Fast 300 Kandidaten werben in Bonn um Stimmen

51 Sitze sind im 23. Studierenden-Parlament zu vergeben, 23 Plätze in den Hochschulgremien

  Kein Sturm  auf Praktikumsplätze oder Freibier, sondern der Run auf Plakatflächen im Wahlkampf.

Kein Sturm auf Praktikumsplätze oder Freibier, sondern der Run auf Plakatflächen im Wahlkampf.

Foto: Franz Fischer

Bonn. "Handauszählung garantiert" prangt es auf dem Titelblatt der offiziellen Wahlzeitung zum 23. Bonner Studierendenparlament (SP). Sie geht mit den amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Bush und Gore auf Stimmenfang. Vom nächsten Dienstag, 23. Januar, bis zum Freitag, 26. Januar, wird an 40 Urnen, davon eine beim Wahlausschuss, Zimmer 10 im AStA, Nassestraße 11, 1. Stock, in allen Fakultäten das neue SP gewählt.

Das SP verwaltet eigenverantwortlich einen Jahresetat von über 1,7 Millionen Mark, der sich aus einem Teil der Semesterbeiträge zusammensetzt. Es wählt und kontrolliert den AStA (Allgemeiner Studierendenausschuss), also die "Regierung" der Verfassten Studentenschaft und Interessenvertretung aller Bonner Studis.

Zehn Listen kandidieren, eine mehr als im Vorjahr. Sie schicken 291 Kandidaten ins Rennen. In den Wahlprogrammen dominieren die Hochschulpolitik (Stichworte: drohende Studiengebühren, Qualitätspakt, BaföG-Misere), das Eintreten für den Erhalt der Lehrerausbildung und der Vorklinik an der Uni Bonn. Mit der umfangreichsten Liste von hundert Kandidaten tritt der Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS), im amtierenden SP mit 16 Sitzen stärkste Fraktion, an.

Zehn Listen

Als Opposition zum amtierenden AStA aus Grüner Hochschulgruppe, Sportliste, Linker Liste, LUST, Schwul-Lesbischer Liste und PDS prangert der RCDS "hohe Personalkosten von über 600.000 Mark, überzogene Aufwandsentschädigungen und überflüssige Ausgaben für dubiose Organisationen, abstruse Veranstaltungen und Zeitungen" an und kündigt "eine transparente und ausgeglichene Haushaltsführung" an. RCDS-Spitzenkandidatin ist die unabhängige 22-jährige Agrarwissenschaftsstudentin Claudia Glitz.

Seit 1992 regiert an der Bonner Uni ein linker AStA. Da die Jusos nach der vergangenen SP-Wahl aus dem Links-Bündnis ausscherten, musste der AStA mit einer Minderheitenkoalition zurecht kommen. Das bedeutete für AStA-Chefin Anja Liv Niephaus ein anstrengendes Jahr. Ihre Partei, die Grüne Hochschulgruppe, mit elf Sitzen zweitstärkste Fraktion im SP, will "die bewährten Beratungs- und Serviceangebote des AStA absichern und weiter ausbauen". Hinzu kommen soll eine Praktikumsbörse. Besonderes Augenmerk legen die Grünen auf die Situation der ausländischen Studis und treten für eine "Reform des Ausländerrechts mit mehr Freizügigkeit auch für Nicht-EU-BürgerInnen" ein. Einmischen möchten sich die Grünen mit ihrer Spitzenkandidatin Niephaus auch in die "große" Politik und fordern deshalb das Politische Mandat für die studentischen Organe.

Anders die Liberale Hochschulgruppe (LHG), die zur Zeit sieben Sitze hat: Hier vertritt man die Überzeugung, dass die studentische Stimme nur gehört werde, wenn die Botschaften "nicht mit anderen, allgemeinpolitischen Themen verwässert werden". In einem (RCDS-geführten) AStA mit LHG-Beteiligung wollen die Liberalen ein Behindertenreferat einrichten. Wahlziel der Juso-Hochschulgruppe (sechs Sitze), die 24 Kandidaten ins Rennen schickt, ist es, "den RCDS als stärkste Kraft im SP abzulösen". Andererseits sei "eine Koalition mit Linksextremen nicht drin".

Eine Position der "Mitte" bezieht die Sportliste (drei Sitze), die in ihrem Wahlprogramm den AStA in mehreren Punkten kritisiert, obwohl sie selbst Koalitionsmitglied ist und mit ihrem Spitzenkandidaten Patrick Panahandeh sogar den stellvertretenden AStA-Chef stellt: Angeprangert wird, dass der AStA Gelder verschwende, indem er Posten und Arbeitsfelder schaffe, "von denen die Studierendenschaft nicht unmittelbar profitiert" und dass das SP unter den "pubertären Spielchen" der beiden Lager die Basis "längst verloren" habe. Dies will die Sportliste ändern und einen Schwerpunkt auf die Betreuung ausländischer Studis legen. Für einen linken AStA kandidieren neben den Grünen 17 Studierende in der Liste undogmatischer Studenten (LUST), 35 in der Linken Liste (LiLi) und neun in der Offenen Liste/PDS-Hochschulgruppe.

Die Ausländerliste, die im vergangenen Jahr mit LiLi verschmolzen war, tritt diesmal eigenständig an, um "gegen sämtliche Diskriminierungen in und außerhalb unseres Studienlebens vorgehen" zu können. Auch sie wollen nur in einem linken AStA mitarbeiten. Als Ulkpartei tritt die Subversive Hochschulgruppe an, die für die studentische Selbstverwaltung die Monarchie fordert und goldene Kreditkarten als Immatrikulationsnachweis akzeptieren will. Die neun Kandidaten, meist angehende Südostasienwissenschaftler, versprechen im Wahlkampf immerhin für Humor zu sorgen.

Vielleicht ist der Humor geeignet, um die schwache Wahlbeteiligung - 16,15 Prozent waren es im vergangenen Jahr, Tendenz fallend - zu verbessern.

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