Dem Getreideschimmel auf der Spur

Schimmel auf Mais und Weizen produziert Gifte, die auch dem Menschen gefährlich werden können - Bonner Forscher suchen nach resistenten Getreidesorten, um die Pilzinfektion zu verhindern

Dem Getreideschimmel auf der Spur
Foto: Volker Lannert

Bonn. Sie werden von manchen Landwirten bereits als "BSE des Getreides" gefürchtet: Fusarium-Toxine. Das sind Pilzgifte, die sich in verschimmeltem Getreide bilden. Wissenschaftler gehen davon aus, dass sie Zellen schädigen, das Immunsystem schwächen und möglicherweise Krebs erregend sein können.

In letzter Zeit sind die Fusarium-Gifte immer wieder in die Schlagzeilen geraten: Das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV) warnte vor belasteter Babynahrung, die Zeitschrift "Öko-Test" stellte in drei von 22 Spaghetti-Proben erhöhte Konzentrationen fest. Bonner Wissenschaftler des Lehr- und Forschungsschwerpunkts "Umweltverträgliche und Standortgerechte Landwirtschaft" sind dem Getreideschimmel auf der Spur.

Heinz Dehne, Professor vom Institut für Pflanzenkrankheiten, unterscheidet zwei Arten von Schimmelpilzen: "Zum einen gibt es die sogenannten Lagerpilze, die durch unsachgemäße Lagerung entstehen, zum anderen die Feldpilze, zu denen auch die Fusarien gehören." Letztere befallen das Getreide bereits vor der Ernte und gelangen unbemerkt in Nahrungsmittel, weil sie mit bloßem Auge kaum sichtbar sind. "Der Verbraucher wiederum kann sich nicht schützen, da man ja nicht einfach sicherheitshalber alle Getreideprodukte meiden kann", sagt Dehne.

Getreide sei eben nicht nur im Brötchen, sondern auch in fast allen stärkehaltigen Nahrungsmitteln und zum Beispiel auch im Bier vorhanden. "Da die Toxine weitgehend hitzestabil sind, werden sie bei der Nahrungsmittelverarbeitung in der Regel nicht zerstört."

Welche Auswirkungen selbst geringe Dosen dieser auch Mykotoxine genannten Gifte auf den Menschen haben könnten, ist noch nicht sicher bekannt. Fest steht laut Dehne aber bereits, "dass mykotoxinbelastetes Getreide, das an Nutztiere verfüttert wird, bei diesen zu schweren Krankheitssymptomen führen kann."

Denn: "Das sind Ultragifte, die schon in Dosen von wenigen Mikrogramm gesundheitliche Probleme verursachen können." Dazu zählten Erbgut-Veränderungen oder Störungen des Immunsystems.

Das Problem wird daher auch im Bundesministerium für Verbaucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft sehr ernst genommen: "Wir müssen davon ausgehen, dass Mykotoxine tatsächlich eine Bedrohung für die Gesundheit darstellen", sagte der zuständige Referatsleiter Walter Töpner. Die Mykotoxin-Belastung von Nahrungsmitteln sei lange unterschätzt worden.

Erst die moderne Analytik habe es in den vergangenen Jahren möglich gemacht, die Gifte überhaupt aufzuspüren.

Irene Lukassowitz vom Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz spricht sich für Grenzwerte aus. Die gibt es aber für Fusarium-Toxine noch nicht, lediglich den Entwurf für eine Verordnung ab 2002, über den Bundesrat und Europäische Kommission noch abstimmen müssen.

Derzeit kontrollieren aber die Lebensmittelüberwachungsbehörden bereits Mykotoxin-Gehalte nach Empfehlungen der EU. Die lege die tägliche Höchstmenge von einem Mikrogramm Mykotoxin pro Kilogramm Körpergewicht nahe, macht Lukassowitz deutlich. "Diese Höchstmenge ist jedoch durch eine einmalige Aufnahme erhöhter Konzentration nicht zu erreichen. Da müsste man schon ständig zu hohe Dosen zu sich nehmen."

Das Übel an der Wurzel packen wollen indes die Bonner Wissenschaftler: Sie entwickeln Strategien, die Ausbreitung von Fusarien zu verhindern. Zwar ließen sich die Pilze auch durch geänderte Fruchtfolgen reduzieren. "Am einfachsten wäre es, Weizen zum Beispiel nur nach Kartoffeln anzubauen", meint Dehne. Aber aus ökonomischen Gründen würden die meisten Landwirte gezwungen, möglichst viel Getreide anzubauen.

Besonders vielversprechend erscheinen den Forschern deshalb resistente Getreidesorten, auf denen die Schimmelpilze nicht mehr so gut gedeihen. "Wir haben bereits einige Resistenzquellen entdeckt", berichtet Dehne. Es gebe auch schon weniger anfällige Sorten, die seien aber wiederum auch weniger ertragsreich.

"Ein weiteres Problem ist, dass der Pilz sich immer wieder neu anpasst", berichtet der Wissenschaftler. Das heißt, dass auch resistentes Getreide wieder befallen werden kann.

Bis die optimale Sorte entwickelt ist, werden nach Einschätzung der Wissenschaftler aber noch acht bis zehn Jahre vergehen. Ein ganz überflüssiges Übel sind die Fusarien übrigens nicht: Aus ihnen werden Antibiotika gewonnen, die vor allem gegen Entzündungen der Nasennebenhöhlen eingesetzt werden.

Fusarien

Fusarien produzieren verschiedene, meist hochgiftige Mykotoxine mit sehr unterschiedlichen, chemischen Strukturen. Insgesamt sind 300 dieser gefährlichen Pilz-Stoffwechselprodukte bekannt, die verschieden in ihrer gesundheitsschädlichen Wirkung sind. "Diese Vielfältigkeit lässt chemisch-analytische Untersuchungen sehr aufwendig und teuer werden", erklärt Professor Heinz Dehne vom Institut für Pflanzenkrankheiten der Uni Bonn.

Manche dieser Pilze produzieren aber auch keine Mykotoxine. Fusarien befallen alle Getreidearten, besonders aber Mais und Weizen. Feuchtes Wetter begünstigt die Pilze. Der Befall in den Ähren wird besonders gefördert, wenn es zur Weizenblüte im Mai und Juni regnet.

Hinzu kommt das Problem, dass der Landwirt ausgerechnet in dieser Zeit nicht spritzen kann. Eine gefährliche Infektionsquelle sind laut Professor Dehne zerkleinertes Stroh und Pflanzenreste, die nach der Getreideernte nicht untergepflügt, sondern nur oberflächlich in den Boden eingearbeitet werden.

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