Hyänen können möglicherweise wie Katzen schnurren

Gustav Peters hört, sortiert und archiviert Tierlaute in einem Speziallabor des Museum Koenig

Bonn. Nicht alles in einem Museum muss totes Material und stumm sein. Auch Vögelgezwitscher und Katzengeschnurre, Pandagemeckere oder Heuschreckenzirperei gehören zu den ganz gewöhnlichen Geräuschen im Haus an der Adenauerallee. Dann jedenfalls, wenn Gustav Peters forscht. Der Wissenschaftler am Zoologischen Forschungsinstitut und Museum Alexander Koenig betreut dort das so genannte Lautlabor. Der Herr über viele 1 000 Tierstimmen hört, sortiert, archiviert. Hörenswertes stapelt sich im Lautarchiv auf Kassetten. Wissenschaftliches Belegmaterial, das zur Ausbildung von Biologie-Studenten der Universität Bonn dient, aber auch Forschungszwecken.

"Der technische Fortschritt im Bereich der Lautaufzeichnung und besonders der digitalen Lautanalyse ermöglicht, dass Lautäußerungen als Merkmale von Tieren heute mit einer Genauigkeit und Objektivität - eben als Schallereignisse anhand ihrer physikalischer Strukturmerkmale - erfasst und beschrieben werden können, wie dies für nur für wenige andere Merkmalskomplexe bei Lebewesen möglich ist", sagt Peters. Die Ergebnisse und Erkenntnisse verblüffen. Nicht nur Laien.

Wer weiß schon, dass möglicherweise auch Hyänen schnurren können, eine Lautäußerung, die sonst nur Katzen von sich geben und die in Perfektion durch regelmäßige und ununterbrochene Lauterzeugung beim Ein- und Ausatmen entsteht. Die Frage, welche Tiere außer Katzen noch schnurren, steht derzeit im Mittelpunkt von Peters'''' Untersuchungen. Eindeutig belegen konnte er das bisher nur bei den Schleich- oder Ginsterkatzen, die zwar umgangssprachlich Katzen heißen, aber zoologisch eine eigene Familie bilden, die mit den Mungos, den Hyänen und den Katzen verwandt ist.

Die bei einigen Affenarten und Lemuren festgestellten, dem Schnurren ähnlichen Lautäußerungen sind bisher als solches allerdings noch nicht sicher identifiziert. Ein anderes Kapitel sind für Tierstimmenforscher Laute, die im Laufe der Entwicklung vom jungen zum erwachsenen Tier einen Funktionswandel durchlaufen. Beispiel Katzen: Jungtiere schnurren, wenn sie bei der Mutter am Gesäuge liegen, erwachsene Katzen hingegen, wenn sie sich - im freundlichen Nahkontakt - gegenseitig das Fell pflegen. Bei bestimmten Vögeln, so zeigen andere Untersuchungen, mutiert der jugendliche Bettellaut später zum Balzlaut beim erwachsenen Männchen. Dem Wissenschaftler stellt sich nun die Frage, ob Vogelmännchen sich gewissermaßen klein machen wollen, wenn sie ein Weibchen anbalzen. Jede Menge Arbeit also für Peters.

Auch der Komplex des Gesanglernens bei Vögeln und das Ausfindigmachen der dafür sensiblen Phasen im Aufwachsen der Tiere ist Aufgabe der Bioakustiker. Dabei haben sie unter anderem herausgefunden, dass es Vögel wie zum Beispiel den Buchfinken oder die Nachtigall gibt, die ihren Gesang zu einem Zeitpunkt lernen, wo sie selber noch gar nicht singen können. Lautanalysen können ferner darüber informieren, ob und wie weit akustische Lebensäußerungen an den Lebensraum und seine Bedingungen einer Tierart angepasst sind. Eine Froschart, die in schnell fließenden rauschenden Bächen lebt, ruft anders als eine, die sich aus einem Erdloch heraus Gehör verschafft.

"Bei der Bestimmung neuer Tierarten, wie jüngst der Entdeckung neuer Froscharten durch Wissenschaftler des Museum Koenig, sind heute oft zuerst deren Lautäußerungen für eine genaue Unterscheidung ausschlaggebend, weil die Tiere vom Aussehen und den körperliche Merkmalen her einander so ähnlich sind", sagt Peters.

Lautspektrogramme, mit denen alle physikalischen Kennzeichen eines Lautes präzise erkannt und analysiert werden können, sind das zentrale Instrument für solche Studien. Diese graphischen Darstellungen, die den Zeitverlauf, die Frequenzzusammensetzung und die relative Intensitätsverteilung eines Schallereignisses wiedergeben, werden von Lautspektrographen erstellt. Eine solche Apparatur zur Lautanalyse stellt das Herzstück des Lautlabors dar, das neben einem hallarmen Aufnahmestudio über alle einschlägigen Geräte zum Aufzeichnen von Lauten und Abspielen unterschiedlichster Tonträger wie Tonband, CD-Player, DAT (Digital Audio Tape)-Recorder, Kassettendeck und PC verfügt.

Große Teile dieses im Keller des Museums von Peters gehüteten Schatzes sind ungehoben. Denn um seinen Reichtum voll entfalten zu können, müsste er digital erfasst, geordnet und katalogisiert werden. Deshalb kann Peters auch nicht genau angeben, wie viele Tierstimmen im Museum tatsächlich "lagern". "Bei den Vögeln sind es bestimmt Laute von rund 2 000 Arten", schätzt er. Den ganzen Bestand durchzuarbeiten und zu ordnen würde Jahre dauern. Irgendwann will er das aber geschafft haben. Daraus könnte dann auch eine gewisse Bestandssicherheit für das Lautarchiv entstehen, die bisher nicht institutionell verankert ist. Das Ganze steht und fällt bis heute mit der Person Peters.

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