Noch vor dem Abitur in den Hörsaal

Bei Erstsemester-Vorlesungen an der Bonner Universität können jetzt auch Oberstufenschüler mitmachen - Erworbene Scheine werden beim späteren Studium anerkannt

  Bonner Hörsäle  öffnen fortan nicht nur für Professoren und Studenten, sondern auch für Oberstufenschüler

Bonner Hörsäle öffnen fortan nicht nur für Professoren und Studenten, sondern auch für Oberstufenschüler

Foto: Manfred Vollmer

Bonn. Ohne Zweifel: Mathematik, Physik oder Chemie gehören zu den Fächern, die ganze Generationen von Schülern das Fürchten gelehrt haben. Doch es gibt auch Ausnahmebegabungen, die von Zahlen und Formeln gar nicht genug bekommen können und denen der Stoff des normalen Schulunterrichts längst nicht mehr ausreicht. Damit diese hochmotivierten und sehr leistungsstarken Jugendlichen mehr aus ihrem Talent machen können, folgt die Universität Bonn jetzt dem Beispiel der Kölner Hochschule und bietet unter dem Motto "Fördern, Fordern, Forschen" zum Wintersemester erstmals eine Hochbegabtenförderung für Oberstufenschüler.

Zustandegekommen ist das Projekt auf Initiative von Professorin Angela Kunoth vom Institut für angewandte Mathematik. Im Juni fiel der Startschuss für das Programm, das von dem Mathematiker Karl Leschinger koordiniert und zunächst in den Fächern Mathematik, Physik, Chemie und Informatik angeboten wird. Bei Erfolg ist aber sowohl eine Fortsetzung als auch die Ausweitung auf andere Fächer möglich. Ziel ist nicht nur die rechtzeitige Förderung der Hochbegabten. Es geht der Uni auch darum, wissenschaftlichen Nachwuchs schon früh an bestimmte Fächer zu binden und die Studiendauer zu verkürzen: Erworbene Scheine werden bei einem späteren Studium anerkannt.

Dabei soll der Nutzen für die Jugendlichen so groß wie möglich, der Aufwand für die Universität jedoch so gering wie nötig sein. Die Schüler besuchen ebenso wie normale Studenten die Vorlesungen und Übungen für Erstsemester. "Dafür müssen sie anschließend den Unterrichtsstoff, den sie in dieser Zeit versäumt haben, selbstständig nachholen", erläutert Leschinger. Ob jemand geeignet ist, am Programm teilzunehmen, entscheidet sein Fachlehrer. Das Einverständnis der Schulleitung zur Beurlaubung vom Unterricht ist Voraussetzung. Mehr als 60 Schulen in Bonn und der Region sind bereits angeschrieben und mit Informationsmaterial versorgt worden.

An der Universität Köln, die seit 2000 eine Hochbegabtenförderung anbietet, waren es im ersten Semester rund 30 Schüler, die sich auf das Angebot hin beworben haben. Und auch in Bonn bewegen sich die Anmeldezahlen in überschaubaren Größenordnungen - verglichen mit dem Boom im Trendstudienfach Informatik. "Am Institut für Mathematik haben wir ja ohnehin eher mit einem Rückgang der Studentenzahlen zu tun", sagt Leschinger. Das liege zum großen Teil am Image des Faches, während mit Informatik meist die reizvolle Arbeit am Computer, hoher Verdienst und gute Aufstiegsmöglichkeiten verbunden würden. "Doch genau das bieten längst auch die bei den meisten Schülern unbeliebten Fächer Mathematik, Physik oder Chemie." Beispiele dafür kann Leschinger aus dem Kreis seiner ehemaligen Studenten aufzählen. Wobei einige von ihnen nach dem Studium erst ihre eigene Firma gegründet hätten, bevor sie dann für die Doktorarbeit an die Universität zurückgekehrt seien.

Die Anmeldefrist für das Programm "Fördern, Fordern, Forschen" läuft noch bis Freitag, 21. September. Vor dem Start ins Semester gibt es am Donnerstag, 27. September, eine Vorbesprechung für alle Teilnehmer, bei der die künftigen "Studenten auf Probe" erst einmal eine Einführung in das Leben an der Alma Mater bekommen - etwa, wo die Institute sind oder was ein Schein und eine Übung überhaupt sind.

Voraussetzung für die Teilnahme am Schülerprogramm sind nicht nur exzellente Noten in Mathematik, Physik oder Chemie, sondern auch die Genehmigung der Schulleitung. "Aber natürlich werden wir uns im Laufe des Semesters auch selbst ein Urteil bilden", sagt Leschinger. "Sacken die schulischen Leistungen ab, ist das Semester für den Teilnehmer beendet." Mit 16 Wochenstunden im ersten und zweiten Semester - zwei mal vier Stunden Vorlesung und ebenso viele Übungen - sei das Wochenprogramm eines Erstsemesters schon recht anspruchsvoll. Wieviel die Schüler belegen wollen, können und sollen sie selbst entscheiden. "Doch es gibt genug, die das Parallelsemester zur Schule mit links schaffen", weiß Leschinger von seinen Kölner Kollegen: Dort schrieb ein 16-Jähriger die zweitbeste Physikklausur des gesamten Semesters.

Informationen bei Karl Leschinger unter (02 28) 73 37 95 oder unter www.fff.uni-bonn.de. Dort gibt es auch Anmeldeformulare.

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