Gesundheit aus dem Internet

Angesichts der Fülle an medizinischen Themen im Netz wird Qualitätssicherung immer wichtiger

Bonn. Der Patient wird mündiger - dank des Internets. Fachleute sprechen bereits von der "Stärkung der Souveränität des Patienten". Die zunehmende Zahl der Seitenaufrufe scheint ihnen recht zu geben. Immer mehr Menschen informieren sich bei Online-Gesundheitsdiensten aus der geballten Datenflut, viele auch zur Vorbereitung auf einen Arztbesuch.

Auf mehr als 15 Millionen Websites mit medizinischen Informationen - 750 000 davon in deutscher Sprache - können Patienten derzeit zugreifen. Gesundheit und Medizin gehören damit zu den häufigsten Themen im Internet. Wie bewerten nun die Ärzteschaft, das Bundesgesundheitsministerium oder Verbraucherschützer diese Angebote? Niemand sei gegen diese neue medizinische Information, hieß es auf der Wissenschafts-Pressekonferenz. "Jedenfalls prinzipiell nicht."

Doch die Mediziner befürchten Scharlatanerie und Datenmüll aus dem weltweiten Netz. Ihrer Meinung nach wird der Mausklick auch künftig den Arztbesuch nicht ersetzen können: "Die Tendenz, in das Behandlungsgeschehen und die Krankenkarriere einzugreifen, halten wir für bedenklich", sagt Ottmar Kloiber von der Bundesärztekammer in Köln. Doch angesichts knapper Kassen im Gesundheitssystem hoffen einige Fachleute auf Einspareffekte durch medizinische Internet-Inhalte. Sie böten zum Beispiel die Möglichkeit, chronisch Kranke zu schulen und zu begleiten, meint Edwin Smigielski vom Bonner Bundesgesundheitsministerium. Elektrokardiogramme von Infarktpatienten könnten dann sogar zu Hause abgenommen werden, führt Smigielski als Beispiel an. Der Kardiologe des Internet-Dienstes prüfe dann am Bildschirm, ob die Werte in Ordnung seien. Letztlich ließen sich dadurch auch die Kosten senken.

Für möglichst umfassende Aufklärung der Erkrankten plädieren die Verbraucherschützer. "Jeder Informationsgewinn für den Patienten ist zunächst rundweg zu begrüßen", sagt Wolfgang Schuldzinski von der nordrhein-westfälischen Verbraucherzentrale.

Doch nicht alle Menschen und Bevölkerungsgruppen haben Zugang zum Internet. So besteht laut Schuldzinski die Gefahr, dass die Schere von Wissenden und Unwissenden weiter auseinander klafft. Aber nicht nur fehlende Internet-Anschlüsse sind ein Problem. Wer einen Zugang hat, steht vor dem nächsten: Wie lässt sich in der Fülle der Angebote die Spreu vom Weizen trennen? "Orientierungskriterien sind unerlässlich", betont deshalb Schuldzinski. Die Verbraucherzentrale hat Tipps zur Bewertung von Gesundheitsinformationen im Internet erarbeitet.

Auch die AOK Rheinland bemüht sich um mehr Transparenz im Datendschungel. Die Krankenkasse hat ein Ranking mit den besten Internetangeboten zum Thema Gesundheit vorgelegt: Tageszeitungs- und Online-Redakteure haben medizinische Web-Portale unter die Lupe genommen und die elf besten Internetangebote zum Thema Gesundheit ausgewählt. Im Auftrag der Zeitschrift "Capital" hat die Hamburger Unternehmensberatung Mummert und Partner deutschsprachige Gesundheitsdienste für Laien im Internet geprüft. Allerdings gibt es nach wie vor kein Qualitätssiegel für medizinische Infoseiten.

Doch der Informationsdienstleister "adat@med" mit Sitz in Bonn und Langen bei Frankfurt/Main hat eine detaillierte Checkliste zur Qualitätsbewertung medizinischer Information und deren Darstellung im Internet entwickelt. Berücksichtigt werden neben der fachlichen Kompetenz des Anbieters auch die Darstellung und Navigation auf den Seiten. Rainer Schalnus von adat@med hält statt eines Qualitätssiegels eine Selbstverpflichtung für den besseren Weg. Durch gegenseitige Kontrolle sollen die Anbieter selbst schwarze Schafe ächten und mit einer Prämierung der besten Internet-Seiten Anreize für hohe Qualität schaffen.

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