Der unterschätzte Wirtschaftsriese

Mit 7 200 Angestellten ist die Alma Mater hinter der Telekom der zweitgrößte Arbeitgeber in Bonn

Bonn. Sparen, sparen, sparen. Auch die Universität Bonn gerät regelmäßig zum Objekt der Begierde für jene, die in den öffentlichen Haushalten den Rotstift führen. Doch die Alma Mater nur unter Kostengesichtspunkten zu sehen, ist angesichts der breiten Palette wirtschaftlicher Effekte eher einäugig. Tatsächlich entpuppt sich die Welt der Gelehrten und Lernenden als wirtschaftliches Schwergewicht.

Das fängt damit an, dass rund zwölf Prozent der Bonner Bevölkerung einen Studentenausweis haben, und hört damit auf, dass die Universität mit rund 7 200 Beschäftigten nach der Deutschen Telekom der zweitgrößte Arbeitgeber Bonns ist.

Die je nach Sommer- und Wintersemester zwischen 38 000 und 40 000 Studenten Bonns müssen essen, trinken, Fachliteratur kaufen und kopieren, besuchen zwischendurch manches Konzert oder Theater und prägen nicht nur das öffentliche Leben, sondern insbesondere - Studenten wohnen zur Miete - auch den Immobilienmarkt ganzer Stadtteile. "Die Bonner Universität und ihre Studenten als Wirtschaftsfaktor" - eine systematische Untersuchung dazu wäre erhellend.

Aber auch ohne detaillierte Zahlenerhebung dürfen positive Stabilisierungs- und Beschäftigungseffekte für die regionale Wirtschaft angenommen werden. Vor allem in den 70er Jahren sah man in der Neugründung von Hochschulen ein regionalpolitisches Instrument, mit dem sich der Strukturwandel fördern und wirtschaftlich schwache Räume stärken ließen.

Professor Klaus Borchard schätzt, dass die Bonner Studenten in Stadt und Region "pro Jahr rund 300 Millionen umsetzen". Der Rektor der Uni Bonn dürfte mit seiner Schätzung die Wirklichkeit recht genau treffen, rechnet man die Ergebnisse der Fallstudie "Regionale Wirkungen der Universität Potsdam" - bei aller Unsicherheit - für Bonn hoch.

Mit durchschnittlich etwa einem Drittel jedes Studenten-Budgets verschlingt die Wohnmiete den größten Batzen. Rund 1,3 Millionen Euro gehen monatlich allein aus studentischen Geldbörsen für Kleidung über die Ladentheke, rund 2,2 Millionen für Lebensmittel.

Da ein Studentenleben nicht nur aus Büffeln besteht, wird auch die Freizeit zum Wirtschaftsfaktor: In den Kneipen, Cafés und Restaurants zwischen Altstadt und Poppelsdorf landen laut Hochrechnung mehr als 400 000 Euro pro Monat. Und für mindestens 20 000 Euro im Durchschnitt werden Eintrittskarten - Theater, Kleinkunstbühnen, Konzertsäle - gekauft, womit die Studenten "trotz Studentenermäßigung" auch einen kleinen Beitrag zur Erhaltung des kulturellen Lebens liefern.

Dazu Geschäfte des Büro- und EDV-Bedarfs, Buchhandlungen, Zeitungshandel. Alle profitieren. Damit ist die Kaufkraft-Quelle Universität aber längst nicht erschöpft: "Zählen wir alle Angestellten, die bei uns auf der Pay-Roll stehen, also auch die der Universitätskliniken, kommen wir auf 7 200 Leute." Kaufkraft: rund 350 Millionen Euro.

Borchard: "Unser gesamtes universitäres Budget liegt bei rund 650 Millionen Euro, Gehälter inklusive." So addieren sich Studenten, Uni-Angestellte und Sachausgaben zu einem Kaufkraft-Koloss von fast einer Milliarde Euro - "ein Faktum, das manche nicht hinreichend zur Kenntnis nehmen". Dieser Wirtschaftsfaktor "Universität" initiiert freilich weitere Impulse für die städtische Prosperität.

In welchem Maße, das lässt sich aus einer weiteren Studie ableiten. So analysierte die Gießener Wirtschaftsgeographin Andrea Zentker die Konsumgewohnheiten von 556 Mitarbeitern des Telegrafenberg-Instituts am GeoForschungsZentrum (GFZ) Potsdam. Übertragen und hochgerechnet auf Bonn hieße das: Die Uni-Angestellten sichern allein durch ihre Privatausgaben rund 1 800 Arbeitsplätze in Handel, Handwerk und Gewerbe.

Da überrascht nicht, wenn GFZ-Vorstand Rolf Emmermann über Unis als Wirtschaftsfaktor resümiert: "Wir sind eine Sparbüchse: Wenn Sie etwas hineinstecken, kriegen Sie mehr wieder heraus."

Das wirtschaftliche Schwungrad Universität Bonn ist jedoch nur ein Rädchen in der Region Köln-Aachen-Bonn: "Inklusive der vielen Fachhochschulen kommen wir mit den Universitäten Bonn, Köln und Aachen auf fast 200 000 Studenten, damit sind zehn Prozent aller deutschen Studenten auf diesem engen Raum versammelt", rechnet Borchard vor - "geographisch nicht größer als Berlin, eher noch kleiner." Das sei ein "unglaublicher Wirtschaftsfaktor". Das gilt selbst dann, wenn nicht jeder Kaufkraft-Euro am Universitäts-Standort ausgegeben wird.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort