Gewächse mit hilfreichen und dämonischen Kräften

Im Nutzpflanzengarten der Universität Bonn blühen und gedeihen auf rund 120 Quadratmetern Hexen- und Zauberpflanzen

  Kräuterhexe:  Die Heilwirkung und die zerstörerischen Kräfte der Pflanzen waren schon früh bekannt, beides führte auch zur Dämonisierung der Kräuterkundigen.

Kräuterhexe: Die Heilwirkung und die zerstörerischen Kräfte der Pflanzen waren schon früh bekannt, beides führte auch zur Dämonisierung der Kräuterkundigen.

Foto: dpa

Bonn. Der Name hat es in sich: "Atropa belladonna", zu Deutsch die Tollkirsche, wird zur Familie der Nachtschattengewächse gezählt. Grund genug also, diese Pflanze mit Vorsicht zu genießen, denn vor ihren Gebrauch warnte um 1170 schon Hildegard von Bingen. Der Verzehr der Tollkirsche zerrütte den Geist, und überall wo sie wachse, müssten wahrhaft teuflische Kräfte im Spiel sein.

Gehörte sie im Mittelalter neben Bilsenkraut und Alraune zu den verrufendsten Gewächsen und den unentbehrlichen Bestandteilen der "Hexensalben", so hatten sich die Damen die Giftstoffe der "Belladonna" schon in der Antike zu Nutze gemacht, um die Pupillen zu weiten und so den gewissen magischen Glanz in ihre Augen zu zaubern.

Den Gerüchten und Geheimnissen, die sie seit Jahrhunderten umgeben, verdankt die Tollkirsche nun auch ihren festen Platz im neuen Hexen- und Zauberpflanzengarten der Botanischen Gärten Bonn.

Dass die Pharmazie zum größten Teil auf hoch entwickelten pflanzlichen Inhaltsstoffen beruht, ist eine Sache. Eine ganz andere dagegen ist der Boom, den der zurzeit wohl berühmteste Zauberlehrling der Welt namens Harry Potter ausgelöst und der zum ausgeprägten Interesse an allem geführt hat, was irgendwie mit Magie zu tun hat.

Sonderführungen der Botanischen Gärten zu diesem Thema sind regelmäßig ausgebucht, wie der Direktor der Botanischen Gärten, Professor Wilhelm Barthlott, erzählt.

Umgeben von einem hellen Zaun gedeihen dort auf einer Fläche von 15 mal acht Metern insgesamt 36 unterschiedliche Pflanzen vom berauschenden Stechapfel bis zum Liebe stiftenden Frauenmantel. "Bei all diesen Arten entscheidet die Dosis über Nutzen oder Schaden", fügt Custos Wolfram Lobin hinzu.

So habe auch die Tollkirsche als harntreibendes Mittel durchaus ihre guten Seiten. "Dass Pflanzen, die ja schließlich weder weglaufen noch zubeißen können, durch ihre Natur dazu gezwungen wurden, sich raffinierterer Mittel zum Schutz gegen Feinde zu bedienen, klingt zuerst recht simpel", erläutert Barthlott. Doch in beinahe jeder Pflanze stecke eine kleine Chemiefabrik. Wobei natürlich vor allem die toxischen und halluzinogenen Stoffe in Stengeln, Blüten und Früchten den Menschen seit jeher fasziniert haben.

Der Versuch, sich ihrer zu bedienen, wurde für manche allerdings zu einer äußerst gefährlichen Leidenschaft. So gerieten vor allem heilkundige Frauen im Mittelalter und der frühen Neuzeit bei ihren Zeitgenossen schnell in Verruf, mit Satan im Bunde zu sein.

Welche Gewächse einem zum Verhängnis werden und unter Umständen sogar auf den Scheiterhaufen führen konnten, stand zur Zeit des 30-jährigen Krieges schon im so genannten "Hexenhammer" von Heinrich Cramer geschrieben.

Dieser Schrift, für Lobin "eines der düstersten Werke der Literaturgeschichte", setzte der Dichter und Lehrer eines Kölner Jesuitengymnasiums, Friedrich Spee von Langenfeld seine "Cautio Criminalis - rechtliche Bedenken gegen die Hexenprozesse" entgegen.

Dennoch hat es Hexenverbrennungen in Deutschland zum Teil noch bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts gegeben.

Ganz oben auf der Liste der Inquisition stand die "Alraune", die mitunter auch als "Galgenmännlein" bezeichnet wurde. Tatsächlich besitzt das unterirdische Gewebe dieser aus dem Mittelmeerraum stammenden Pflanze auf den ersten Blick gewisse Ähnlichkeiten mit einem menschlichen Körper. Vor allem aber handle es sich bei der Alraune um ein mit außerordentlich dämonischen Kräften ausgestattetes Zwitterwesen (Hommunkulus), das direkt aus den zu Boden getropften Samen eines Erhängten gewachsen sei.

Zu finden sei "Mandroga officinarum" bevorzugt unter Galgen und an Hinrichtungsplätzen. Hüten müsse man sich allerdings vor dem Schrei, den sie ausstoße, wenn sie aus dem Boden gezogen werde. Wer diesen Schrei höre, sei des Todes, hieß es.

Wer beim Sammeln der Pflanze von missgünstigen Nachbarn beobachtet und der kirchlichen Obrigkeit gemeldet wurde, allerdings auch. Und in diesem Fall musste schließlich kein Dämon zur Erklärung bemüht werden.

Für die Mitarbeiter und die Besucher der Botanischen Gärten sind diese zum Teil finsteren Zeiten zum Glück längst Geschichte. Ihr Interesse bezieht sich inzwischen vielmehr auf die gesundheitsfördernden Kräfte der in der Heilkunde eingesetzten Arzneipflanzen.

Auch wenn mancher Aberglaube die rundum aufgeklärten Menschen im 21. Jahrhundert noch immer fasziniert. Und das war schon so, lange bevor sich die Tore nach Hogwarts geöffnet haben.

Führungen durch den Hexengarten finden am Sonntag, 13. Juni, ab 11 und ab 15 Uhr bei einem Rundgang durch den Nutzpflanzengarten am Katzenburgweg statt. Eintritt: drei Euro, ermäßigt zwei Euro.

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