simone Bürsner arbeiten als Professorinnen an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.

Christine Immenkötter (links) und Simone Bürsner arbeiten als Professorinnen an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.

Foto: Martina Welt

Seit drei Jahren wird daher Interessentinnen das Programm "Grünes Licht für Professorinnen" angeboten. Zwei, die sich bewusst für diesen Beruf entschieden haben, sind Simone Bürsner (47) und Christine Immenkötter (32). Über ihren Berufsalltag und die Gründe, der freien Wirtschaft den Rücken zu kehren, sprach Martina Welt mit ihnen.

Welchen Berufswunsch hatten Sie in Kinderzeiten?
Immenkötter: Ich wurde sicher geprägt durch meine Mutter, die Lehrerin ist. Eine gewisse Affinität zu diesem Beruf war von Anfang an da. Hinzu kam ein Hang zu Zahlen, so dass ich mir früh vorstellen konnte, in einer Bank zu arbeiten. So habe ich nach dem Abitur erst einmal eine Banklehre gemacht, und dann hat sich das Eine aus dem Anderen ergeben.
Bürsner: Ich hatte weder den Berufswunsch Professorin noch Lehrerin. Ich habe mir als Jugendliche eher überlegt, welche Fächer für mich interessant sind. Das war sehr breit gefächert. Als Leistungskurse hatte ich dann Mathematik und Französisch.

Wie sind Sie schließlich zur Hochschule gekommen?
Bürsner: Ich suchte den beruflichen Wechsel und habe aktiv Stellenanzeigen durchgesehen. Dass der Wechsel an eine Hochschule eine Möglichkeit sein könnte, habe ich schon vorher ins Auge gefasst. Ich hatte acht Jahre in der Softwareentwicklung gearbeitet und habe mich gefragt, ob ich jetzt noch unzählige weitere Projekte mitgestalten will oder ob ich vielleicht mein Wissen und meine Erfahrung Studierenden vermitteln möchte. Außerdem hatte ich eine Spezialisierung, die bei vielen Informatikern zum damaligen Zeitpunkt noch nicht so anerkannt war und deshalb auch im Studium häufig zu kurz kam.

Und welche Spezialisierung war das?
Bürsner: Das sogenannte Requirements Engineering. Dabei geht es darum, die Anforderungen der Nutzer an eine Software zu erheben, damit das Produkt auf die Bedürfnisse seiner Nutzer zugeschnitten ist und gezielt entwickelt werden kann. Es hat mich damals gestört, dass sich viele nicht so sehr für die Nutzersicht interessiert haben und auch nicht so gerne mit den Nutzern gesprochen haben. Man hat lieber vor sich hin gebastelt. Die Frage nach dem Nutzen für den Endanwender blieb jedoch oft auf der Strecke. In dieser Zeit und aus dieser Situation heraus ist bei mir der Wunsch entstanden, dass die zukünftigen Generationen der Informatiker an der Stelle mehr Sensibilität aufbringen. Dafür kann ich mich an der Hochschule einsetzen.

Frau Immenkötter, wie sind denn Sie Professorin geworden?
Immenkötter: Ich konnte mir den Beruf der Professorin seit der Promotion vorstellen. Im Rahmen meiner Promotion habe ich selbst viele Vorlesungen gehalten und dabei erste Eindrücke bekommen, wie es ist, Wissen und Kompetenzen zu vermitteln und weiterzugeben. Das hat mir sehr viel Spaß gemacht. Dennoch war ich nach der Promotion zunächst als Steuerberaterin in einer der großen Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften tätig. Durch einen Zufall habe ich schließlich die Stellenausschreibung für meine jetzige Professur gesehen, und da mein Mann Rheinländer ist, war das wie den Nagel auf den Kopf treffen, und ich habe mich beworben.

Ist denn der Beruf als Professorin ein Traumberuf?
Immenkötter: Für mich ist es die richtige Entscheidung gewesen. Auch wenn ich manchmal noch ein wenig Sehnsucht nach Frankfurt habe, weil ich dort zwölf Jahre gelebt und sehr gern gearbeitet habe. Die Flexibilität und Zusammenarbeit mit jungen Menschen machen mir aber sehr viel Spaß - ich bin sehr gern an der Hochschule. Ich gehe mit Freude in die Vorlesung und versuche stets, Inhalte praxisnah zu vermitteln.

Sie sind gerade Mutter geworden - wie familienfreundlich ist der Beruf?
Immenkötter: Ich plane, nach einem Semester Pause wieder in die Lehrtätigkeit einzusteigen. Das ist an der Hochschule sicher besser darstellbar als in meinem alten Job. Von daher sind sowohl der Beruf als auch das Umfeld in der Hochschule mit eigener Kita viel familienfreundlicher, als dies in der freien Wirtschaft oft der Fall ist.

Frau Bürsner, wie bewerten Sie den Beruf als Professorin?
Bürsner: Wenn der Beruf mir nicht gefallen würde, wäre ich nicht zehn Jahre geblieben, obwohl ich selbst nach dieser Zeit sage, auch die Arbeit in der Industrie möchte ich keinesfalls missen. Ich wollte einfach noch mal was anderes machen.

Vor allem die Bezahlung dürfte in der freien Wirtschaft besser gewesen sein?
Bürsner: Das darf kein Kriterium sein.
Immenkötter: Es muss die Freude am Beruf im Vordergrund stehen - gerade an einer Fachhochschule sind es überwiegend die Lehre und die Zusammenarbeit mit jungen Menschen, die die Arbeit ausmachen. Wenn man hieran Spaß hat, ist man hier sehr gut aufgehoben.

Welches wären Ihre Wünsche an das Arbeitsumfeld?
Bürsner: Ich finde die Personalressourcen in meinem Fachgebiet an Fachhochschulen sehr knapp bemessen. Mehr Unterstützung durch wissenschaftliche Mitarbeiter wäre schön. Man ist häufig überlastet. Mitarbeiter sind auch schwer zu bekommen, weil Softwareingenieure in Industrieunternehmen wesentlich mehr Geld verdienen können.

Warum würden Sie den Beruf Professorin anderen weiterempfehlen?
Immenkötter: Der Beruf bietet viele Freiheiten und Gestaltungsmöglichkeiten sowie flexible Arbeitszeiten. Kurz gesagt, man arbeitet sehr eigenverantwortlich. Das unterscheidet ihn von vielen Berufen in der Wirtschaft.
Bürsner: Man muss es mögen, Verantwortung für junge Menschen zu übernehmen und Begeisterung für das Fach mitbringen. Dann hat man mit dem Beruf Professorin seinen Traumberuf gefunden.

Zu den Personen

Simone Bürsner (47) ist seit Oktober 2004 Professorin für Software Engineering im Fachbereich Informatik der Hochschule. Sie ist verheiratet. Sie wurde ist in Baden-Württemberg geboren und wohnt seit 2004 im Rheinland.

Christine Immenkötter (32) arbeitet seit Februar 2013 als Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Rechnungswesen, Finanzwirtschaft und Steuern im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften. Sie ist verheiratet. Geboren ist die Professorin in Sachsen-Anhalt. Heute wohnt sie in Rheinbach.

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