Der "gute Ton" motiviert Ehrenämtler

Bonner Forscher befragte Menschen, die Lebensmittel an Hilfsbedürftige verteilen

  Eine freiwillige Helferin  teilt Essen an zwei Bedürftige aus.

Eine freiwillige Helferin teilt Essen an zwei Bedürftige aus.

Foto: dpa

Bonn. (sj) Während vielen Nonprofit-Organisationen die ehrenamtlichen Helfer weglaufen, ist bei den "Deutschen Tafeln" von einer Krise nichts zu spüren: Deutschlandweit beschäftigen die rund 380 Tafeln etwa 10 000 Mitarbeiter - 90 Prozent davon ehrenamtlich. Und der Boom ist ungebrochen: Allein in den letzten vier Jahren ist hierzulande die Zahl der Tafeln um gut ein Viertel gestiegen.

Eine Studie an der Universität Bonn hat untersucht, warum das Modell so erfolgreich ist. Ergebnis: Die flachen Hierarchien, der kooperative Führungsstil und die "Anerkennungskultur" sorgt bei den Helfern für eine extrem hohe Arbeitszufriedenheit. Auffälligerweise ist der "gute Ton", der die Ehrenamtlichen bei der Stange hält, oft ein weiblicher: Meist sind es Frauen, die die Tafeln leiten.

"Tafeln bestehen eigentlich aus nichts weiter als einem Telefon und einem Lastwagen", sagt Konstantin von Normann. Wenn ein Lebensmittelhändler anruft, fahren die Tafelhelfer zu ihm, packen die Lebensmittel ein und verteilen sie an Obdachlosenheime, Bahnhofsmissionen oder Jugendtreffs.

Für beide Seiten ein Vorteil: Der Händler spart sich die Entsorgungskosten, und Bedürftige erhalten für wenig Geld oder sogar umsonst qualitativ hochwertige Nahrungsmittel. Kein Wunder, dass sich diese simple Idee, die Mitte der 60er in den USA aufkam, so schnell verbreitet hat.

Rund 9 000 Ehrenamtliche zählen die Deutschen Tafeln inzwischen, so schätzt der Ökotrophologe und Wirtschaftswissenschaftler aus der Abteilung Wirtschaftssoziologie unter Leitung von Professor Thomas Kutsch. Und es werden fast täglich mehr - von der "Krise des Ehrenamtes", die andere Nonprofit-Organisationen zur Zeit beklagen, keine Spur.

Um den Grund für diesen Boom herauszufinden, hat von Normann insgesamt 818 Tafelhelfer nach Motivation und Arbeitszufriedenheit befragt. Ergebnis: "Mehr als 90 Prozent gaben an, mit ihrer Tätigkeit zufrieden zu sein - ein enorm hoher Wert." Grund ist vor allem der kooperative Führungsstil der Tafelleiter und die schwach ausgeprägten Hierarchien. "Wer in den Tafeln nach einer verantwortungsvollen Aufgabe fragt, bekommt sie in der Regel auch. In vielen anderen Organisationen erledigen Ehrenamtliche eher das, was die Hauptamtlichen nicht machen möchten."

Ebenfalls vorbildlich: Tafelleiter loben gerne. "Diese ''Anerkennungskultur'' ist in den USA noch ausgeprägter - da werden sogar schon Mitarbeiter beklatscht, wenn sie drei Monate dabei sind; das ist beeindruckend", erzählt von Normann, der bei einem Forschungsaufenthalt in New York selbst bei den dortigen Tafeln mit angepackt hat. Die meisten Tafeln in Deutschland werden von Frauen geleitet; wie überhaupt der Helferinnen-Anteil hoch ist.

"Eine Mitarbeiterin sagte mir, man müsse einen ''Hausfrauenblick'' für die Lebensmittel haben, um zu sehen, welche Sachen nicht mehr gut sind, und je nach Klientel einen ausgewogenen Mix zusammenzustellen", so der Wissenschaftler. "Der hohe Frauenanteil trägt sicherlich zur guten Atmosphäre in den Tafeln bei. Frauen führen kooperativer und sprechen mehr miteinander."

Ein weiterer Pluspunkt ist das flexible Spendenmodell: Jeder gibt, was er am besten kann - der Copyshop spendet Freikopien, der Grafiker entwirft umsonst ein Logo.

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