Im Netzwerk der Humboldtianer

Enno Aufderheide, seit Juli neuer Generalsekretär der Humboldt-Stiftung in Bad Godesberg, will die Zahl der Stipendien deutlich aufstocken. "Für Deutschland wird es immer schwieriger, herausragende Köpfe zu gewinnen", sagt der 52-Jährige.

Im Netzwerk der Humboldtianer
Foto: Franz Fischer

Bonn. Die Fenster sind weit geöffnet. Aus dem kleinen Park hinter der Geschäftsstelle dringen Vogelgesänge herauf. Das freut Enno Aufderheide. Der neue Generalsekretär der Humboldt-Stiftung in Bad Godesberg ist begeisterter Hobbyornithologe. Aus Zeitgründen kommt er aber nur noch im Urlaub dazu, Vögel zu beobachten.

"Statt mit ökologischen Netzwerken der Vogelwelt befasse ich mich nun mit den Netzwerken der Humboldtianer", sagt Aufderheide. Als Manager arbeitete der Biologe für viele Wissenschaftsorganisationen, zuletzt bei der Max-Planck-Gesellschaft in München.

Die Humboldt-Stiftung fördert den Austausch von Wissenschaftlern aus aller Welt und den Aufbau internationaler Netzwerke. Er habe keine Sekunde gezögert, sagt Aufderheide und lächelt. "Das Amt des Generalsekretärs bei der Humboldt-Stiftung ist eines der schönsten Ämter, die die deutsche Wissenschaftslandschaft zu vergeben hat." Anfang Juli startete Aufderheide bei der Stiftung.

Auf die Frage, wie sein erster Tag verlaufen sei, muss er lachen. "Ich stand vor verschlossenen Türen, weil ich so früh gekommen war, dass die Pforte noch nicht besetzt war", schmunzelt der Generalsekretär. Das war um kurz vor acht Uhr. Ein Mitarbeiter habe ihn dann hineingelassen. "An meinem ersten Tag nahm ich außerdem gleich an einer Sitzung der Auswahlkommission teil", berichtet der neue Generalsekretär. "Dabei konnte ich hautnah erleben, mit wie viel Herzblut und Kompetenz die Gutachter die Stipendiatinnen und Stipendiaten auswählen."

Top-Forscher nach Deutschland zu holen, ist kein einfaches Geschäft: Nordamerika, Asien und Europa versuchen, in der Wissenschaft die Nase vorn zu haben. "Für Deutschland wird es immer schwieriger, herausragende Köpfe zu gewinnen", sagt Aufderheide. "Das geht nur, wenn Europa insgesamt als attraktiv für Top-Forscher wahrgenommen wird."

Die Schweiz und andere Länder greifen für ihre Stipendien tiefer in die Taschen als Deutschland. "Die Stipendien der Humboldt-Stiftung sind hinsichtlich ihrer Dotierung nicht mehr konkurrenzfähig", so der Generalsekretär. "Wir müssten sie um mindestens ein Drittel anheben, um wenigstens in die Nähe der ETH Zürich zu kommen." Ein Humboldt-Stipendiat bekomme etwa 2 300 Euro monatlich. Die ETH zahle dagegen etwa 3 000 bis 4 500 Euro.

"Die Stipendiaten wissen, dass sich die Reputation eines Humboldt-Stipendiums hinterher unglaublich auszahlt", sagt Aufderheide. Trotzdem dürfe der Abstand nicht zu groß werden. Wegen der angespannten Haushaltslage sei es sehr schwierig, mehr Mittel zu bekommen, sagt er. "Deshalb müssen wir notfalls die Zahl der Stipendien reduzieren, um aufstocken zu können."

Zur Person Enno Aufderheide, geboren am 25. März 1958 in Bochum, studierte Biologie, unter anderem in Bonn. Nach der Promotion arbeitete er beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Wissenschaftsrat, bei der Helmholtz-Gemeinschaft und Max-Planck-Gesellschaft. Seit 1. Juli ist er Generalsekretär der Humboldt-Stiftung. Sein Vorgänger Georg Schütte wurde Staatssekretär im Bundesforschungsministerium. Aufderheide ist verheiratet und hat drei Töchter.Mit den großzügig dotierten Humboldt-Professuren will die Stiftung bei den Forschungsmitteln zur Weltspitze aufschließen. Jedes Jahr werden zehn Top-Wissenschaftler ausgewählt, die mit je bis zu fünf Millionen Euro in den nächsten fünf Jahren in Deutschland forschen können. "Die Humboldt-Professuren versetzen die Universitäten in die Lage, absolute Top-Stars nach Deutschland zu holen", sagt Aufderheide. Der Anteil ausländischer Forscher in diesem Förderprogramm habe sich auf etwa die Hälfte erhöht.Aber: "Das Potenzial der Internationalisierung hat Deutschland bei Weitem noch nicht ausgeschöpft", sagt Aufderheide. Nur sechs Prozent der deutschen Professorinnen und Professoren kämen aus dem Ausland. Ein Drittel davon stamme aus dem deutschsprachigen Raum. "Wichtig ist deshalb, offener zu werden - etwa zu erlauben, dass Wissenschaftler aus dem Ausland anfangs auf Englisch lehren."

Das deutsche Wissenschaftssystem habe durch die Exzellenzinitiative deutlich an Reputation gewonnen. "Diese Erwartungen müssen nun aber auch durch exzellente Projekte der Universitäten eingelöst werden." Wichtig sei, dass das kreative Potenzial in der Forschung bleibe und nicht zu viel davon für das Schreiben immer neuer Anträge abgezogen werde. "Ich bin aber optimistisch, dass es hier zu einer Balance kommt", sagt der Generalsekretär.

Aufderheide, der Bonn durch frühere Tätigkeiten und aus seiner Studienzeit kennt, kam gerne von der Isar an den Rhein zurück. "Es lebt sich hier sehr gut", sagt er. Die Wissenschaftsregion Bonn habe sich sehr gut entwickelt. "Ich genieße es, wieder hier zu sein, wo so viele Forschungsorganisationen zusammen sind", freut sich der Generalsekretär. "Die kurzen Wege sind enorm hilfreich."

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