Notebook und Beamer statt Tafelkreide

Der Bonner Testbetrieb für Online-Vorlesungen läuft bereits, und im Sommersemester geht eine "E-Learning-Plattform" an den Start - Der Gang in den Hörsaal wird aber nicht überflüssig

  Das kluge Brett hilft beim Lernen:  Was der Dozent am "Smartboard" (links) notiert, erscheint im PC (rechts).

Das kluge Brett hilft beim Lernen: Was der Dozent am "Smartboard" (links) notiert, erscheint im PC (rechts).

Foto: Uni Bonn

Bonn. "Man muss Mut zur Lücke, zu Fehlern und Versprechern haben", sagt Thomas Gerstner. Denn alles, was der Doktor der Angewandten Mathematik in seinem Vortrag "Finanznumerik" sagt oder aufschreibt, geht als Live-Vorlesung ins Internet. Damit ist Gerstner einer der Dozenten an der Universität Bonn, für die Tafel und Kreide - vorerst - ausgedient haben. Seit dem Wintersemester gibt es das Pilotprojekt. "Der Zentrale IT-Service hatte sich die Technologie angeschafft. Da haben wir gleich Bedarf angemeldet", erklärt der Dozent.

Laien mögen auf den ersten Blick von den zahlreichen Projektoren, Beamern, Notebooks und Kabeln überfordert sein. Auch Gerstner gesteht: "Wir basteln noch etwas herum, aber es macht Spaß." Denn bis alles so aufgebaut ist, wie es sein soll, vergeht locker eine halbe Stunde.

Herzstück ist das so genannte Smartboard, das die Tafel ersetzt. Es ist mit Sensoren ausgestattet, die Berührung erkennen. So wird Gerstners Finger zur Maus und spezielle Stifte ersetzen die Tastatur. Aus diesen Informationen macht der Computer ein Bild. Gerstners Kommentare werden über ein Mikrofon als Audiosignal übertragen. Das Computerbild wird nun gescannt, mit dem Ton in einen "Livestream" umgewandelt und an den Server des Rechenzentrums übermittelt.

Rund 10 000 Euro kostet die Übertragungstechnik. "Zusätzlich filmen wir alles noch mit einer Kamera, damit im Internet nicht nur das Tafelbild, sondern auch der Dozent und ein Teil des Raumes zu sehen sind", sagt Manfred Düsenberg vom Zentralen IT-Service.

Damit sich auch die Zuschauer zu Hause beteiligen können, ist ein Chatsystem geplant - so können direkt Fragen gestellt werden. 100 Nutzer können die Übertragung gleichzeitig im Internet verfolgen, doch die Lizenz wird bei Weitem nicht ausgeschöpft. "Bisher schauen sich eher Kollegen als Studenten die Live-Übertragung an. Die Studenten kommen immer noch lieber in den Vorlesungsraum", sagt Gerstner. Doch zur Nacharbeitung, zum Wiederholen oder bei Krankheit griffen auch sie gerne auf die gespeicherten Vorlesungen zurück.

Für Gerstner liegen die Vorteile der Live-Übertragung auf der Hand. "Der Aufwand, um schöne Präsentationen auszuarbeiten, fällt weg. Man ist viel flexibler." Bedarf sieht er auch in anderen Fächern, insbesondere wo viele Studenten Vorlesungen hören wollen. "Wir haben jetzt Gelder beantragt, damit die Übertragungstechnik fest in einem mobilen Geräteturm installiert werden kann" - denn bisher sei vieles nur von anderen Instituten geliehen. Dozenten bräuchten dann nur noch die Technik anzuschließen.

"Soziale oder ethische Aspekte haben wir außen vor gelassen", sagt Gerstner. Natürlich sei es keine schöne Vorstellung, wenn am Ende jeder Student nur noch zu Hause vor dem Computer sitzt, jegliche Begegnung auf dem Campus hinfällig werde. Aber: "Ein interessanter Aspekt ist der entstehende Wettbewerb, wenn Studenten auf Live-Vorlesungen verschiedener Hochschulen Zugriff hätten", sagt er. In Hinblick auf die zukünftige leistungsorientierte Besoldung der Dozenten setzten sich so nur die besten durch. "Allerdings besteht die Gefahr der Wegrationalisierung", befürchtet Gerstner. Doch mache gerade die Vielfalt der Unterrichtsstile und Lehrschwerpunkte das Unileben aus.

Uni-Sprecher Andreas Archut hält die Live-Vorlesung im Internet eher für Spezialfälle geeignet. "Flächendeckend wird diese Technik nicht zum Einsatz kommen, niemand will die herkömmliche Universität abschaffen", sagt er. "Unser Credo lautet ''Ergänzen statt ersetzen''."

Anstatt Veranstaltungen durch das Internet überflüssig zu machen, setzt Bonn auf den Zusatznutzen des World Wide Web. "Multimediale Technik hat auch bei uns schon länger Einzug gehalten, zum Beispiel mit Televorlesungen, die zeitgleich in die USA übertragen wurden."

Einen weiteren Schritt in Richtung "Universität der Zukunft" geht die Uni Bonn im kommenden Sommersemester. "Ab März startet unsere neue E-Learning-Plattform", verrät Archut. Damit könnten Dozenten zum Beispiel begleitende Materialien ins Internet stellen oder Chats einrichten. "Der Unterschied zu einer herkömmlichen Homepage - die viele Lehrkräfte ja schon haben - ist, dass die Dozenten genau unter Kontrolle haben, wer wann auf welche Inhalte Zugriff haben soll", erklärt Jens Kurschat, IT-Sekretär der Uni.

Die Bonner kooperieren dabei mit der Ruhr-Universität Bochum, die seit drei Jahren die E-Learning-Plattform "Blackboard" nutzt. So wird das Bochumer Rechenzentrum auch das "eCampus"-System für die Uni Bonn betreiben.

Das System sei sehr flexibel und auch einfach zu bedienen: Studenten müssen sich nur anmelden, dann sei alles startklar. "Der Probebetrieb war erfolgreich", sagt Kurschat. Damit auch alle Dozenten und Studenten teilnehmen können, wird es auch Schulungen geben. Archut ist überzeugt: "Selbst wenn vereinzelt noch Berührungsängste da sind - die Studenten werden Druck machen, die Möglichkeiten zu nutzen."

Schließlich bringe die Plattform viele Erleichterungen mit sich. Durch Chatforen seien zum Beispiel lange Wartezeiten vor der Tür des Professors passé. Die Sprechstunde wird einfach im Internet abgehalten. "eCampus" ist auf drei Jahre angelegt. Es kostet pro Semester und Student 50 Cent, also rund 90 000 Euro insgesamt. Wie viele Teilnehmer sich registrieren lassen, kann IT-Sekretär Kurschat aber noch nicht voraussagen.

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