Forschungszentrum Caesar Jason Kerr betreibt Grundlagenforschung der besonderen Art

BONN · Der Mann im Türrahmen ist freundlich, das dokumentiert sein Begrüßungslächeln, und er ist ein bisschen unkonventionell, das verrät auf Anhieb sein Büro. Der Arbeitsplatz des neuseeländischen Neurophysiologen Jason Kerr, neuer Direktor der Abteilung Organisation des Gehirns und Verhaltens am Forschungszentrum Caesar, könnte auch zu einem Spa gehören.

 "Mich interessiert, wie Tiere ihre Wahrnehmung nutzen": Jason Kerr ist neuer Direktor am Forschungszentrum Caesar.

"Mich interessiert, wie Tiere ihre Wahrnehmung nutzen": Jason Kerr ist neuer Direktor am Forschungszentrum Caesar.

Foto: Volker Lannert

Das voll verglaste Eckzimmer ist sozusagen Teil der Rheinaue, an deren Rand das Forschungszentrum steht. Nur unwesentlich trennt das Fensterglas drinnen von draußen.

Drinnen hat sich der 44-Jährige, der erst vor einigen Wochen vom Tübinger Max-Planck-Institut für Biologische Kybernetik nach Bonn gekommen ist, schon eingerichtet: Die schwarzen, abgewetzten Ledermöbel aus den 1960er Jahren waren nicht teuer, erzählt er, aber sie gefallen ihm. "In schöner Umgebung arbeitet man besser", glaubt der Wissenschaftler.

Eine zweite Überzeugung gibt er an der chromglänzenden Kaffeemaschine einige Zimmer weiter preis: "Wenn man möchte, dass Leute hart arbeiten, muss man ihnen guten Kaffee geben." Seine 15 Mitarbeiter - Biologen, Physiker, Chemiker, Mathematiker und eine Pharmazeutin - trinken ausschließlich Kaffee aus fair gehandelten Bio-Bohnen.

Kerrs erste Eindrücke an seiner neuen Arbeitsstelle: Die Ressourcen bei Caesar sind ausgezeichnet, die Verwaltung arbeitet "super" ("Alles steht und fällt mit der Verwaltung"), in Bonn und Umgebung gibt es "extrem gute Wissenschaftler", die Stadt sei für Neurowissenschaften stark im Kommen. Jason Kerr widmet sich der Grundlagenforschung.

"Mich interessiert vorrangig, wie Tiere ihre Wahrnehmung nutzen, um Entscheidungen zu treffen", erklärt er. Und: "Körper und Geist sind so kompliziert, dass man die Grundlagen kennen muss." Bislang sei die Wissenschaft aber "Meilen davon entfernt", die fundamentalen Prinzipien des Hirns zu kennen.

Kerr liegt daran, das natürliche Verhalten der Tiere zu beobachten. Schon allein deshalb ist es nötig, nicht invasiv vorzugehen, den Tieren also keine Schmerzen zuzufügen. Um das zu erreichen, hat der Forscher zusammen mit seinem Team eine sagenhafte Miniatur angefertigt: Ein Gerät, das sonst 300 Kilogramm wiegt, haben sie auf ein Gewicht von zehn Gramm reduziert. Das Zwei-Photonen-Mikroskop schickt Licht in das Hirn der Versuchsratte, die Forscher können auf diese Weise die einzelnen Nervenzellen sehen, während das Tier aktiv ist.

Gleichzeitig filmen kleine Highspeed-Kameras das, was das Tier sieht, und die Augen des Nagetiers, zum Beispiel während es Anlauf nimmt und über einen Abgrund springt. Das etwas abenteuerlich wirkende Gerät wird per Magnet auf dem Kopf der Ratte befestigt. Es sieht aus "wie ein toller Hut", findet Kerr.

Die Konstruktion erlaubt dem Versuchstier, sich frei zu bewegen und scheint es nicht zu stören: "Unser größtes Problem war anfangs sogar, dass die Ratten einschliefen", berichtet der Wissenschaftler. Die Forscher bauten ihnen daraufhin eine Landschaft mit animierenden Klettergerüsten - und die Nager wurden neugierig und aktiv.

Eine der ersten Erkenntnisse: Ratten bewegen ihre Augen völlig anders als Menschen, sie nutzen sie nicht parallel, sondern jedes ihrer Augen vollführt eigene rotierende Bewegungen, "ähnlich wie beim Krümelmonster aus der Sesamstraße". Die Frage für die Wissenschaftler laute nun unter anderem: Wie halten die Tiere dabei ihre Stabilität?

"Wir wissen nicht, welche Entdeckung in 15, 20 Jahren bedeutsam ist", sagt Jason Kerr. Der beste Weg sei, "die Menschen das forschen zu lassen, was sie am besten können. Die Entdeckung des Big Bang war schließlich auch purer Zufall."

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