Kommunikation von Tierwohl-Initiativen Emotionaler Dialog

SANKT AUGUSTIN · Die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg untersucht die Kommunikation von Tierwohl-Initiativen. Die fleischverarbeitende Industrie in Deutschland hat ein Imageproblem. Billigfleisch dank Massentierhaltung ist auf der einen Seite ein riesiger, wenn auch stark umkämpfter Markt.

Auf der anderen Seite ist es ein permanenter Angriffspunkt für eine immer größere Anzahl kritischer Verbraucher. Die Unternehmen reagieren mit Gütesiegeln, sprechen von Nachhaltigkeit sowie ihrer gesellschaftlichen Verantwortung (Corporate Social Responsibility, CSR) und setzen auf Kampagnen und Initiativen, die das Wohl der Tiere verbessern sollen.

Die Vermittlung dieser Projekte muss dafür allerdings gelingen - und genau an dieser Stelle setzt eine interdisziplinäre Studie des Internationalen Zentrums für Nachhaltige Entwicklung (IZNE) der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS) an.

Unter dem Titel "CSR-Kommunikation auf dem Prüfstand: Die Reaktion der Verbraucher auf Initiativen zum Tierwohl" überprüfen die Wissenschaftler um Professorin Wiltrud Terlau zusammen mit dem Institut für Medienentwicklung und -analyse (IMEA) und der Abteilung für Wirtschaftspsychologie, wie die Diskussion um das emotional besetzte Thema im Internet geführt wird.

"Wir wollen untersuchen, wer sich wie in die Debatte einbringt", erklären Terlau und ihr Projektkoordinator Christian Meyer. "Lassen sich anhand der Schärfe oder der Argumente Rückschlüsse auf die Käuferschichten ziehen? Und wie unterscheiden sich Reaktionen auf Artikel in einem Magazin wie dem Spiegel, in einer regionalen Tageszeitung wie dem General-Anzeiger und in einer Publikation wie Beef?"

Dabei ist der Zeitpunkt gut gewählt: Vor einem guten halben Jahr haben Unternehmen und Verbände aus Landwirtschaft, Fleischwirtschaft und Lebensmitteleinzelhandel die "Initiative Tierwohl" gestartet, die Bauern dafür entlohnt, wenn diese ihre Tiere besser behandeln als gesetzlich vorgeschrieben.

Finanziert wird dies durch eine freiwillige Abgabe der großen Lebensmittelmärkte: Pro verkauftem Kilogramm Schweine- oder Geflügelfleisch gehen vier Cent in einen Fonds. So sollen bis 2017 rund 255 Millionen Euro zusammenkommen. Ein kleiner Schritt in die richtige Richtung - oder doch nur ein "Feigenblatt der Industrie"?

"Es ist sicherlich ein Kompromiss zwischen den verankerten Traditionen in der Landwirtschaft, dem hohen Konsumbedarf und dem Bewusstsein, dass die Öffentlichkeit mehr Tierschutz erwartet", sagt Terlau. "Aber wir wollen ja nicht die Initiative bewerten.

Uns geht es vielmehr darum, wie die Verbraucher und die Branche über sie reden. Am Ende können wir dann hoffentlich in Zusammenarbeit mit Kommunikationswissenschaftlern gezielt aufzeigen, wie eine bessere Kommunikation geschaffen werden kann."

Die "Initiative Tierwohl" ist zwar nur eine von mehreren untersuchten Kampagnen der Industrie, die in der Studie untersucht wurden, bietet den Wissenschaftlern aber besonders viele Ansatzpunkte.

Denn die Diskussion ist nicht nur frisch, sondern biete auch großes Streitpotenzial: Kritiker bemängeln zu lasche Kriterien und unzureichende Geldmittel für die große Zahl an interessierten Bauern, die längst nicht alle in den Genuss der Zuwendungen kommen, und vor allem Intransparenz. "Es gibt für den Verbraucher bislang keine Möglichkeit, sich bewusst für Fleisch der Initiative zu entscheiden, weil es kein Siegel gibt", erklärt Meyer.

"Wir werden jetzt nachverfolgen, ob dieser Kritikpunkt auch tatsächlich ein Thema in der breiten Öffentlichkeit ist oder ob dort andere Schwerpunkte in der Diskussion gesetzt werden. Dafür nutzen wir unter anderem Web-Mining-Methoden, um effektiv an die notwendigen Daten aus dem Internet zu gelangen."

Parallel dazu werden in Zusammenarbeit mit Wirtschaftspsychologen eine Umfrage sowie ein Experiment durchgeführt, die zusätzliche Erkenntnisse bringen sollen. Das Kompetenzzentrum Verbraucherforschung (KVF NRW) fördert die Durchführung der auf ein Jahr angelegten Studie mit rund 27.000 Euro.

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