Die schleichende Erblindung

Ein neuer Laser stoppt die Erkrankung, ohne benachbarte Sinneszellen zu zerstören

Bonn. Florian schaut auf die Uhr, kann aber nicht erkennen, wie spät es ist. Genau diejenige Zeile der Buchseite, die er gerade lesen will, verschwimmt vor seinen Augen. Seine Freunde und Bekannten erkennt er nicht mehr an ihren Gesichtern, denn wenn er ihnen in die Augen blicken will, sieht er nur einen grauen Fleck. Erfahrungen wie sie Florian macht, gehören für mehr als 25 Millionen Menschen weltweit zum Alltag: Sie leiden an der altersbedingten Makula-Degeneration. Bei dieser Krankheit geht die zentrale Sehschärfe des Auges ganz oder teilweise verloren. In Deutschland ist rund jeder vierte über 65-Jährige davon betroffen.

Die Bonner Firma CeramOptec GmbH, eine Tochter der Biolitec AG, entwickelt jetzt eine Laser-Therapie, die die schleichende Erblindung aufhalten soll. Mehrere Geräte laufen bereits im Pilotbetrieb. Die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen "Otto von Guericke" (AiF) unterstützt die Forschung aus Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie als Projektträger des Förderprogramms Innovationskompetenz mittelständischer Unternehmen.

Die Makula - auch "gelber Fleck" genannt - liegt in einem kleinen Netzhautareal in der Mitte des Augenhintergrunds. Sie ist nur wenige Quadratmillimeter groß, jedoch mit besonders vielen Sinneszellen versehen und deshalb für die wichtigsten Sehleistungen verantwortlich: Mit ihrer Hilfe können wir lesen, feine Einzelheiten erkennen und Farben unterscheiden. Die übrige Netzhaut nimmt nur Umrisse und Hell-Dunkel-Kontraste wahr. Im Alter bilden sich bei vielen Menschen hinter der Netzhaut krankhafte Blutgefäße, die in die Makula hineinwachsen. Aus ihnen tritt Flüssigkeit aus und es kommt zu Schwellungen und Narben, die wiederum zu einem fortschreitenden Sehverlust im zentralen Gesichtsfeld führen: Der Betroffene kann genau die Stelle am schlechtesten erkennen, auf die er sich am meisten konzentriert. Bisher wurden die Wucherungen mit einem besonders intensiven Laserlicht "bestrahlt" und damit thermisch verödet.

Die Hitze zerstörte aber oft auch die benachbarten Sinneszellen. Bei der neuen Behandlung, so der Forschungschef der CeramOptec Stefan Spaniol, injiziert der Arzt zunächst einen speziellen Farbstoff in die Armvene des Patienten, der sich in den wuchernden Adern im Auge anreichert. Aktiviert wird er durch ein weit weniger intensives, rotes Laserlicht, dessen Wellenlänge jedoch genau auf den Farbstoff abgestimmt ist.

Die Bestrahlung beginnt 15 Minuten nach der Infusion, dauert dann genau 83 Sekunden und verschließt als Folge einer photochemischen Reaktion die kranken Gefäße. Die Erblindung wird gestoppt, das umliegende Gewebe jedoch nicht geschädigt. Diese "photodynamische Therapie" wird bereits erfolgreich in der Behandlung von Krebstumoren angewandt. Die kleine Hightech-Schmiede aus Bonn stellt seit Jahren die dafür notwendigen Laser-Systeme her. Wissenschaftler der Augenklinik der Medizinischen Universität zu Lübeck bewiesen jetzt den Nutzen der Technologie für die Behandlung von Gefäßkrankheiten wie der Makula-Degeneration.

Eine weitere Neuerung ist die zusätzliche Bildanalyse-Einheit, die das Unternehmen CCS Pawlowski aus Jena für das Therapiesystem entwickelt. Eine Kamera nimmt die Netzhaut auf und zeigt sie dem Arzt auf einem Monitor in besonders hoher Auflösung. Ein angeschlossener Computer errechnet selbstständig die Größe des zu behandelnden Gebietes und bestimmt Leistung und Strahldurchmesser des Lasers. Der Arzt muss den Lichtstrahl nur noch auf die genauen Zielkoordinaten ausrichten. "Im nächsten Entwicklungsschritt soll eine zusätzliche Auswerte- und Steuereinheit auch diese Funktion automatisch übernehmen", sagt Spaniol.

Informationen im Internet unter www.biolitec.de, www.ceramoptec.de und bei Silvia Behr, AiF, Köln, Tel. 0221/3768055

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