Forschungsschwerpunkt Bioinformatik gefährdet

Leiter der GMD-Forschungsgruppe hat einen Ruf nach Saarbrücken erhalten

Sankt Augustin. (mre) Der wissenschaftlich wie wirtschaftlich erfolgreiche Bereich der Bioinformatik beim GMD-Forschungszentrum Informationstechnik GmbH am Standort Sankt Augustin ist gefährdet. Der Leiter der rund 25-köpfigen Forschungsgruppe, Professor Thomas Lengauer, hat einen Ruf an das Max-Planck-Institut für Informatik in Saarbrücken erhalten, sein Mitarbeiter Dr. Ralf Zimmer das Angebot einer C4-Professur an der Ludwig-Maximilians Universität München.

Der Ruf in den Olymp der Wissenschaften ist verlockend. Wer die Bioinformatik in Bonn halten will, wer Lengauers Abwanderung nach Saarbrücken verhindern will und damit ein Auseinanderbrechen seiner Forschungsgruppe, muss Bleibeverhandlungen führen - nicht zuletzt auch im Interesse des Wissenschaftsstandortes Bonn. Von Anbeginn der Diskussion über die Fusion der GMD mit der Fraunhofer-Gesellschaft (FhG) hat der Bioinformatiker Lengauer kein Hehl daraus gemacht, dass - um die Effektivität und Exzellenz seines Forschungsbereiches zu halten - er von seiner bewährten Forschungskonzeption nicht abgehen könne, die allerdings vom klassischen Fraunhofer-Modell abweicht. Trotzdem glaubt er, dass eine Basis für konstruktive Überlegungen bestehe und damit auch eine Chance für erfolgreiche Bleibeverhandlungen. Er habe gegenüber den Verhandlungspartnern, neben der GMD und der FhG gehören dazu auch der Bund, das Land Nordrhein-Westfalen und die Universität Bonn - hier hat Lengauer einen Lehrstuhl für Informatik inne - bereits im Sommer vergangenen Jahres ein, wie er sagt, "solides und tragfähiges" Konzept für ein Bioinformatik-Institut in Bonn vorgelegt mit einem klaren Forschungs-, Ausbildungs- und Vermarktungsaspekt. Darüber müsse jetzt erst einmal gesprochen werden.

Aus der GMD verlautet, dass man der Bioinformatik beim GMD-Vorstand hohe Priorität einräume und das Gespräch mit dem Land NRW und dem Bund suche. Parallel dazu nimmt gegenwärtig die beschlossene Fusion zwischen GMD und FhG juristisch Gestalt an. Der Kaufvertrag werde derzeit zwischen den Gesellschaftern der GMD - neben dem Bund sind dies die Länder NRW, Hessen und Berlin - verhandelt, mit einem Abschluss müsse in Kürze gerechnet werden, so der Leiter des GMD-Vorstandsbüros Johannes Linden. Einzelheiten für die Integration der GMD in die FhG lägen allerdings zur Zeit noch nicht auf dem Tisch. Insbesondere müsse noch intensiv über die geplante Hochschulanbindung der GMD-Institute gesprochen werden. Und da sind die Länder als Träger der Universitäten im Boot.

Denn anders als bei vielen Fraunhofer-Instituten üblich, verfügen die Leiter der GMD-Institute an ihren Universitätslehrstühlen nicht über eine Ausstattung für die dringend erforderliche Grundlagenforschung. Die wird an den GMD-Instituten selbst durchgeführt und ist nicht an zugehörige Universitätslehrstühle ausgelagert. "In der völlig anwendungsorientierten FhG wird das nach allem, was wir erkennen können, so nicht weiter gehen. Die Pipeline von den Grundlagen zur Anwendungsforschung darf aber auf keinen Fall durchtrennt werden." sagt Linden. Die Sicherung der Kapazitäten für die Grundlagenforschung war einer der Hauptstreitpunkte in der Debatte um die Fusion von FhG und GMD (der GA berichtete).

Aber auch über die zukünftigen Aufgaben der GMD-Verwaltung in Birlinghoven bestehe zur Zeit noch keine Klarheit. Gefährdet scheint auch die angekündigte IuK-Akademie. Grundlage für die derzeit laufenden Gespräche seien weiterhin die Empfehlungen der Moderatoren Tom Sommerlatte von der Unternehmensberatung Arthur D. Little und Professor Arnold Picot von der Universität München, die im vorigen Jahr mit der Ausarbeitung eines Fusionskonzeptes beauftragt worden waren. Im Moment könne nur abgewartet werden, welche dieser Empfehlungen und in welchem Zeitraum sie umgesetzt werden. "Es ist verständlich, dass sich unsere Gremien und die Belegschaft darüber Sorgen machen. Und bei unseren leitenden Wissenschaftlern verstärken sich leider die Abwanderungspläne", so Linden. beobachter befürchten daher ein "Ausbluten" der GMD.

Positiv sei allerdings, dass das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) zur Förderung von Kooperationen zwischen FhG und GMD eine zusätzliche Projektförderung im mehrstelligen Millionenbereich für die nächsten drei Jahre auf den Tisch gelegt hat. Im Moment arbeite man gemeinsam mit der FhG an neuen Projektvorschlägen. Die ersten Projekte könnten dann im Mai starten.

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