Multiple Sklerose Forscher finden neue Hoffnung für MS-Kranke

BONN · Forscher entdecken Signalweg, der Reparatur geschädigter Hirnzellen einleitet Forscher der Universität haben einen neuen Ansatz im Kampf gegen die Multiple Sklerose (MS) entdeckt. Zusammen mit Kollegen aus den USA und Belgien konnten sie einen Signalweg aufklären, der die Reparatur geschädigter Nervenzellen im Gehirn einleitet, teilte die Uni-Pressestelle mit.

 Das Bild zeigt Oligodendrozyten, die Nervenzellen isolieren können.

Das Bild zeigt Oligodendrozyten, die Nervenzellen isolieren können.

Foto: HAIBO WANG & RICHARD LU

Die Ergebnisse könnten neue Behandlungsstrategien ermöglichen. Bis möglicherweise Patienten davon profitieren, werden aber noch Jahre vergehen, betonen die Wissenschaftler.

Nervenzellen kommunizieren über elektrische Signale, die sie über Fortsätze an die Nachbarzellen weiter geben. Damit das funktioniert, müssen diese Fortsätze gegenüber ihrer Umgebung isoliert sein. Sonst kommt es zu Kurzschlüssen, und die Signalweiterleitung wird verzögert oder unterbrochen. Die Fortsätze gesunder Nervenzellen sind daher von einer isolierenden Schicht aus Fett und Proteinen umgeben, dem Myelin. Bei der Multiplen Sklerose greift das Immunsystem diese Myelin-Schicht an. Folge sind Lähmungserscheinungen. Viele Betroffene enden im Rollstuhl.

Bisher versucht die Medizin, die Attacke des Immunsystems zu unterbinden. Das funktioniert nur zum Teil. Die neue Forschungsarbeit öffnet nun möglicherweise die Tür zur Behandlungsalternative: Die Wissenschaftler haben einen Weg entdeckt, über den sich geschädigte Hirnzellen eventuell reparieren lassen.

Im Zentrum stehen die Oligodendrocyten, Hirnzellen. Sie produzieren eine Art körpereigenes Isolierband. Damit umwickeln sie während der Hirnreifung in der Embryonalphase die Nervenzell-Fortsätze. Normalerweise hält diese Isolierung ein Leben lang. Sollte es doch zu kleineren Schäden kommen, treten die Oligodendrozyten wieder in Aktion.

Bei einem MS-Schub verlieren viele Nervenzellen im Gehirn ihre Isolierung. Der natürliche Reparaturmechanismus reicht nicht aus, um diesen Flächenbrand zu löschen. Dazu bräuchte es eine Art Alarmknopf, mit dem sich die Isolierband-Produktion schlagartig beschleunigen lässt. Die Wissenschaftler haben nun augenscheinlich einen solchen Knopf gefunden - einen Rezeptor mit dem prosaischen Namen GPR17.

In der MS-Forschung wird schon länger vermutet, dass GPR17 bei der Erkrankung eine wichtige Rolle spielt - welche genau, darüber herrschte bislang Streit: Einige Arbeitsgruppen vertraten die These, dass GPR17 die Myelin-Produktion ankurbelt. Andere waren der gegenteiligen Ansicht.

"Wir haben nun erstmals eine Substanz gefunden, die den GPR17-Rezeptor spezifisch aktiviert", erläutert Professor Evi Kostenis vom Institut für Pharmazeutische Biologie der Uni Bonn. "So konnten wir die Rolle des Rezeptors im Myelin-Stoffwechsel zweifelsfrei klären." Die Aktivierung von GPR17 verhindert demnach, dass die Oligodendrocyten heranreifen. Sie können dann ihre Funktion als "Isolierband"-Spender nicht erfüllen.

Dann gelang es den Forschern, einen Hemmstoff für GPR17 zu identifizieren - eine Substanz namens Pranlukast. Sie blockiert den Rezeptor und kurbelt die Reifung der Oligodendrocyten an. Kostenis: "Pranlukast wird schon als Medikament gegen Allergiekrankheiten eingesetzt." Zur Behandlung von MS ist Pranlukast nicht geeignet, da es die Blut-Hirn-Schranke nicht durchdringt. Die Bonner Wissenschaftler suchen jetzt nach Alternativen. "Bis es soweit ist, werden noch Jahre vergehen", betont Evi Kostenis. "Dennoch ist das ein Ansatz, von dem wir uns viel versprechen."

Das Forschungsprojekt wurde durch das Neuroallianz-Konsortium gefördert, das sich der Entwicklung von Diagnose- und Therapieverfahren zur Bekämpfung neurodegenerativer Erkrankungen verschrieben hat.

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