Ausländische Studenten in Bonn "Es ist wichtig, auf die Umlaute zu achten"

BONN · "Am Anfang habe ich kaum jemanden kennengelernt", sagt Anna Shabanova. Die 27-jährige aus Smolensk studiert seit 2012 an der Bonner Universität Geschichte: "Manche Kommilitonen reagierten eher ablehnend, wenn ich versucht habe, zu ihnen Kontakt aufzunehmen."

 Angekommen: Anna Shabanova führt mittlerweile Besucher durch das Universitätsmuseum.

Angekommen: Anna Shabanova führt mittlerweile Besucher durch das Universitätsmuseum.

Foto: privat

Obwohl sie schon in Russland deutsch auf Lehramt studiert hatte, fiel die Eingewöhnung schwer. "Theoretisch hätte ich ja schon sehr gut deutsch sprechen müssen, aber in der Realität sah das anfangs etwas anders aus. Deshalb musste ich immer wieder viele Fragen stellen", erzählt sie in fast akzentfreiem Deutsch.

Caterina Periccioli ging es ähnlich: Die 22-jährige Italienerin studierte von 2013 bis 2014 Deutsch-Italienische Studien in der Beethovenstadt. Auch sie kam mit sprachlichen Vorkenntnissen nach Deutschland: "Dennoch war ich häufig angespannt und zögerlich", berichtet sie. Die Fachsprache an der Universität war dabei nicht das größte Problem: "Wenn man sich mit den am meisten wiederkehrenden Wörtern vertraut gemacht hat, stellt die Fachsprache kein Hindernis mehr dar."

Schwieriger wurde es da schon bei der Unterhaltung mit anderen Studenten: "Es fällt dann manchmal schwer, einer ganzen Konversation auf Deutsch zu folgen, denn umgangssprachliche Ausdrücke waren in meinen Schulbüchern meistens nicht zu finden", sagt sie, "den Umgang untereinander macht das nicht gerade leichter."

Wolfgang Gerkhausen hat jeden Tag mit Studenten zu tun, die solche Erfahrungen machen. Der Abteilungsleiter Ausländerstudium und Deutschkenntnisse im International Office der Universität Bonn plädiert dafür, dass alle Studenten schon vor ihrem Aufenthalt in Deutschland die Sprache erlernen: "Heutzutage ist es möglich, sich nur noch mit Englischkenntnissen einzuschreiben. Für die Vorlesungen in den englischsprachigen Studiengängen mag das reichen, im Alltag wird es dann schwierig." Deutsch müsse in Drucksituationen zum Selbstläufer werden: "Je weniger die Studenten darüber nachdenken müssen, wie sie etwas ausdrücken, desto schneller und handlungsfähiger sind sie. Das erhöht die Chancen enorm - sei es auf dem Wohnungsmarkt oder in der Universität."

Häufig sei diese Handlungsfähigkeit aber nicht gegeben. Die Folge: Sich zu integrieren fällt vielen ausländischen Studenten schwer. Doch nicht immer stellen sprachliche Hindernisse ein Problem dar: "Missverständnisse, die beim Sprechen entstehen, lösen sich normalerweise sehr schnell wieder auf", sagt Caterina. "Wenn man gut zuhört, kann man recht schnell begreifen, was man zuvor falsch verstanden hat."

Missverständnisse zum Schmunzeln

Häufig gibt es bei diesen "Missverständnissen" auch Anlass zum Schmunzeln. "Das Deutsche hat ja viele zusammengesetzte Wörter. Manchmal frage ich mich noch heute, ob es Hausbaum oder Baumhaus heißt", erzählt Anna lachend. Und auch vor den Umlauten muss sie sich in Acht nehmen: "Wenn es draußen schwül ist, ist es sehr wichtig, auf die Umlaute zu achten und nicht aus einem ü ein u zu machen."

Von solchen amüsanten Versprechern kann auch Caterina berichten. Sie arbeitete während ihrer Zeit in Deutschland bei einer Übersetzungsagentur: "Als ich einen Kunden am Telefon hatte, der die falsche Durchwahl bekommen hatte, sagte ich ihm, er habe die falsche “Durchfall„ gewählt. Meine Kollegen sind in lautes Gelächter ausgebrochen. Aber mir war das im ersten Moment so peinlich."

Kulturelle Differenzen

Neben diesen Versprechen offenbarten sich ab und zu auch kulturelle Differenzen. "Zu Anfang meiner Zeit in Deutschland war ich mit Freunden auf ein Treffen eingeladen", erzählt Caterina, "da wir in Italien normalerweise erst um 20 Uhr zu Abend essen, dachte ich, dass mit Treffen Essen gehen gemeint war. Als wir um 22 Uhr ziemlich betrunken und hungrig die vierte Kneipe betraten, begann ich zu ahnen, dass mit Treffen nicht Essen gemeint war." Im ersten Moment war die Erfahrung unangenehm, doch heute kann sie darüber lachen.

Letztendlich hat dies nichts am erfolgreichen Aufenthalt in Deutschland geändert. Das sieht man auch bei Anna. Mittlerweile führt sie Besucher durch das Universitätsmuseum und bringt ihnen die Geschichte ihrer Alma mater näher. Eine größere Identifikation mit ihrem Studienort ist wohl kaum denkbar.

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