Uni Bonn Mit leichter Reisekette auf großer Fahrt

BONN · Bei der Eröffnung des Akademischen Jahres am kommenden Montag kommen die Insignien der Universität zu Ehren.

 Die Amtskette des Rektors zeigt das Profil des Uni-Gründers Friedrich Wilhelm III.

Die Amtskette des Rektors zeigt das Profil des Uni-Gründers Friedrich Wilhelm III.

Foto: barbara frommann

Selbstironie ist für die Bonner Universität kein Fremdwort: "Erlebe Trachtenmode mal ganz anders", steht auf einer im Universitätsmuseum erhältlichen Postkarte. Darunter - Samtrot mit reichlich Goldstickerei - ein historischer Radmantel mit passendem Barett, wie ihn der Rektor der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität bei der Eröffnung des Akademischen Jahres am Montag, 20. Oktober, in der Aula des Hauptgebäudes tragen wird. Die "Tracht" als Ausdruck akademischer Würde.

Was die Insignien der Macht betrifft, ist aber noch Luft nach oben: Zu feierlichen Anlässen schmückt sich der Rektor mit einer Amtskette, fast so wie ein Bürgermeister. Nur das Siegel, das dritte Zeichen der Autonomie der Alma Mater als eigener Rechtskreis, bleibt bei der Eröffnung des Akademischen Jahres im Schrank. Die beinahe fürstlich anmutenden Zepter, zwei an der Zahl, lässt der oberste Akademiker die Pedelle vorantragen. Diese früheren Ordnungshüter, heute zumeist von studentischen Hilfskräften verkörpert, sind Relikte aus Mittelalter und früher Neuzeit.

Damals unterstand die Alma Mater nicht den örtlichen Institutionen, sondern verfügte über ihre eigene Gerichtsbarkeit. Die Pedelle waren der Arm des Gesetzes, mit den Zeptern gingen sie auch mal rüde zu Werke, und besonders frevelhafte Studenten landeten im Karzer. Dieses Gefängnis befand sich praktischer Weise gleich über den Behausungen der Ordnungskräfte - und zwar direkt über dem Koblenzer Tor.

Zwei Pedelle, zwei Zepter. Und diese sind viel älter als die Bonner Universität, wie Uniarchivar Thomas Becker erzählt. Mitte des 17. Jahrhunderts wurden die verzierten Stäbe in den Niederlanden für die Universität Duisburg gefertigt. Deren Untergang im Jahre 1818 kam der Bonner Universität gut zupass. "In Duisburg hat man ein bisschen vergessen, dass dies ein ganz ordnungsgemäßer Vorgang war", schmunzelt Becker, der zugleich das Museum der Bonner Universität im westlichen Trakt des Hauptgebäudes leitet. Von einem Diebstahl könne also keine Rede sein, vielmehr habe die Preußische Regierung die Zepter der Bonner Alma Mater ordnungsgemäß verliehen.

Damit war die Universität pünktlich zu ihrer Gründung am 18. Oktober 1818 vom preußischen König Friedrich Wilhelm III. als sechste preußische Universität zumindest mit diesen Insignien ausgestattet. Alles andere verlief schleppend: Erst zehn Jahre nach der Gründung erhielt die "echte preußische Reformuniversität", wie Becker nicht müde wird zu betonen, ihre längst fertiggestellten Statuten.

Was aber weiter fehlte - und das noch für lange Zeit -, war die Amtskette für den Rektor. Auch zum 25-jährigen Bestehen musste der Bonner Rektor immer noch ohne Halsschmuck neben seinen reicher dekorierten Kollegen stehen. Eine Vernachlässigung, die arg am Selbstwertgefühl der Bonner nagte und die Uniarchivar Becker der Abneigung Friedrich Wilhelms III. gegen seine eigene Gründung zuschreibt. Trotz aller nachdrücklichen Bitten der Bonner gab es die Kette erst 1853 - und zwar aus den Händen von Friedrich Wilhelm IV. "Aus Respekt vor dem Vater, vermute ich", sucht der Archivar nach einer Erklärung.

Was lange währt, wird bekanntlich endlich gut. So dass der Rektor der Bonner Universität heute gleich über zwei Ketten mit der Profilansicht des Gründers verfügt. Was wiederum aus einer wechselvollen Geschichte resultiert. Denn in der Kriegseuphorie zu Beginn des Ersten Weltkriegs erwirkte die Uni einen Senatsbeschluss, die Amtskette unter dem Motto "Gold zu Eisen" zugunsten der Kriegskasse einschmelzen zu lassen. Und erlebte eine herbe Enttäuschung: Das vermeintlich wertvolle Stück entpuppte sich als vergoldetes Silber. Bis heute nicht aufzufinden ist der eigens in Essen bei Krupp bestellte Abguss, dafür blieb das Original unversehrt.

Dass selbst Akademiker eine praktische Ader haben, belegt die Reisekette: ein leichteres Replikat des schweren Exemplars. Mit dem geht nicht nur der amtierende Rektor Jürgen Fohrmann auf große Reise. Denn bei offiziellen Besuchen bei Traditionsuniversitäten im Ausland legt der Rektor eben auch sein standesgemäßes Gewand an, um nicht dazustehen wie ein armer Verwandter. "Im angelsächsischen Ausland wird das erwartet", weiß Archivar Becker. Mit Barett und Radmantel ist schnell mal ein Koffer voll, bei der echten Kette die Versicherung in Alarmstimmung.

Ist der Rektor daheim, kann die Reisekette im Uni-Museum am Regina-Pacis-Weg 1 besichtigt werden. Immer dienstags, donnerstags, samstags und sonntags von 11 bis 16.30 Uhr. Und wer Glück hat, der trifft auch Archivar Becker dort an. Mit dem sich prima darüber streiten lässt, ob er weg muss, der Muff unter den Talaren, wie einst von den 68ern gefordert. Oder ob es eben doch Sinn hat, sich wie die Bonner Uni modern und auch traditionell zu präsentieren. "Da muss man schon differenzieren", findet Becker. Und der muss es ja wissen.

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