Mondfinsternis am 27. Juli Der Mond wurde lange unterschätzt

Bonn · Mond, Erde, Mensch: Die Geschichte der Beziehung zwischen den dreien berichtet von einem chronisch unterschätzten Erdtrabanten – sowohl für das Werden des Lebens an sich als auch für das Bewusstsein, auf einem fragilen Planeten zu leben.

In den Jahren nach den Apollo-Missionen sparten Kritiker nicht mit bissigem Spott. Nutzloses Mondgestein, aufpolierter Nationalstolz, ein globales TV-Highlight, ein paar nette Reisefotos. Der Gegenwert für rund 25 Milliarden Dollar, die das Apollo-Programm damals gekostet hatte, erschien maximal untergewichtig. Unbemannte Satelliten hätten die selben Ergebnisse liefern können – „zu einem Fünftel der Kosten“, so der damalige Nasa-Chefgeologe Eugene Shoemaker, der bald das Handtuch bei der Nasa warf. Die wissenschaftliche Mondforschung sei bei den Apollo-Missionen zur „Schaufensterdekoration“ verkommen.

Auch 40 Jahre danach (2009) sah es Ex-Astronaut William „Bill“ Anders, der das Foto auf dieser Seite am 24. Dezember 1968 gemacht hatte, ähnlich: Apollo sei „kein wissenschaftliches Programm“ gewesen; hätte es keinen „Wettlauf mit den Russen“ zum Mond gegeben, „hätten wir niemals die Unterstützung der amerikanischen Steuerzahler gehabt“.

Inzwischen sieht die Bilanz etwas anders aus, radikal positiv sogar in einer unerwarteten Hinsicht. Können Mond-Reisefotos die Welt verändern? „Sie waren eigentlich etwas ganz Natürliches“, schrieb der legendäre US-Astronom Carl Sagan, „zogen aber Konsequenzen nach sich, die niemand vorhersah.

Zum ersten Mal konnten die Erdenbewohner ihre Welt von oben sehen – die ganze Erde, die Erde in Farbe, die Erde als einen wunderbaren weiß-blauen Ball, der sich vor dem schwarzen Hintergrund des Weltraums dreht.“ Dass ihr Planet irgendwie einmalig war, wussten die Menschen bis dato, aber nun sahen sie es. Ein großer Unterschied für ein Augentier, wie es der Mensch bis heute geblieben ist.

Es begann 1968, als Apollo 8 erstmals zum Mond aufbrach und ihn umrundete. „Oh mein Gott! Seht euch dieses Bild da an! Hier geht die Erde auf. Wow, ist das schön“ – Astronaut Frank Borman sprühte vor Begeisterung, und sein Kollege Jim Lovell meldete in die Heimat: „Von hier aus gesehen ist die Erde eine grandiose Oase in der weiten Wüste des Weltalls.“ Auf der Erde begann damit die Wiederentdeckung der Einmaligkeit des eigenen Planeten, auch ein Bewusstsein für seine Zerbrechlichkeit wuchs, insbesondere der zarte, das Leben schützende Gasflaum (die Atmosphäre) erschien fragil und verletzlich.

Jahrzehnte später spricht Claudie Haigneré, erste Französin im All und später Forschungsministerin, von einem „globalen ökologischen Gewissen“, das sich plötzlich entwickelte und die ersten Umweltbewegungen entstehen ließ. Für Haignerés Kollegen Jean-Francois Clervoy ist das Bild vom blauen Planeten und was daraus folgte ein „entscheidender Moment in der Menschheitsgeschichte“.

Mondgestein beweist: Der Mond war einst ein Teil der Erde

Doch den großen Sprung vom Bewusstseinswandel zu spürbaren Schutztaten hat die Menschheit bisher nicht geschafft. Das vordringliche Ziel, die Treibhausgas-Emission zu stoppen und damit die Erderwärmung, steht seit Jahren nur in Protokollen und Erklärungen. Taten fehlen, die Weltemission steigt und steigt, und in vielen Regionen lassen Dürren die Ernten schwächeln. Die Lebensgrundlagen insgesamt scheinen zu zerbröseln: Die Meere versauern, der Weltacker erodiert, der steigende Meeresspiegel wird die Kontinente nicht nur ein bisschen verkleinern.

Unterdessen bestärkte die Analyse des mitgebrachten Mondgesteins die Theorie, wonach der Mond ein Teil von Mutter Erde ist und aus einer Kollision des Planeten mit einem kleineren Himmelskörper, der etwa 20 Prozent der Erdmasse hatte, entstanden war – aus dem Material, das der Zusammenprall freigesetzt hatte. Es rotierte um die Erde und verdichtete sich bald – von der Gravitation getrieben – zum Mond.

Simulationen Mitte der 1990er ergaben, dass ein anderer Einschlagswinkel vor etwa 4,5 Milliarden Jahren zu völlig anderen Ergebnissen geführt hätte, zum Beispiel zu gar keinem Mond oder einem viel kleineren. So aber entstand etwa 50 Millionen Jahre nach der Geburt unseres Sonnensystems dessen fünftgrößter Mond (von insgesamt 170). Damit ist er jener in unserem Sonnensystem, der im Verhältnis zu seinem Planeten der größte ist.

Seitdem wirken Erde und Mond über ein sogenanntes inhomogenes Gravitationsfeld aufeinander: Die Schwerkraft der Erde wirkt auf den Mond, die des Mondes umgekehrt auf die Erde, was Ebbe und Flut verursacht, und die Fliehkräfte des Mondes verhindern, dass er nicht – wie ein Apfel vom Baum – auf die Erde fällt.

3,8 Zentimeter pro Jahr: Der Mond entfernt sich von der Erde

Die gegenseitigen Wirkungsketten sind jedoch komplizierter und führen langfristig dazu, dass Erde und Mond kein unzertrennliches Paar sind. So bewegte sich der frisch geborene Erdmond vor 4,5 Milliarden Jahren nur in etwa 200 000 Kilometern Entfernung um die Erde, womit seine Schwerkraft ungleich stärker auf den Planeten wirkte als heute, der seinerseits sich geradezu rasend um sich selbst drehte. Hochrechnungen ergaben Tageslängen von fünf bis sieben Stunden für die frühe Erde.

Während die Gezeitenkräfte die Erdrotation (um etwa eine Sekunde in 50 000 Jahren) bremsten und der Drehimpuls im Erde-Mond-System aber insgesamt erhalten bleibt, beschleunigte sich so der Mond, womit sich seine Umlaufbahn und sein Abstand von der Erde vergrößerten, was wiederum die Gezeitenkräfte verringerte.

Vor etwa 400 Millionen Jahren hatte die irdische Tageslänge rund 20 Stunden erreicht und der Trabant sich weiter entfernt. Die während der Apollo-Missionen hinterlassenen Retroreflektoren leisten dabei wertvolle Dienste: Lasermessungen bestätigten, dass der Mond unmerklich Abschied nimmt – mit etwa 3,8 Zentimeter pro Jahr oder einem Zehntel Millimeter pro Nacht wächst sein Abstand von der Erde.

Das muss nicht erschrecken, denn es bedeutet in 200.000 Jahren gerade einmal 7,6 Kilometer. Rückwärts betrachtet sahen unsere Vorfahren also mehr Mond, erschien er ihnen etwas mächtiger, was sicher auch die Mythenbildung beflügelte (siehe Seite Mensch und Gesellschaft).

Je intensiver die Wissenschaft zu erklären versuchte, wie das Leben auf der Erde entstehen konnte, desto bedeutender entpuppte sich der Mondfaktor. Zwar markiert der richtige Abstand – nicht zu nahe, nicht zu fern – von der Sonne und damit eine Lage in der bewohnbaren Zone eine Grundvoraussetzung, doch ohne Mond würde der Planet zum Spielball der Gravitationsgiganten Jupiter und Saturn, seine Drehachse zwischen null und 85 Grad hin- und herschlingern und das Klima buchstäblich Achterbahn fahren. Der große Erdmond dämpft diese Kräfte und stabilisiert die Erdachse zwischen 22 und 25 Grad, was den Wechsel der Jahreszeiten lebensfreundlich gestaltet. Und sogar die Entstehung des Lebens an sich förderte.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort