Mauspiepsen im Jumbojet

Neuartige Technologie aus Troisdorf "hört" frühzeitig Störgeräusche in Maschinen

Troisdorf. Die einen singen beim Duschen, andere entwickeln dabei ihre besten Ideen. Der Troisdorfer Automatisierungstechniker Peter Apel erinnerte sich dabei wieder an die Piezo-Folie. Auf diese Technologie war er auf dem Stand der Europäischen Raumfahrtagentur ESA aufmerksam geworden. Apel hatte eine irdische Anwendung im Sinn: Ein kontinuierliches Überwachungssystem zur sicheren und frühzeitigen Erkennung und Meldung von sich anbahnenden Schäden und Verschleißerscheinungen an Maschinen. Für seine Entwicklung war eigens die Firma OPS Automation AG gegründet worden.

Zu spät erkannte Schäden an Industriemaschinen, Aggregaten, Turbinen, Walzstraßen oder Pumpen, wie sie millionenfach etwa in der petrochemischen Industrie weltweit laufen, können zu Produktionsausfällen mit erheblichen Kosten oder zu großen Personen- und Umweltschäden führen, zum Beispiel durch freigesetzte Chemikalien. Die "vorbeugende Instandhaltung" von Maschinen kostet die Unternehmen zudem jährlich rund 300 Millionen. Apel und seinen Mitarbeitern ist es jetzt nach mehr als zweieinhalbjährigem Tüfteln gelungen, die Sensortechnik aus der Raumfahrt so zu verändern, dass sie in seinem System verbaut und für Schwingungsanalysen eingesetzt werden kann. Die Tests zur Optimierung des Systems liefen zum Teil in Zusammenarbeit mit einer Berliner Firma, die sich aus der Technischen Universität Berlin ausgegründet hatte. "Das ist sozusagen unser verlängerter wissenschaftlicher Arm", sagt Apel. Der neuartige Sensor ist so intelligent, dass er die sich anbahnenden Schäden erkennt, bevor diese auftreten und zum Ausfall einer Maschine führen.

Der kleine, kaum Zigarrettenschachtelgröße erreichende und auf der Maschinenoberfläche sitzende Sensor, eine Art Vibrationsdetektor, misst und bewertet mittels Frequenzanalyse ständig den Körperschall der Maschine. Dieser ändert sich, wenn Defekte wie zum Beispiel das Abbrechen von Pumpenflügeln, Windungskurzschlüsse von Elektromotoren, Lagerschäden oder Durchflussstörungen sich anbahnen. Das System erlernt in höchstens 15 Sekunden einmalig den so genannten "Gutzustand" einer Maschine und führt dann alle weiteren Bewertungen der Vibrationen selbstständig durch. "Die selbstlernende Funktionsweise macht das System so flexibel. Es erlaubt die Anwendungen bei beliebigen Körperschallquellen und in Echtzeit", erläutert Apel. Stichprobenartige Kontrollen oder vorbeugende Wartungen könnten entfallen. Auch qualifiziertes Personal sei nicht erforderlich.

Auch allerfeinste Geräuschänderungen werden "gehört" und erkannt. "Der Sensor könnte selbst das zusätzliche Piepsen einer Maus aus dem Gesamtgeräusch etwa eines Jumbojets heraushören", erläutert Apel die Sensibilität seiner Konstruktion. Selbstverständlich kann er auch einen vorbeifahrenden Gabelstapler von einem sich ankündigenden Defekt an der Maschine unterscheiden. Signale zwischen einem Hertz und 150 Kilohertz können erfasst werden. Zur Aufbereitung der sehr geringen Ladungen der Piezofolie ist in der Sensoreinheit ein Ladungsverstärker sowie die Elektronik zur Anpassung der Verstärkung enthalten. "Durch geringfügige Änderungen in den Prozessschritten dieser Basistechnologie können wir den Sensor an unterschiedliche Formen und Oberflächen und damit verschiedene Anwendungen anpassen", erklärt Apel. Die Folie folgt den Schwingungen der Maschinen. Derzeit sind die Troisdorfer Entwicklungsingenieure dabei, das System ins Internet zu transferieren, so dass man die Maschine von jeder Stelle der Welt aus überwachen kann. Schon jetzt ist es möglich, mehrere Sensoren zu vernetzen und online an eine Leitwarte anzubinden. Weitere Einsatzgebiete für den Sensor sind die Automobilindustrie und die Bahn. Tests als Crash-Sensor sowie zu Schienenüberwachungen sind erfolgreich gelaufen.

So kann man den Verschleiß der Weichen anhand des Schalls erkennen, wenn ein Zug darüber fährt. In der Automobilindustrie soll der Sensor beim Seitenaufprall als Ergänzung zu dem zur Zeit eingesetzten Beschleunigungssensor zusätzlich als Verformungssensor eingesetzt werden. Das ist besonders beim Seitenaufprall zum Beispiel an die Leitplanke wichtig. Häufig löst der Airbag bereits beim Berühren der Leitplanke aus, wo es noch nicht nötig ist, statt dann erst, wenn das Auto über die Leitplanke geflogen und mit der Seite gegen ein Baum geprallt ist. Da ist dann der Airbag oft bereits wieder in sich zusammengefallen. Auch für ein drittes Anwendungsgebiet führt OPS derzeit Gespräche: Die Waschmaschine der Zukunft dürfte nicht mehr nach Zeit, sondern so lange laufen, bis der ganze Schaum des Waschpulvers gebunden ist und so signalisiert, dass die Wäsche sauber ist. Die Schaumerkennung in der Waschmaschine übernimmt ein OPS-Sensor.

Zwar ist OPS auf dem Markt nicht konkurrenzlos, seine Vorteile dürften aber im Preis liegen: Statt 1 000 Mark wird ein OPS-Sensor nur 100 Mark kosten.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort