Das flinke Studium der Bonner Germanisten

Laut einer bundesweiten Umfrage gelten Geisteswissenschaften als "schwer studierbar" - Anderes Bild an der Universität Bonn

Bonn. Allen Unkenrufen vom "Taxifahrer Dr. phil." zum Trotz entscheidet sich jeder fünfte Abiturient weiterhin für ein geisteswissenschaftliches Fach - fast die Hälfte in den zahlenmäßig großen Fächern Germanistik, Geschichte und Anglistik. Allerdings seien diese Fächer aufgrund mangelnder Strukturierung "schwer studierbar", lautete das kürzlich veröffentlichte Ergebnis einer vom Bundesbildungsministerium an Auftrag gegebenen Studie. Die Folge seien häufiger Studienabbruch und lange Studienzeiten.

Doch an der Bonner Universität ergibt sich ein anderes Bild - zumindest was die Germanistik angeht, die mit rund 5 000 Studierenden die Hälfte der Fakultät ausmacht. Ihre Magisterstudenten machen in Deutschland am schnellsten Examen: mit im Schnitt 9,9 statt bundesweit 12,3 Semestern. Dabei platzt der Studiengang angesichts einer Überlast von mehr als 200 Prozent aus allen Nähten.

Trotz Losverfahren drängeln sich 60 bis 70 Studierende in den Seminaren. "Wir werden vollgestopft und mit den großen Teilnehmerzahlen allein gelassen", so der Bonner Literaturwissenschaftler Professor Jürgen Fohrmann. Zum kommenden Wintersemester hat die Germanistik deshalb einen Numerus Clausus beantragt.

Dass die Bonner Germanisten trotzdem zügig studieren, lässt sich mit der Studienordnung erklären, die Anfang der 90er Jahre nach den Vorgaben der damaligen nordrhein-westfälischen Wissenschaftsministerin Anke Brunn entschlackt wurde. Außerdem gibt es ein umfassendes Beratungsangebot der Dozenten und der Fachschaft sowie Hilfestellungen auf den neu gestalteten Homepages der Bonner Institute und Seminare.

Seit rund zwei Jahren kann sich darüber hinaus am Germanistischen Seminar jeder Studierende im Grundstudium einen Wissenschaftlichen Mitarbeiter seines Vertrauens wählen, der ihm als Berater bei der Stundenplangestaltung und bei Schwierigkeiten hilft.

In Geschichte und in der Anglistik schneiden die Bonner Magisterstudenten mit 11,5 beziehungsweise 10,2 Semestern ebenfalls gut ab: Sie liegen etwa ein Semester unter der mittleren Studiendauer. Die Romanisten brauchen mit 12,5 Semestern zwar deutlich länger, liegen aber immer noch im bundesweiten Durchschnitt. Das liegt laut Willi Jung, Geschäftsführer des Romanischen Seminars, an den "dramatisch zurückgehenden Kenntnissen der Abiturienten in der Zweitfremdsprache und dem hohen Anforderungsprofil der Sprachpraxis in Bonn".

Die Lehramtskandidaten studieren in Bonn allerdings mit 13,3 Semestern immerhin 1,3 Semester länger als der bundesweite Durchschnitt der Deutschlehrer. Dies liegt daran, dass an der hiesigen Uni zwei Hauptfächer plus Begleitstudium mit entsprechenden Praxisanteilen gefordert werden. Ein weiterer Grund ist die Stoffmenge, weil für die kleinteilig organisierte Staatsexamensprüfung 18 Themen gefordert werden. Da nützt auch die Freiversuchsregelung nichts, die zur Prüfungsmeldung vor Ablauf der Regelstudienzeit ermuntern soll.

Einen weiteren Punkt der Studie können Professoren der Bonner Uni nicht nachvollziehen. Viele der in der Umfrage erfassten Studenten bemängelten, dass sie die Studienlandschaft der Geisteswissenschaften als unterfordernd erleben. Jung kritisiert hingegen, dass die Studierenden zu wenig lesen: "Wir brauchen verbindliche Lektürelisten." Laut Fohrmann setzen sich die Germanistikstudenten aus "einer guten Spitzengruppe und einem größeren relativ schwachen Mittelfeld" zusammen. Möglicherweise liege es bei einem großen Teil der Studierenden nicht an mangelnder Begabung, sondern an fehlenden Vorkenntnissen.

Hinsichtlich EDV-Kenntnissen und der Vorbereitung auf das Berufsleben - beides haben die in der Studie befragten Studierenden angemahnt - hat sich an der Uni Bonn einiges getan: Die Ausrüstung für die Geisteswissenschaften ist mit einem Computerraum und der Neuausstattung des Sprachlernzentrums konsequent ausgebaut worden. Mit einer Vortragsreihe des "Bonner Hochschulzentrums" und einer Praktikumsbörse soll den Studenten darüber hinaus anschaulich nahegebracht werden, wie Berufseinstieg und Karriere auch in studienfernen Tätigkeitsfeldern gelingen können.

In den nächsten Jahren sollen mindestens zehn Magisterstudiengänge an der Bonner Uni in eine stärker berufsorientierte Bachelor-Master-Struktur umgestellt werden, wie Professor Georg Rudinger, Dekan der Philosophischen Fakultät, mitteilte.

"Das Studium der Geisteswissenschaften - eine Fachmonografie aus studentischer Sicht", herausgegeben vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, Postfach 30 02 35, 53182 Bonn. Im Internet bietet das Ministerium eine Kurzfassung zum Download an.

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