Die geteilte Professorin

Zwei Bonner Biologinnen bewerben sich zum ersten Mal in Deutschland um eine einzige Professur - Job-Sharing soll es ermöglichen, Kinder und Karriere zu verknüpfen

Bonn. "Gleich bei unserer ersten gemeinsamen Bewerbung kamen wir auf Anhieb auf den dritten Platz der Berufungsliste", freut sich Gabriele Uhl. Die wissenschaftliche Assistentin am Zoologischen Institut der Universität Bonn hat sich zusammen mit ihrer Kollegin Jutta Schneider auf eine Professur für Ökologie in Mainz beworben, jede auf eine halbe Stelle. Die positive Reaktion auf diesen in Deutschland bisher nicht üblichen Weg überrascht die beiden Biologinnen dennoch kaum. Schließlich bekomme die Universität so für ein Gehalt gleich zwei Fachleute. Die Landesrektorenkonferenz in Rheinland-Pfalz interessierte sich sofort für diese Initiative. Der Hintergrund: Die beiden Biologinnen sind junge Mütter, beide stehen kurz vor ihrer Habilitation und beiden wollen den Weg als Wissenschaftlerinnen weiter gehen.

Die Alternative Kinder oder Karriere halten sie für anachronistisch. "Eine solche Entscheidung darf es in unserem Jahrhundert nicht mehr geben", sagt Uhl. So wurde die Idee geboren, sich als Team um eine Professorenstelle zu bewerben. Sie sehen darin eine ideale Lösung, auch in der Wissenschaft Beruf und Familie erfolgreich zu verknüpfen. Mit dem klassischen Bild des Wissenschaftlers verbindet sich die Vorstellung, dass dieser völlig vom Beruf absorbiert werde und zu 150 Prozent in der Wissenschaft aufgehe. Das schließt andere Interessen und Lebenspläne aus und lässt sich nicht mit der Kindererziehung vereinbaren. Die beiden Wissenschaftlerinnen sind hingegen davon überzeugt, dass gute Wissenschaft und Lehre auch bei eingeschränktem Zeitplan möglich ist.

Außerdem könne so das derzeit den Universitäten verloren gehende Potenzial erhalten werden: Professorinnen an deutschen Universitäten sind immer noch eine seltene Spezies. Die Lösung besticht aber auch aus anderen Gründen. "Gegenüber einer Einzelbesetzung bieten wir zusammen als Team ein sehr breites Spektrum", betont Uhl. Jede Universität gewinne mit einer Stellenteilung an Know-how. Beide Biologinnen arbeiten zur Zeit mit Spinnen. Sie untersuchen verhaltensökologische und evolutionsbiologische Fragen, beispielsweise welche Selektionsvorteile verschiedene Fortpflanzungsstrategien haben und welches die zugrundeliegenden Mechanismen sind.

Jedoch arbeiten beide mit sehr verschiedenen Methoden. Gemeinsame Forschungsvorhaben über Paarungssysteme profitieren von der Vielfalt der Methoden, sind die Biologinnen überzeugt. Das gemeinsame Spektrum in der Lehre reiche dann von der Verhaltenskunde und Ökologie über die Morphologie und Taxonomie bis hin zur Evolutions- und Molekularbiologie.

Davon, aber auch von der intensiveren Betreuung, würden auch die Studenten und die wissenschaftliche Arbeit profitieren. Im Wissenschaftsbetrieb sei es ja oft so, dass jeder sein eigenes Süppchen koche. Durch die enge Zusammenarbeit auf einer gemeinsamen Stelle müsse man viel mehr Rechenschaft ablegen über das, was man macht, man habe im Alltag ein direktes Gegenüber und könne sich nicht hinter seinen Daten und dem Computer verstecken und nur ab und zu mal zu Tagungen auftauchen, meint Uhl. "Interdisziplinarität und Zusammenarbeit, die immer gefordert werden, hat man da im Kleinen schon von vornherein".

Von Vorteil sei auch die ständige Präsenz. Bei Abwesenheit einer der beiden Stelleninhaberinnen, etwa während eines Forschungsfreisemesters, ist eine Vertretung vorhanden. Probleme könne es allenfalls außerhalb über den Ansprechpartner geben, meint Uhl. Aber solche Dinge könne man ebenso regeln wie die Frage, wer die Professur im Fakultätsrat vertritt und wer in der Fachgruppe. Die Möglichkeit, eine Professur zu teilen, sollte nach den Vorstellungen der beiden Wissenschaftlerinnen nicht auf Frauen begrenzt sein, sondern als allgemeine Option in die Bewerbungsverfahren eingeführt werden. Sonst werde man zwei Klassen von Professoren schaffen: die Halbtagsfrauen und die Ganztagsmänner. Sie sind überzeugt, dass zunehmend auch Männer dieses Modell attraktiv finden werden, das sich im Übrigen auch besonders für Paare eigne.

Den Wiedereinstieg nach der Babypause halten Uhl und Schneider für keine Alternative. "Nach drei Jahren Erziehungsurlaub kann ich meine wissenschaftliche Laufbahn vergessen", sagt Uhl. Sieben Monate hat sie nach der Geburt ihres zweiten Kindes pausiert, im zweiten halben Jahr ist ihr Mann für die Kinderbetreuung zuständig. Der Verlust an Selbstvertrauen durch die fehlende Motivation des Berufs ist ein ebenso nicht zu unterschätzender Faktor. Weitere Nachteile: Eine Lücke im Lebenslauf werde immer nachteilig verbucht, bei Projekt- und Stellenvergabe werden Altersgrenzen nicht flexibel gehandhabt und schließlich bleibe nach dem Wiedereinstieg nochmals kaum Zeit für die Familie.

Ein Job Sharing dieser Art kennt man bisher nur in den USA, Einzelfälle sind aus der Schweiz und den Niederlanden bekannt. In den USA steht bereits fast regelmäßig in Stellenausschreibungen der Satz "We support a program of share-professorship".

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