Der gute Ton beim Beckensprung

Mit Klängen machen Bonner Sportwissenschaftler Bewegungen hörbar - Dadurch sollen Blinde Sportarten leichter erlernen und Schlaganfallpatienten es bei der Reha leichter haben

  "Stimmt" der Ablauf?  Sportarten wie Schwimmen beruhen auf komplizierten Bewegungsabfolgen. Wissenschaftler wollen sie hörbar machen.

"Stimmt" der Ablauf? Sportarten wie Schwimmen beruhen auf komplizierten Bewegungsabfolgen. Wissenschaftler wollen sie hörbar machen.

Foto: Frank Homann

Bonn. Mit Musik geht''s gleich nochmal so gut - das haben sich auch Sportwissenschaftler der Uni Bonn gedacht. Seit fünf Jahren untersuchen sie in einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderter Projekt, ob und wie sich Bewegungen in Klänge umsetzen lassen. Denn: Die Töne sollen es leichter machen, bestimmte Bewegungsabfolgen zu erlernen.

Gleichmäßig zieht der Schwimmer seine Bahnen durch das Becken. Ein wunderbarer Anblick - fast hat man schon eine Melodie im Ohr, die zu der Bewegung passt. Beim Bodenturnen und Eiskunstlauf sind ja sowieso schon Musik und Bewegung gekoppelt.

Mit Tönen Sportarten schneller und besser erlernen - dieser Theorie gehen Professor Heinz Mechling und Alfred Effenberg von der Bonner Uni nach. "Wir haben uns gefragt: Wie kommt es zu einem Geräusch?", beschreibt Effenberg die Idee zu seinem Forschungsprojekt. "Davor muss immer eine Bewegung stattgefunden haben: Schall ist das Ergebnis eines kinetischen Ereignisses. Aber warum klingt dann die menschliche Bewegung nicht?", fragten sich die Forscher weiter.

Simples Laufen ist stumm

Zwar kann man Füße auf dem Boden oder Händeklatschen hören. Aber simples Laufen ist stumm. Zumindest verursacht es keine Geräusche in einer Frequenz, die unsere Ohren wahrnehmen könnten. Gehen hörbar zu machen, genau das wollten die Wissenschaftler versuchen. "Grundfrage war also: Wie würde der menschliche Körper klingen?", berichtet Effenberg.

"Große Segmente wie der Rumpf würden sicher lauter und tiefer sein als kleine", lautete eine aus der Akustik abgeleitete Schlussfolgerung.

Das klingt sehr simpel - doch motorische Abläufe im Detail aufzunehmen, erwies sich als ein großer Brocken Arbeit. Schließlich geht es darum, bestimmte Parameter wie Geschwindigkeit, Beschleunigung und Kraft-Zeit-Verläufe zu messen und diese in Töne zu übersetzen.

Bei dieser so genannten "Sonification" arbeiteten die Sportwissenschaftler mit ihren Kollegen vom Institut für Informatik zusammen. Das Wort Musik vermeidet Effenberg aber: "Wie Mozart klingt das nicht." Die Klänge seien auf Dauer sogar eher nervend, schmunzelt er.

In einem ersten Versuch haben Effenberg und seine Kollegen Brustschwimmbewegungen in akustische Signale umgesetzt. Voller Zuversicht suchten die Forscher eine Gruppe von Leistungsschwimmern, spielten ihnen ihr Klangkonstrukt vor und fragten dann, welche Sportart da wohl vertont worden war. Enttäuschend: Auf Brustschwimmen kam niemand. "Die Sportler glaubten, dass die Töne dafür zu schnell und zu gleichmäßig gewesen seien", berichten die Forscher.

Und tatsächlich: Im Vergleich erschien der Test-Schwimmer als ungewöhnlich hektisch. Außerdem hatten die Wissenschaftler nur eine einzige Bewegungssequenz von ihm aufgenommen und hintereinander kopiert. Dadurch war wohl eine nicht natürliche Gleichmäßigkeit entstanden.

Doch in fast jedem Misserfolg steckt auch etwas Lehrreiches: Da die Leistungsschwimmer die rudimentären Klänge nicht identifizieren konnten, deuteten sie sie eigentlich sogar besonders gut. Das Ergebnis machte den Sportwissenschaftlern Mut. "Die Wahrnehmung über den akustischen Kanal funktioniert offensichtlich gut - sogar besser als man meint", folgert Effenberg.

Nächste Phase des Projekts war herauszufinden, ob akustische Signale auch das Nachahmen eines motorischen Ablaufs erleichtern. Dafür haben Effenberg und Kollegen diverse Hockstrecksprünge eines Mitarbeiters mit einer Kraftmessplatte aufgezeichnet. Die Platte misst die Druckeinwirkungen des Springenden und übersetzt sie in elektronische Impulse. Ein Rechner macht die Impulse dann als Klangfolgen hörbar.

Derzeit laufen Wahrnehmungstests mit rund 40 Studierenden unterschiedlichster Fachrichtungen. Einzeln bekommen sie im Labor der Sportwissenschaftler zunächst nur den Film mit den Hockstrecksprüngen zu sehen und in einem zweiten Durchlauf den Film mit der Tonfolge vorgeführt.

Anschließend schlüpfen die Testpersonen selbst in die Rolle der Streckspringer. Die Probanden sollen die im Film vorgeführten Sprünge in exakt der Höhe des Beispiels nachspringen: Sie variieren zwischen 20 und 45 Zentimetern. Für die statistische Auswertung hüpfen die Testspringer nicht nur einmal, sondern 30 Mal pro Durchlauf.

Erste positive Ergebnisse

Die ersten Ergebnisse haben Effenberg positiv gestimmt. Es zeichnet sich ab, dass die Kombination von Film und Ton zu wesentlich besseren Ergebnissen führt als der Film alleine. "Zum Teil treffen die Probanden dabei mit einer unglaublichen Genauigkeit die vorgeführte Höhe - mit weniger als zwei Zentimeter Abweichung. Das macht uns regelrecht atemlos." Doch bislang sei erst die Hälfte der Versuche gelaufen.

Dennoch: Die Forscher machen sich bereits Gedanken, für was sich ihre Klangmethode alles einsetzten ließe. "Mit diesem Ansatz haben wir eine Tür zu einem ganz neuen Gebiet aufgestoßen", sagt Professor Mechling."Man könnte sich vorstellen, dass Patienten nach einem Unfall oder einem Schlaganfall nach dieser Methode besser rehabilitiert werden können, dass Blinde Dinge lernen, die sie noch nie sehen konnten, oder dass Parkinson-Kranke auf diese Weise zu mancher Bewegung anzuregen sind." Großes Interesse an der Weiterentwicklung der Methode haben schon manche Leistungssportverbände angemeldet, um Bewegungsmuster für Spitzensportler zu optimieren.

Informationen unter www.uni-bonn.de/sportinstitut/

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