Bonner Forschungszentrum "Caesar" Fruchtbarkeit auf Knopfdruck

BONN · Im Gehirn oder im Computer funktioniert die Methode schon lange: Eine winzige Energieportion genau an die richtige Stelle schicken - die Nervenzelle oder der Schaltkreis reagiert - fertig. Leider ist das nicht immer so einfach.

 Schlappe Spermien kommen per Lichtblitz wieder in Schwung: Die bunten Linien zeigen die Schwänzelbewegungen einer Maus-Samenzelle vor (links) und nach Aktivierung der lichtempfindlichen Substanz "bPAC". Der weiße Balken jeweils rechts unten ist 30 Tausendstel Millimeter lang. FOTO: CAESAR

Schlappe Spermien kommen per Lichtblitz wieder in Schwung: Die bunten Linien zeigen die Schwänzelbewegungen einer Maus-Samenzelle vor (links) und nach Aktivierung der lichtempfindlichen Substanz "bPAC". Der weiße Balken jeweils rechts unten ist 30 Tausendstel Millimeter lang. FOTO: CAESAR

Wenn die Wissenschaft untersucht, wie chemische Funktionen in den Körperzellen ablaufen (etwa, um Krankheiten zu bekämpfen), muss sie oft zu wenig subtilen Methoden wie dem Skalpell oder radioaktiven Strahlen greifen, zum Lasermesser oder zur chemischen Keule - oder die zu beobachtenden Zellen zuvor herausoperieren und auseinandernehmen, was die Untersuchungsergebnisse verfälschen kann.

Die junge Wissenschaft der "Optogenetik" setzt bei diesem Problem an: Sie verbindet Biochemie und Physik, indem sie Substanzen sucht, die sich mit geringstmöglichem Aufwand "einschalten" und "abschalten" lassen - nämlich durch kurze Lichtimpulse. Experten vom Bonner Forschungszentrum "Caesar" haben dabei jetzt einen Erfolg erzielt: Im Maus-Tierversuch ist es ihnen gelungen, die Bewegungs- und Befruchtungsfähigkeit von Spermien mittels Lichtblitz zu aktivieren.

Eine wichtige Rolle bei den Experimenten spielt der Botenstoff "cAMP", das "zyklische Adenosin-Mono-Phosphat", eine Art Alleskönner der Biochemie. Herzschlag, Geruchssinn, Lernen und Gedächtnis: cAMP mischt (fast) überall mit. Der Körper stellt es mit Hilfe von "Adenylat-Zyklasen" her: Fehlen sie in den Zellen, fehlt auch cAMP - und (fast) nichts funktioniert mehr. Optogenetik-Experten haben in den letzten Jahren einige solcher Stoffe entdeckt, die sich durch Licht "anknipsen" lassen. In der Fachsprache heißen sie "PAC's": photo-aktivierbare Adenylat-Zyklasen.

Hier schlug die Stunde der Bonner Experten: Die Caesar-Forscher Benjamin Kaupp und Dagmar Wachten untersuchten gentechnisch veränderte Mäuse, deren Spermien sozusagen "ab Werk" kein cAMP herstellen: Weil es fehlt, können diese Genmaus-Spermien nicht schwimmen und keine Eizellen befruchten. Mit Gentechnik-Methoden schleusten die Forscher den Mäusen jetzt "bPAC" ein, eine spezielle lichtaktivierbare PAC aus Bodenbakterien. Der Rest war dann logisch: Die Zellen mit Licht bestrahlen - bPAC wird aktiv - cAMP wird aktiv - die Spermien auch. Und Tatsache: Nach Stimulation mit blauem Licht begannen die Spermien wieder zu schwimmen und konnten Eizellen befruchten.

Das Bonner Experiment dient nicht dazu, neuen Schwung in die Schlafzimmer und -nester von Mäusen und Menschen zu bringen. Zunächst ist das alles noch Grundlagenforschung: Wenn sich Zellsubstanzen und -funktionen einfach per Lichtblitz einschalten lassen, können die Forscher in Zukunft genauer beobachten, wie die biochemischen Kettenreaktionen ablaufen, die Mäuse- und Menschenkörper steuern. Ein weiterer Vorteil ist dabei: Lichtblitze lassen sich zielgenau absetzen, dauern nur Millisekunden und haben kaum Nebenwirkungen.

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