Operation noch im Mutterleib

Bonner Ärzte stärken die Lungen von kleinen Patienten mit einem Loch im Zwerchfell

Operation noch im Mutterleib
Foto: dpa

Bonn. Neugeborene mit einer Zwerchfell-Hernie haben keine günstige Prognose, zu überleben. Derzeit kommt etwa eines von 2 500 Kindern mit einem solchen Defekt auf die Welt.

Das angeborene Loch im Zwerchfell führt dazu, dass die natürliche Barriere zwischen Brust- und Bauchraum fehlt. Daraus resultiert häufig eine Verschiebung der Bauchorgane. Milz, Leber und Darm verrutschen in den Brustraum. Bereits während der fetalen Entwicklung kommt es zu dieser Komplikation, die schlimmstenfalls zu einer schweren Beeinträchtigung der Lungenfunktion führen kann. Eine Ultraschalluntersuchung ab der 24. Schwangerschaftswoche klärt, ob ein Ungeborenes an dieser Erkrankung leidet.

Als europaweiter Vorreiter behandelt das Deutsche Zentrum für Fetalchirurgie und minimal-invasive Therapie (DZFT) der Uniklinik Bonn neuerdings diese Kinder bereits im Mutterleib. "Die so genannte “Tracheal-Ballonokklusion„ wird im letzten Schwangerschaftsdrittel eingesetzt", erläutert DZFT-Leiter Thomas Kohl. Über eine kleine Öffnung im Bauch der Mutter führt er eine kugelschreiberdicke Sonde in die Fruchthöhle.

Unter Ultraschallbeobachtung führen die Ärzte ein Fetoskop über die Mundhöhle des Ungeborenen in dessen Luftröhre ein. Ein winziger Ballon aus Latex sorgt dann vor Ort dafür, den Atemkanal zu verschließen. "Die vorgeburtliche Lunge produziert normalerweise ständig Wasser, das wegen der blockierten Atemwege nicht mehr abfließen kann", weiß Kohl. Dies ist ein beabsichtigter Effekt, denn auf diese Weise soll die Lunge gestärkt und zum Wachstum angeregt werden.

Durch den therapeutisch angeregten Aufstau dehnen sich die Lungen zunächst aus und es bildet sich neues Lungengewebe. Normalerweise dient die Flüssigkeit dazu, die winzigen Atemwege offen zu halten. Der Ballon bleibt dort für rund drei Wochen und wird schließlich per Laser zerstört. In enger Zusammenarbeit mit der Mannheimer Uniklinik werden die vor der Geburt operierten kleinen Patienten nach der Entbindung weiter medizinisch betreut.

Das Mannheimer Team um den Kinderarzt Thomas Schaible gilt als landesweit besonders erfahren auf diesem Gebiet und arbeitet mit den Bonnern Hand in Hand. Dort kann auch eine "Kunstlungentherapie" eingeleitet werden. Hierzu wird Blut aus dem Kreislauf des Neugeborenen über ein Schlauchsystem durch einen Gasaustauscher geführt, der eine Anreicherung mit Sauerstoff und eine Verminderung des Kohlendioxid bewirkt.

Diese Therapie unterstützt für etwa drei Wochen die Lungenfunktion der kranken Kinder - sie kann allerdings zu Entwicklungsverzögerungen führen. Diese Therapiekombination soll jetzt europaweit erstmalig wissenschaftlich untersucht werden. "Dadurch können für Kinder mit schweren Verlaufsformen der Zwerchfell-Hernie die Behandlungsverfahren verbessert werden", so Kohl.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort