Die Bomber, die aus der Sonne kamen

Angriffe auf die Eisenbahnbrücke forderten zahlreiche Menschenleben - Vor 60 Jahren hagelte es Bomben auf das Gleisdreieck zwischen Remagen und Sinzig

  Die Eisenbahnbrücke  zwischen Remagen und Sinzig war immer wieder Ziel der alliierten Bombenangriffe.

Die Eisenbahnbrücke zwischen Remagen und Sinzig war immer wieder Ziel der alliierten Bombenangriffe.

Foto: privat

Sinzig. Die Geschichte der Remagener Ludendorffbrücke ging um die Welt. Im Handstreich nahmen amerikanische Soldaten am 7. März 1945 den wichtigen Nachschubweg im Handstreich in Besitz. Tonnen von Bomben wurden im Umfeld von den Alliierten und den Deutschen abgeworfen, um das 1917 enstandene Bauwerk zu zerstören.

Doch eigentlich galt das Interesse der alliierten Bomberbesatzungen weniger der Brücke von Remagen,sondern einem der wichtigsten Schienenwege an der Strecke Köln - Koblenz, dem Sinziger Gleisdreieck und der Eisenbahnbrücke über die Ahr.

Von dem Gleisdreieck zweigte in Höhe der heutigen Waschanlage an der alten B 9 der Schienenstrang ins Ahrtal ab. Dieser galt als einer der wichtigsten Nachschubwege der Wehrmacht für die Westfront. Die Stadt Sinzig litt in den letzten Kriegsmonaten 1944/45 stark unter den Bombenangriffen der alliierten Luftstreitkräfte, die die Lufthoheit über das Rheinland übernommen hatten. Nur wenige deutsche Jäger verirrten sich noch über den Rhein und über die Ahr.

Einen der schwersten Luftangriffe musste Sinzig bereits im März 1944 über sich ergehen lassen. Nach Recherchen des Historikers Heinz Schmalz starteten an diesem Tag 1 009 Flugzeuge in England zur Bombardierung von Nürnberg. 725 schwere Bomber und 200 Abfangjäger tauchten in der Nacht über Sinzig auf. Deutsche Jagdflugzeuge und die Flak schossen 13 Bomber ab.

Einer explodierte zwischen Sinzig und Bad Bodendorf, die vier Insassen kamen ums Leben. Ein brennender Flieger stürzte über Westum ab und setzte Scheunen und Stallungen in Brand. Die vierköpfige Besatzung kam ums Leben. Ein weiterer Flugzeugabsturz forderte elf Todesopfer am Beulerhof.

Und immer wieder ist die Eisenbahnbrücke Ziel der alliierten Angriffe. Fast täglich, so hält Schmalz in seinen "Kriegsdaten" fest, wurde Ende 1944, Anfang 1945, die Brücke unter Beschuss genommen. Am 28. Oktober 1944 warfen 15 zweimotorige Marauder 30,5 Tonnen Bombenlast ab. An der Barbarossastraße wurde ein Haus zerstört, zwei Menschen wurden getötet. In Bad Bodendorf kam am selben Tag ein Flaksoldat ums Leben. Die Bomber hatten auch Ahrweiler angegriffen.

Am 21. November warfen 36 Marauder 142 Sprengbomben zu je 452 Kilogramm Sprengstoff ab, Häuser am Brühler Weg wurden zerstört, eine Frau kam ums Leben. Am 26. Dezember tauchten 39 Maschinen B-24 aus dem Süden auf, 34 Liberator-Bomber warfen 194 Sprengbomben von je 450 Kilo ab.

Wie Jakob Weiler in seinem Buch "Remagen im März 1945" schreibt, vermeldet die Befehlsstelle Essen dazu: "Ahrbrücke zwischen Remagen und Sinzig in den Lagern verschoben und für drei Tage gesperrt." Für Sinzig war dies der folgenschwerste Bombenangriff. 72 Menschen wurden Opfer der Bomben, 32 Zivilisten und 40 Soldaten.

15 Männer der Organisation Todt wurden im Café Breuer getötet, das einen Volltreffer abbekam, darunter auch Peter Runkel aus Bad Bodendorf. 13 Flaksoldaten starben an der Ahreisenbahnbrücke. Die Bomber erlitten keine Schäden. "Die kamen immer aus Süden, direkt aus der Sonne, so dass die Flak die Flieger meistens viel zu spät wahrnehmen konnte", sagt Karl Brogsitter aus Sinzig.

Der Hobby-Historiker des Jahrgangs 1932 ist am Helenenberg groß geworden und hat sich bereits fast mit jedem Haus und jedem Bewohner der Barbarossastadt befasst. Er kennt jeden Meter um das Gleisdreieck und die Brücke, die schließlich am 22. Januar einen weiteren schweren Angriff erlebte.

Nach Jakob Weiler starteten an diesem Tag 36 Marauder der 344. und 37 Invader des 386. Bombergeschwaders zur Zerstörung der Ahrbrücke. 124 450-Kilo-Bomben und vier 225-Kilo-Sprengbomben werden abgeworfen. Der Amtsbürgermeister von Sinzig, Meyer-Kirschner, vermerkte: "Der Verkehr auf der Strecke Remagen - Sinzig ist wegen Totalschadens unterbunden." Die deutsche Flak traf 20 Flugzeuge, zwei Flaksoldaten fanden den Tod.

"Durch die Druckwellen", so Brogsitter, gingen in Sinzig nahezu alle Fensterscheiben zu Bruch, und es war bitterkalt." Am 25. Januar fielen 49 000 Kilo Sprengstoff auf das Gleisdreieck und die Brücke, eine Maschine wurde abgeschossen. Fast täglich tauchten die Bomberverbände über Sinzig auf.

Ein schlimmer Tag wurde der 13. Februar. 72 amerikanisch Bomber warfen ihre Last schon Kilometer vor dem eigentlichen Ziel, der Brücke, ab. Westum wurde getroffen, zwei Frauen, ein Mann und ein Kind starben. In der Koisdorfer Straße fielen Bomben, die Rheinstraße wurde getroffen, ebenso die Grabenstraße.

"Wir lebten in diesen Tagen nur mit dem Koffer in der Hand, um in die Bunker zu rennen", erinnert sich Brogsitter. An der Lindenstraße wurde der Kaisersaal dem Erdboden gleich gemacht. Zwei Tage später das gleiche Bild: 74 Marauder trafen die Brücke so, dass sie nur noch für leichte Fahrzeuge befahrbar war, der Eisenbahnverkehr wurde für drei Tage eingestellt. Am 2. März hagelte ein Bombenteppich auf die Brücke nieder. 63 Marauder warfen 110 Bomben ab, darunter 102 20-Zentner-Bomben.

Am 6. März kapitulierte das stolze Bauwerk, der Bahnverkehr über die schwer beschädigte Brücke wurde eingestellt, die Gegend um das Gleisdreieck gleicht einem Flickenteppich, die Menschen hoffen auf das Ende des Krieges. Einen Tag später stehen die Amerikaner vor Sinzig.

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