Bakterien im Kühlschrank Die aus der Kälte kommen

BONN · Lebensmittelwissenschaftler im Institut für Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaften an der Meckenheimer Allee sind kälteliebenden Mikroorganismen auf der Spur.

 Bakterien: In den Schalen gedeihen Bacillus (beige), Mikrokokkus (gelb) und Pseudomonaden (orange), die André Lipski und seine wissenschaftliche Mitarbeiterin Julia Derichs erforschen.

Bakterien: In den Schalen gedeihen Bacillus (beige), Mikrokokkus (gelb) und Pseudomonaden (orange), die André Lipski und seine wissenschaftliche Mitarbeiterin Julia Derichs erforschen.

Foto: Andrea Künstle

Mikroorganismen haben die Tendenz, sich an Oberflächen anzuheften. Ist dies geschehen, bildet sich eine Schleimschicht, die Wissenschaftler Biofilme nennen. Der bekannteste Biofilm ist wohl der Zahnbelag.

Aber damit beschäftigen sich die Wissenschaftler am Institut für Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaften, Abteilung Lebensmittelmikrobiologie und -hygiene, natürlich nicht. In dem von Professor André Lipski geleiteten Institut gehen sie besonderen kälteadaptierten Bakterien nach, die sich im Kühlschrank wohlfühlen und sich dort vermehren.

Das Problem: Gelangen diese Bakterien dann auch noch in Lebensmittel, finden sie ein nährstoffreiches Biotop vor, in dem sie sich gut vermehren können. Die kälteliebenden Mikroorganismen nennt man psychrophile oder psychrotolerante Bakterien.

Zu ihnen zählen unter anderem die Gattungen Listeria, Clostidium, Yersinia und einige Bacillus-Stämme, die für den Menschen schädlich sein können. Somit ist es zum einem für die Industrie und zum anderen für die Lebenswissenschaften wichtig, die Kälteadaption zu verstehen. Die Kälteanpassungsmechanismen bakterieller Zellmembranen sind eines der Forschungsfelder des Instituts an der Meckenheimer Allee.

"Der überwiegende Lebensraum auf der Erde ist kalt. Auf etwa einem Viertel der Erde herrscht Permafrost, auf dem Ozeanboden herrschen Dauertemperaturen von durchschnittlich gerade mal vier Grad Celsius", so Lipski.

Die Forscher interessiert dabei, wie sich Bakterien aufgrund der Umwelt- und Klimabedingungen, die auf der Erde vorherrschen, evolutiv an diese kalten Temperaturen angepasst haben. "Die Erkenntnis ist auch für die Lebensmittelindustrie wichtig, die Produkte versucht, immer länger haltbar zu machen", so Lipski.

Man weiß etwa, dass die Fettsäuren der Zellmembran eine Rolle in der Kälteanpassung spielen. Jedoch gibt es Bakteriengruppen, die diesen Anpassungsmechanismus nicht aufweisen.

"Wir betreiben Grundlagenforschung, das heißt also, dass wir die Mechanismen verstehen wollen", sagt der Wissenschaftler. Erst wenn das geschehen ist, könne in der Folge die Industrie diese Erkenntnisse für sich nutzbar machen, um etwa Produkte zu stabilisieren. Die Forschungsergebnisse sind aber auch wichtig für den gesamten Bereich der Tierhaltung oder die Milchproduktion.

Jedes Jahr werden übrigens mehr als 100 neue Bakterienspezies entdeckt.

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