Mission 2006

Vom Sonnyboy zum eiskalten Sanierer: Jürgen Klinsmann soll den deutschen Fußball auf Erfolgskurs bringen

  Bundestrainer  Jürgen Klinsmann.

Bundestrainer Jürgen Klinsmann.

Foto: dpa

Roman Herzog, der frühere Bundespräsident, hat vor Jahren in einer vielbeachteten Rede einen Ruck in Deutschland gefordert. Was nicht anderes heißen sollte als Mut zu umfassenden Reformen, begleitet von Entscheidungen, die für Alteingesessene an Tabubruch grenzen mögen.

Herzog hat diesen Auftrag an die Adresse der Politik gerichtet. An Jürgen Klinsmann hat er dabei gewiss nicht gedacht. Doch der blonde Schwabe mit Lebensmittelpunkt Kalifornien ist, zumindest was den Fußball hierzulande betrifft, auf einem guten Weg, den angemahnten Ruck konsequent umzusetzen.

Klinsmann macht mit verblüffender Selbstverständlichkeit, was die Politik häufig nur plakatiert: Er reformiert. Er verlegt WMQuartiere, er storniert Länderspielreisen, er stellt Verbandsobere kalt, er nominiert die nicht mehr, von denen man dachte, dass ihre Einsätze in der Nationalmannschaft vertraglich fixiert seien, und er holt Spieler, von deren Existenz bestenfalls Experten eine blasse Ahnung hatten.

Jürgen Klinsmann, seit Ende Juli Bundestrainer, ist in seiner Karriere nie den bequemen Weg gegangen. Hinter der sympathischen Sonnyboy-Fassade steckt ein knallharter Verhandlungspartner. Vielleicht hat Fußball-Deutschland gerade auf einen solchen Mann gewartet. Einer, der das Fenster öffnet und den Mief herauslässt. Dass er sich nach dem Job gedrängt hat, kann man wirklich nicht behaupten. Warum auch?

Alles schien geklärt, nachdem sich der Pulverdampf nach dem blamablen Vorrunden-Aus der deutschen Mannschaft bei der EM in Portugal mit der Demission von Rudi Völler als Höhepunkt verzogen hatte. Ottmar Hitzfeld galt als einziger Nachfolge-Kandidat. Dass er, der den Nationaltrainer-Job als Lebensziel propagiert hatte, abspringen könnte - unmöglich.

Doch Hitzfeld sagte ab - Burnout-Syndrom. Als dann auch noch Otto Rehhagel, der Griechenland sensationell zum EM-Titel geführt hatte, nach kurzer Bedenkzeit abwinkte, steckte der DFB in einer tiefen Krise. Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder, der im Stile eines Sonnenkönigs regiert hatte, bekam den Unmut der Basis zu spüren. Sein Autoritätsverlust gipfelte im Machtverlust. Mit Theo Zwanziger und Mayer-Vorfelder führt heute eine Doppelspitze den Verband.

Und die Trainerfrage? Sie wurde mehr und mehr zur Lachnummer. "Irgendeinen werden wir schon finden", kalauerte Franz Bekkenbauer aus der eigens ins Leben gerufenen Trainerfindungskommission mit Galgenhumor. Der entscheidende Tipp kam schließlich von Berti Vogts. Der einstige Bundestrainer hatte Jürgen Klinsmann beiläufig gefragt und keine so fürchterliche Abneigung gespürt.

Klinsmann ist Optimist von den Strähnen bis in die Sehnen - und das steckt an. Weltmeister werden 2006 im eigenen Land - das ist sein ambitioniertes Ziel. Die ersten Spiele haben Überraschendes zu Tage gefördert. Deutsche können doch ansprechenden und offensiven Fußball spielen, es gibt sogar viel versprechenden Nachwuchs.

Was all die Jahre verschüttet schien, erblickt nun zaghaft das Licht der Öffentlichkeit. Bis 2006 sind es noch eineinhalb Jahre. Vielleicht erleben wir tatsächlich, dass aus dem Reformer Klinsmann ein WM-Regent wird.

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