Forscher des Fraunhofer-Instituts SCAI lassen Datenberge auf ein Zehntel schrumpfen

Dafür erhielten sie renommierten Joseph-von-Fraunhofer-Preis - Große Daten ganz klein

Forscher des Fraunhofer-Instituts SCAI lassen Datenberge auf ein Zehntel schrumpfen
Foto: Fraunhofer

Birlinghoven. Die Zeiten sind vorbei, wo beinahe täglich bei den Automobilentwicklern ein Fahrzeug krachend gegend ein Hindernis fuhr und anschließend nur noch schrottreif war. Die Crash-Tests finden mittlerweile fast ausschließlich im Rechner statt.

So untersuchen die Forscher das Verhalten neuer Fahrzeuge. "Pro Tag fährt so ein Modell etwa 100 bis 150 Mal im Rechner gegen die Wand", sagt Rodrigo Iza-Teran vom Fraunhofer-Institut für Algorithmen und Wissenschaftliches Rechnen (SCAI) in Birlinghoven.

Doch wer solche komplexen Vorgänge im Rechner simuliert, braucht viel Speicherplatz. Da kommen schnell Daten von 100 Terabyte und mehr zusammen - das entspricht etwa 200 Festplatten mit je 500 Gigabyte Speicherplatz. Iza-Teran und seine SCAI-Kollegen Clemens-August Thole und Professor Rudolph Lorentz haben deshalb eine Komprimierungs-Software entwickelt, die diese gigantische Datenberge etwa um 90 Prozent schrumpfen lässt. Andere Kompressionprogramme schaffen demnach lediglich etwa 20 Prozent.

Für ihre Entwicklung erhielten die Forscher kürzlich auf der Jahrestagung der Fraunhofer-Gesellschaft in Bonn den mit 20 000 Euro dotierten Joseph-von-Fraunhofer-Preis. Die Jury überzeugte zum einen die hervorragenden mathematischen Methoden und zum anderen der große Erfolg, den die Kompressionsverfahren bei den Anwendern erzielt haben.

"Etwa 70 Prozent der Automobilhersteller setzen unsere Software bereits ein", berichtet Thole. Die Vorteile dieser Entwicklung liegen auf der Hand: Es wird viel weniger teurer Speicherplatz benötigt und der Datenaustausch innerhalb der Entwicklungsabteilungen der Autohersteller läuft reibungsloser, weil die Datenpakete damit deutlich verkleinert werden können.

Als ersten Schritt für die Kompression geben die Entwicklungs-Ingenieure die Genauigkeit der gespeicherten Daten vor - etwa ein Millimeter für einen Fahrzeug-Crash. Dadurch lassen sich bereits eine Menge Daten einsparen. Alle weiteren Schritte sind so gestaltet, dass sich aus den komprimierten Daten wieder vollkommen die ursprünglichen Informationen herstellen lassen.

"Der Ansatz ähnelt der Videocodierung", sagt Thole. "Ein Trick besteht darin, zu ermitteln, welche Bauteile sich bewegen ohne sich zu deformieren." So bleibt bei einem Crashtest der Kofferraum unbeschadet, weshalb die Datensätze für diese Fahrzeugzone in der Simulation viel geringer im Umfang sein können. Dagegen sind an der "Fahrzeugschnauze" - etwa im Bereich der Motorhaube - starke Verformungen zu erwarten. "Diese Veränderungen lassen sich mit wenig Information vorhersagen", berichtet der SCAI-Forscher. "Da steckt viel Mathematik drin."

Auch Meteorologen brauchen solche Komprimierungsverfahren. "Ab 2008 wird beim Deutschen Wetterdienst die Prognose für die kommenden Tage etwa 20 Mal vorausberechnet", berichtet Thole. "Da entstehen im Jahr etwa 2,5 Petabyte an Daten." Ein Petabyte entspricht etwa 2 000 Festplatten mit je 500 Gigabyte Speicherplatz - ein nicht unerheblicher Kostenfaktor. "Mit unserem Verfahren lässt sich etwa die Hälfte der Archivierungskosten einsparen", berichtet Lorentz.

Um diese Datenmenge der Wetterkundler klein zu rechnen, hat Thole mit seinem Team eine Software entwickelt, die die Datensätze um das zweieinhalbfache reduziert. "Für die Simulation wird Deutschland mit einem Netz von Gitterpunkten überzogen", sagt Lorentz. "Die Simulationsergebnisse an benachbarten Punkten bedingen sich." So reicht es, wenn sich die Werte an einem Gitterpunkt gut vorhersagen lassen, um die Datengröße wesentlich zu reduzieren.

Vor etwa fünf Jahren hat das SCAI-Forschungsteam mit der Forschung zu diesem Komprimierungsverfahren begonnen. Bereits 2004 gab es einen ersten Prototypen. Dass die Wissenschaftler den Fraunhofer-Preis errungen haben, war für sie eine Überraschung. "Die Konkurrenz war groß", meinen sie. An der Entwicklung waren auch etliche Diplomanden und Doktoranden beteiligt. "Die anwendungsnahe Forschung war für sie sehr motivierend", sagt Lorentz. Insgesamt wurden sieben Forscher und Forschergruppen der Fraunhofer-Gesellschaft mit Preisen ausgezeichnet.

Neben dem SCAI-Team aus Birlinghoven erhielten ein Würzburger Team für die Entwicklung von Komponenten für die blitzschnelle Datenübertragung und Stuttgarter Forscher für ein integriertes System für die Wassernutzung weitere Fraunhofer-Preise. Für die Entwicklung eines Herstellungsverfahrens für fettarme Fitnesswurst bekamen drei Ingenieure des Fraunhofer-Instituts in Freising den mit 10 000 Euro dotierten Technologiepreis. Die Nachwuchswissenschaftler Carolin Zwadlo, Jacqueline Michaelis und Michael Kurzschenkel wurden mit Hugo-Geiger-Preisen ausgezeichnet.

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