Fahndung nach Brutstätten für neue Sterne

Das Bonner Max-Planck-Institut hat mit französischen Kollegen das kalte Gas der Andromeda-Galaxie sichtbar gemacht - Dort entstehen neue Himmelskörper

Fahndung nach Brutstätten für neue Sterne
Foto: dpa

Bonn. Das Vorhaben war ehrgeizig - und erfolgreich: Im Jahr 1995 begannen Forscher am Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn und ihre Kollegen in Grenoble, mit einem 30-Meter-Teleskop in der kompletten Andromedagalaxie Kohlenmonoxid aufzuspüren.

Nach mehr als 800 Stunden Beobachtungszeit war die Untersuchung Ende 2001 abgeschlossen. Nach jahrelanger Bearbeitung und Analyse der enormen Datenmenge, die aus diesem Projekt gewonnen wurde, präsentierten die Wissenschaftler kürzlich eine neue Radiokarte dieses Sternensystems. Auf ihr ist die Verteilung von kaltem Gas detailliert ablesbar.

Was sich für einen astronomischen Laien vielleicht eher unspektakulär anhört, ist für die Fachwelt von großer Bedeutung: "Kalte Gaswolken sind die Brutstätten für Sterne", erklärt Rainer Beck vom Bonner MPIfR - aus diesem kalten Gas werden die neuen Sonnen irgendwie zusammengebaut. Wie genau das vor sich geht, ist eine der wichtigsten Fragen der Astronomie überhaupt.

Daher gilt den kalten Gaswolken die besondere Aufmerksamkeit der Wissenschaft. Die Temperaturen der kalten Gaswolken liegen unter minus 220 Grad Celsius. Nur diese Gaswolken können eine ausreichend hohe Dichte erreichen und dann unter ihrer eigenen Gravitation zusammenstürzen.

Ein wesentlicher Bestandteil kalter Gaswolken ist molekularer Wasserstoff. Da dieser nur eine sehr schwache Infrarot-Strahlung aussendet, lässt er sich mit erdgebundenen Teleskopen kaum nachweisen, denn die geringe Strahlung wird von der Atmosphäre gleich wieder geschluckt.

Deshalb sind die Wissenschaftler auf die Idee gekommen, einen Indikator für molekularen Wasserstoff zu untersuchen, erklärt Becks Kollegin Elly Berkhuijsen: Kohlenmonoxid. Es tritt erfahrungsgemäß immer mit molekularem Wasserstoff auf. Der Nachweis von Kohlenmonoxid gibt daher Hinweise darauf, wo in der Galaxie günstige Bedingungen herrschen, unter denen neue Sterne und Planeten entstehen können.

Kohlenmonoxid hat eine helle Spektrallinie bei 2,6 Millimeter Wellenlänge. Das bedeutet, dass Radioteleskope, die klimatisch günstig positioniert sind - zum Beispiel auf Bergen, in der Wüste oder am Südpol - in der Lage sind, Kohlenmonoxid zu messen. Für die neue Radiokarte der Andromedagalaxie blickten die Wissenschaftler tief ins Innere der Galaxie. Sie nutzten das 30-Meter-Teleskop des IRAM, das auf dem 2 970 Meter hohen Pico Veleta bei Granada steht.

Außerdem wendeten die Forscher bei diesem Projekt eine neue Messmethode an: Statt mehr als 1,5 Millionen Einzelpositionen eigens zu erfassen, wurde das Teleskop streifenweise über die Galaxie bewegt und die Messdaten dabei kontinuierlich aufgenommen. Diese Methode "im Vorbeifliegen" wurde eigens für das deutsch-französische Projekt entwickelt und ist inzwischen Standard.

Nicht nur für die modellhafte Vorstellung für die Entstehung von Sternen ist die neue Radiokarte der Andromedagalaxie ein Meilenstein. Die Kohlenmonoxidlinie eignet sich auch dafür, die Spiralstruktur der Galaxie sichtbar zu machen. Außerdem belegt sie, dass es sich bei dem Sternensystem Andromeda nicht um eine "Ring-Galaxie" handelt, sondern um eine Ellipse.

Für die Wissenschaft sind noch viele Aspekte bei der "Geburt" neuer Sterne ungeklärt: Wie entsteht zum Beispiel das "Baumaterial", das molekulare Gas selbst? Stammt es aus einen Vorrat aus der Frühzeit oder kann es sich aus dem wärmeren atomaren Gas bilden? Was zeichnet die Zone, in der fast die gesamte Sternenbildung stattfindet, aus?

Um die Vorgänge im eigenen Sternensystem besser verstehen zu können, machen die Forscher den "Umweg" über die Andromedagalaxie. Zwar ist das Vorkommen von Kohlenmonoxid für unsere Milchstraße schon seit langem untersucht, aber um dieses in seiner Gesamtheit zu analysieren und daraus Zusammenhänge abzuleiten, ist unsere Position mitten in der Scheibe unserer Galaxie denkbar ungeeignet. Sich für seine kosmische Nachbarschaft zu interessieren, hat in diesem Fall also eindeutig wissenschaftliche Gründe.

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